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Reihe

Wer zuerst kommt, irrt am längsten?

Dieter Thomä veröffentlicht am 15 Januar 2025 4 min

Zielstrebig in die Zukunft und den Zeitgenossen abfällig den Rücken zugedreht: Mit der eitlen Avantgarde stellt Dieter Thomä die programmatische Denkbewegung der Silbe „Avant-“ vor.

 

Dieter Thomä ist ein Pionier der Prefix Studies. Seine wöchentliche Reihe über Avant-, Anti-, Re-, Ko-, De-, Dis-, Neo-, Spät-, Trans-, Meta-, Post- ist gleichzeitig der Countdown zu seinem Buch Post-. Nachruf auf eine Vorsilbe, das im März bei Suhrkamp erscheint.


 

„Avant-“

 

Nur der Vorsilbe „Avant-“ ist es gelungen, dank einer einzigen Wortverbindung – der „Avantgarde“ – in die erste Liga der Vorsilben aufzusteigen. Überdies ist die Avantgarde ein Beleg dafür, dass eine Karriere, die im Militär begonnen hat, eine erfolgreiche Fortsetzung im kulturellen und geistigen Leben finden kann. Der Seitenwechsel verlief im Fall der Avantgarde wahrscheinlich deshalb reibungslos, weil zur Vorhut im Kriegsfall die Kundschafter oder eben die Aufklärer gehören. Solche Aufklärer gibt es auch fern des Militärs, und so kann man alle Vertreter des Fortschritts als Avantgardisten begrüßen. 

Die meisten Philosophen haben darauf verzichtet, sich selbst geradewegs als Avantgardisten zu bezeichnen. Aber ihre Sympathie gilt denen, die sich nicht mit Gewohnheiten begnügen und einen neuen Anfang wagen. Friedrich Schlegel erkennt in dem französischen Revolutionär Condorcet einen „Geist, der seinem Zeitalter zuvoreilt“, und John Stuart Mill zeigt sich begeistert darüber, dass „nichts jemals getan wurde, ohne dass einer als Erster es tat“. 

Vor allem in den Sphären der Politik und der Kunst ist die Avantgarde zuhause. So lautet eine typische Beschreibung des Anarchisten Peter Kropotkins aus dem Jahr 1885: „Mutige Männer und Frauen, die wissen, dass man etwas wagen muss, um zu siegen – dies waren die verlorenen Vorposten, welche in der Geschichte der Revolutionen den Kampf begannen, lange bevor die Massen genügend erregt waren, um offen die Fahne des Kampfes zu erheben und zur Erkämpfung ihrer Rechte überzugehen.“

 

Die Speerspitze wackelt

 

Der Avantgardist blickt nach vorn, will wissen, wo’s langgeht, und geht schon mal vor. Er ist stolz darauf, als Erster zu sehen, was sich hinter der nächsten Ecke tut. Seine Expertise sieht er bei hehren Zielen. Gedanklich versetzt er sich in die Zukunft, die er für sich gepachtet hat, er gleicht also einer Uhr, die tüchtig vorgeht. Durch seinen Vorsprung will der Avantgardist zum Vorbild werden und denjenigen, die ihm folgen, Windschatten geben. Sie sollen dorthin gelangen, wo er schon ist. Wenn die Ziele von vorne nach hinten durchgereicht werden, liegen alle auf dem Zeitstrahl des Fortschritts, und die Geschichte läuft glatt. 

Mit dem Anspruch, seiner Zeit voraus zu sein, lebt der Avantgardist unweigerlich über seine Verhältnisse. Denn er ist und bleibt Zeitgenosse derer, die in der Gegenwart befangen sind. Da er vollauf damit beschäftigt ist, nach vorn zu schauen, werden sie von ihm freilich vernachlässigt, und darin liegt ein Grund für seine Unbeliebtheit. Er ist anfällig für elitären Dünkel und neigt dazu, sich selbst allzu toll zu finden. Nachrücker braucht er dringend, aber einholen lassen will er sich von ihnen nicht, denn dann würde seine Sonderrolle wegfallen. 

Die Organisation des sozialen Lebens, die zur Avantgarde passt, darf man sich wie eine quergelegte Pyramide vorstellen. An der Spitze – also an der Speerspitze der Geschichte – herrscht immer wieder Gedränge. Dort kommt es zum Zank um Deutungshoheit, denn jeder Avantgardist ist damit beschäftigt, andere, die auch ganz vorn mitmischen wollen, wegzubeißen. Eigentlich ist an der Spitze nur Platz für einen Vorreiter, und hinter ihm sammelt sich dann der ganze Tross, der in die gleiche Richtung marschieren soll. 

 

Rückfall in die Zukunft?

 

Dieses Bild des Fortschritts wird dadurch getrübt, dass es arg eintönig und einförmig wirkt. So ist verständlich, warum der Avantgarde nur eine kurze Blütezeit beschieden war, die hauptsächlich ins 19. und frühe 20. Jahrhundert fiel. Zwei wichtige Bücher, die auf diese Blütezeit zurückblicken, sind im gleichen Jahr 1974 erschienen: Julia Kristevas La révolution du langage poétique. L’avant-garde à la fin du XIXe siècle: Lautréamont et Mallarmé und Peter Bürgers Theorie der Avantgarde. Für beide ist ein Satz Arthur Rimbauds aus dem Jahr 1871 maßgeblich: „La poésie … sera en avant.“ – „Die Dichtung … wird voraus sein.“ 

Zehn Jahre nach Kristeva und Bürger, im Frühjahr 1984, erklärt Jean-François Lyotard die Postmoderne zu einem neuen Höhepunkt in der Geschichte der „Avantgarden“ und schwärmt von ihrer Fähigkeit, „das schon Dagewesene nicht zu wiederholen, sondern weiterzugehen“. Damit kommt er bei seinen postmodernen Kollegen allerdings nicht gut an. Der Architekturtheoretiker Charles Jencks wirft ihm vor, rückfällig zu werden und mit der Avantgarde jenes Fortschrittsdenken wieder aus der Versenkung zu holen, das doch endgültig passé sei. Um zu retten, was zu retten ist, werden rasch Trans-Avantgarde (Achille Bonito Oliva), Neo-Avantgarde (Benjamin Buchloh) und Post-Avantgarde (Ulrich Schulz-Buschhaus) erfunden, aber wenn eine Vorsilbe schon andere Vorsilben zu Hilfe rufen muss, um zu überleben, ist das ein schlechtes Zeichen. Die Personaldecke von Avant- ist dünn, was den Erfolg dieser Vorsilbe stark behindert. •

Aktueller Tabellenplatz: Schlusslicht
Leistungsträger: Avantgarde 
Besondere Eigenschaft: Selbstüberschätzung

 

Dieter Thomä ist emeritierter Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen und lebt in Berlin. Mitte März erscheint bei Suhrkamp sein Buch „Post-. Nachruf auf eine Vorsilbe“.

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