Totalitäre Versuchung
Die Verheißung des Kommunismus endete mehr als einmal in Repression und Diktatur. Handelt es sich um einen Missbrauch von Marx’ Ideen? Für Philosophen wie Karl Popper und Judith Shklar sind die dunklen Auswüchse des Marxismus bereits im Denken seines Begründers angelegt.
Bertrand Russell
„Marx’ Denken war wirr und hasserfüllt“
Mit Anfang 30 hält Bertrand Russell (1872 – 1970) die Sozialisten noch für die „Hoffnung der Welt“, 50 Jahre später erscheint sein Essay „Why I am not a Communist“. Dieser beginnt mit einer doppelten und recht persönlichen Kritik an Marx: Er sei wirr im Kopf („muddle-headed“) und sein Denken voller Hass. Russell kritisiert Marx’ Hauptwerk Das Kapital unter anderem dafür, dass Ricardos Arbeitswerttheorie – die den Wert der Arbeit an ihrem Zeitaufwand festmacht – nur auf Löhne angewendet wird, nicht aber auf den Preis der produzierten Güter. Eine kalkulierte Entscheidung, glaubt Russell, um die Wut der Arbeiter zu provozieren und sie auf Marx’ Seite zu ziehen. Dessen Geschichtstheorie kommt nicht besser weg: Die Reduktion historischer Konflikte auf Klassenkämpfe habe zwar auf England oder Frankreich zugetroffen. Auf die Weltgeschichte ließe sie sich aber nicht ausweiten. Und sein dialektischer Materialismus – „reine Mythologie“.
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Was ist Marxismus?
In unserer Rubrik Auf einen Blick machen wir philosophische Strömungen in einem Schaubild verständlich. Diesmal: Marxismus, der als kritische Gesellschaftstheorie die kapitalistischen Produktionsverhältnisse analysiert und nach ihrer Überwindung im Sozialismus strebt.

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Wird Politik im Kommunismus überflüssig? Nein, meint Bruno Leipold, der das Bild vom antipolitischen Marxismus zu widerlegen sucht. Ein Gespräch über Marx als Republikaner, die Pariser Kommune und darüber, wie eine wirkliche Herrschaft des Volkes aussehen könnte.

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Karl Popper und die AfD
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Die sichtbare Hand des Marktes
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Hannes Bajohr: „Opfer ist bei Shklar gerade keine Identität“
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Die neue Ausgabe: Karl Marx
Für die einen ist Karl Marx Visionär der Freiheit, für die anderen Wegbereiter repressiver Systeme. Wie viel Marx brauchen wir heute? Die neue Sonderausgabe blickt kritisch auf Licht- und Schattenseiten eines Denkers, der keine Utopien bieten wollte, sondern das Werkzeug zur radikalen Kritik der Gegenwart.
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Stefan Gandler: „In Mexiko gilt Kommunikation als Verrat“
Lateinamerika ist Sehnsuchtsort, Politlabor und philosophisches Terrain, das sich stets ein wenig im Schatten seines nördlichen Nachbarn befindet. Zu Unrecht, wie wir in unserer Reihe über den Subkontinent zeigen wollen. Zum Auftakt sprechen wir mit Stefan Gandler über Marxismus in Mexiko, Montezumas Erbe und das barocke Ethos.
