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Bild: Matthes & Seitz

Besprechung

Byung-Chul Han: Sprechen über Gott

Theresa Schouwink veröffentlicht am 14 Juli 2025 5 min

In seinem neuen Buch Sprechen über Gott denkt Byung-Chul Han mit der französischen Mystikerin Simone Weil noch einmal neu über Themen nach, die ihn seit langem beschäftigen – etwa der allgemeine Verfall der Aufmerksamkeit sowie die Bedeutung der Schönheit und des Schmerzes. Wer sich auf das Buch einlässt, erfährt Wesentliches über unsere Gegenwart und Wege, die zu Gott führen.

Byung-Chul Hans neues Buch Sprechen über Gott. Ein Dialog mit Simone Weil beginnt mit der Bemerkung, die französische Mystikerin, Philosophin und Sozialrevolutionärin Simone Weil (1909-1943) sei „vor einiger Zeit“ in ihn „eingezogen“. Nun spreche sie in ihm weiter. Die Art, wie Han in diesem Buch mit Simone Weil denkt, widerspricht den heutigen Üblichkeiten. Erwartet wird eine kritische Auseinandersetzung mit der Literatur, das Aussieben von Überzeugendem und zu Verwerfendem. Anerkannt ist auch der Versuch, eigene Thesen durch die Autorität angesehener Autoren zu stützen. Doch Han tut keines von beidem. Sein Essay entspringt einer anderen Denkerfahrung, die kennt, wer sich schon einmal von einem Buch oder einem Menschen beglückend verstanden gefühlt und wie von selbst begonnen hat, die gefundenen Gedanken in seine Erfahrungswelt zu übersetzen, sie zu ergänzen und weiterzuspinnen. Eigene Gedanken und die des anderen gehen fließend ineinander über, die Frage nach Autorschaft und Argumentstrukturen tritt in den Hintergrund.

Thema des Buches ist das im Titel benannte „Sprechen über Gott“. Gemeint ist der christliche Gott, doch Bemerkungen dazu, wer oder was Gott ist und welche Eigenschaften er hat, kommen kaum vor. Eine Leerstelle, die im Wesen der Sache liegen dürfte: Denn jene Aufmerksamkeit, „die bestrebt ist, des gesuchten Objekts schnell habhaft zu werden, ist der religiösen Erfahrung abträglich“. Gott hat keinen Informations- und keinen Unterhaltungswert. Er unterscheidet sich damit maximal von jenen Gegenständen (Nachrichten, Soziale Medien, Serien), mit denen unsere Wahrnehmung heute zumeist beschäftigt ist.
Der Essay umkreist Gott, indem er über Einstellungen und gesellschaftliche Entwicklungen spricht, die uns Gott näherbringen und über solche, die uns von ihm entfernen. Dabei greift Han zahlreiche Themen auf, denen er bereits Bücher gewidmet hat, und betrachtet sie mit Simone Weil noch einmal neu. Zu den Dingen, die in die Gottesferne führen, zählt das „Ich“, das sich die Welt konsumistisch einverleibt und eine „Adipositas der Seele“ entwickelt. Es leidet unter einer deformierten Wahrnehmungsweise, die die Welt ständig auf Nutzen, Reize und Informationen absucht. Konsumistisch ist dieser Weltbezug nicht nur, weil er vom Wunsch nach Besitz und Gebrauch begleitet wird (etwa, wenn wir eine schöne Blume ausreißen oder mit einer schönen Person zusammen sein möchten), sondern weil die Wahrnehmung selbst etwas Verschlingendes, Distanz- und Rastloses hat (etwa beim endlosen Scrollen durch Newsfeeds und Datingapps). Zur Gottesferne trägt zudem die „Einbildungskraft“ bei, die der Welt die von den eigenen Bedürfnissen und Ängsten geformten Vorstellungen überstülpt, sowie die „Intelligenz“, die sich aufs rechnende Denken beschränkt, und überall nur Quantitäten statt Qualitäten erkennt. Die gesellschaftlichen Ursachen dieser Missstände liegen für Han wiederum in der Digitalisierung und in der neoliberalen Leistungsgesellschaft.

