Das Denken im Meer
Fische beobachten wir im Aquarium. Oder wir essen sie. Selbst einige Vegetarier machen bei Fischen eine Ausnahme – so, als seien sie eher Pflanzen als Tiere. Nicht nur Schmerzempfinden, vor allem Intelligenz wird ihnen abgesprochen. Aber stimmt das – oder haben wir nur noch nicht verstanden, das Verhalten der Tiere in ihrer Welt richtig zu deuten? Eine Zoologin und eine Taucherin erzählen, warum wir genauer hinschauen sollten.
Wale kommunizieren durch Gesänge, die sie über Generationen weitergeben. Ein Delfin erkennt sich selbst im Spiegel. Ein Oktopus baut sich aus Kokosnussschalen ein Versteck. Die Idee, dass es Denken, Intelligenz, vielleicht sogar Spuren eines Selbstbewusstseins auch in den Tiefen der Ozeane geben könnte, ist uns nicht fremd. Bei unserer Bewunderung für marine Lebewesen bleibt aber ausgerechnet die größte Gruppe der dort beheimateten Tiere oft vergessen: die Fische. Sie gelten als weniger entwickelt und anderen Arten unterlegen. Ich will wissen, warum das so ist, und stelle fest, dass Fische schon lange als eher primitive Tiere gehandelt werden. Bereits Aristoteles, der als vielleicht erster Philosoph unter die Wasseroberfläche blickte, ordnete sie anderen Tieren unter.
In seinen umfangreichen Schriften zur Biologie widmete sich Aristoteles der Anatomie, Fortpflanzung und Bewegungsweise von Tieren und Menschen. Er verglich akribisch, wie sich die verschiedenen Arten zueinander verhielten, notierte Gemeinsamkeiten (Tauben leben in Paaren wie Eheleute) und Unterschiede (Menschen haben Gesichter, Tiere nicht). Um 330 v. Chr. verbrachte Aristoteles mehrere Jahre auf einer Insel im Ägäischen Meer und setzte dort den Grundstein der späteren Meeresbiologie. Er beobachtete und sezierte Fische, Korallen und sogar Wale. Dabei stellte der Philosoph einige Überlegungen an, die noch heute Gültigkeit besitzen – etwa, dass Tintenfische zur Tarnung ihre Farbe ändern –, und entdeckte zahlreiche Arten, darunter den nach ihm benannten Aristoteles-Wels. Einflussreich bis heute ist allerdings auch Aristoteles’ Vorstellung von der Natur als einer Leiter, auf der alle Lebewesen dem Grad ihrer Vollkommenheit nach angeordnet sind. Entscheidend für ihren Platz in der Hierarchie des Lebens war für Aristoteles unter anderem, ob Tiere warmes (vollkommen) oder kaltes Blut (unvollkommen) besitzen und ihre Nachkommen lebendig (vollkommen) oder in Eiern (eher unvollkommen) zur Welt bringen. An der Spitze der Leiter vermutete Aristoteles – wenig überraschend – den Menschen, gefolgt von anderen Säuggetieren und Vögeln. Fische, denen er kaltes Blut und unvollkommenes Eierlegen attestiert, standen am Fuß der Leiter, unter ihnen nur Insekten und Weichtiere.
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