Der Gotteserfahrung zuträglich sind hingegen die nicht-wertende und nicht-wollende Aufmerksamkeit; die Leere, die entsteht, wenn wir auf Machtausübung verzichten; die Stille, die wir hören, wenn wir uns nicht durch Kommunikation betäuben; die Schönheit, die beweist, dass Gott sich auf Erden inkarnieren kann, und der Schmerz, der uns zeigt, dass nicht unser Wille diese Welt erschaffen hat. Vor allem die Ausführungen zum Schmerz dürften viele Leser irritieren, klingt doch in Hans und Weils Lob des Leides ein Masochismus an, der pathologisch wirkt, wenn man bedenkt, dass Simone Weils früher Tod wohl auch durch ihre Magersucht bedingt war. Gleichwohl interessieren sich Weil und Han vor allem für den „Wendepunkt“ – die Erleichterung und die „Öffnung“ für Gott, die eintritt, wenn der Schmerz unaufhörlich erscheint und es plötzlich gelingt, ihn anzunehmen. Überhaupt gewinnt man den Eindruck, es bei der Gotteserfahrung mit lauter paradoxen Verhältnissen zu tun zu haben: Schmerz schlägt in Freude um, in der Leere stellt sich eine Fülle ein, Passivität führt zu Schaffenskraft, und in der Kontemplation, die Abstand zur Welt hält, erfährt man eine tiefere Einheit mit ihr.

Neben diesen Zusammenhängen finden sich zudem überraschende Gedanken, die klar über den Han oft vorgeworfenen Kulturpessimismus hinausgehen. Etwa der, dass vielleicht eine „Spiritualisierung der Technik“ möglich und wünschenswert wäre. Während das Wesen der Technik, wie wir sie kennen, darin besteht, der Natur den menschlichen Willen aufzuzwingen, würde die „spiritualisierte Technik“ der Materie „gehorchen“. Wie eine solche Technik konkret aussähe, lässt Han offen und lädt zum Spekulieren ein: Ist schon Wind- und Solarkraft ein Schritt auf dem Weg zur Spiritualisierung der Technik, weil sie im Gegensatz zu fossilen Energien keine Löcher in die Erde reißt und keine Schadstoffe in die Luft bläst? Findet die Spiritualisierung im spielerisch-zweckentfremdeten Umgang mit Technik statt, wie ihn etwa der Aktionskünstler Roman Signer betreibt, wenn er einen Raketenantrieb nutzt, um sich auf einem Bürostuhl im Kreis zu drehen? Oder nähern wir uns der spiritualisierten Technik gar durch eine künstliche Intelligenz (die Han in ihrer jetzigen Form scharf kritisiert), die sich vom dienstbaren Objekt zum Subjekt entwickelt?

Bemerkenswert auch der Gedanke, dass wir einer „Poetisierung der Arbeit“ bedürfen: „,Die Arbeit ohne Licht der Ewigkeit, ohne Poesie, ohne Religion ist Sklaverei.‘“, zitiert Han Simone Weil. Es gelte, die Zeit der Arbeit durch „glänzende Feste“ zu strukturieren, sie in ein „rituelles, symbolisches Gewand“ zu kleiden und sie der „Untätigkeit“ anzunähern, die „nichts produziert“. Auch hier lässt sich überlegen, wie eine solche Arbeit aussehen könnte – ist es eine Arbeit, die von Gesang und Gebet begleitet wird? Handelt es sich um Tätigkeiten, in denen man versinkt, ohne an Ergebnisse zu denken? Um eine Arbeit jenseits von Lohnarbeit und Kapitalismus?

Kritiker werden sich wohl dennoch durch Sprechen über Gott in ihrem Urteil bestätigt sehen, dass Hans Philosophieren zu kulturpessimistisch, zu wenig argumentativ und begrifflich zu unscharf sei. Doch fragt sich, ob diese Sichtweise nicht letztlich Hans Diagnose stützt: Dass den Menschen eine Aufmerksamkeit, der es nicht primär um Kategorisierung, Nutzen und Intelligenz geht, zunehmend schwerfällt – auch bei der Lektüre. Han ist es, wie Weil, offensichtlich ernst mit dem Denken. Beiden geht es weniger um eine überzeugende Positionierung im Diskursfeld als vielmehr um die Suche nach dem Wahren und dem Wesentlichen. •

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