Simone Weil und die Verwurzelung
Für die französische Philosophin Simone Weil war die „Verwurzelung“ ein Fundamentalbedürfnis der Seele. Diese ist jedoch keineswegs konservativ zu verstehen. Vielmehr vermag der Mensch sich durch sie von äußerer Herrschaft zu emanzipieren.
Es ist Winter, der 14. Dezember 1942, als Simone Weil in London von Bord geht. Sie kommt aus New York, wohin sie ihre jüdischen Eltern begleitet hatte, die aus dem besetzten Frankreich fliehen mussten. Mitten im Zweiten Weltkrieg, zu einer Zeit, in der der Ausgang der Kämpfe noch ungewiss ist, wird sie Mitglied von Charles de Gaulles Freien Französischen Streitkräften. Doch schnell stellt sich Enttäuschung bei ihr ein. Gern wäre sie an die Front geschickt worden, nah an die Gefahr, etwa als Fallschirmspringerin, doch alles, was man ihr vorschlägt, ist eine Stelle im Büro. Im zivilen Bereich der Freien Französischen Streitkräfte wird sie schließlich zur Redakteurin ernannt, parallel dazu arbeitet sie an ihrem schriftstellerischen Werk und verfasst in kurzer Zeit ihr letztes Buch Die Verwurzelung. Sie wird nicht die Zeit finden, es zu vollenden. Sie ist erschöpft, verweigert die Nahrung aus Solidarität mit den Unterdrückten im besetzten Frankreich. An Tuberkulose erkrankt, wird sie in ein Sanatorium gebracht und stirbt schließlich am 24. August 1943 im Alter von nur 34 Jahren.
Die Verwurzelung ist ein dichtes Buch, verwickelt, zuweilen paradox, oft verblüffend. Obwohl nicht vollendet, ist es wegweisend. Simone Weil will zur geistigen Neuausrichtung Frankreichs beitragen, ihr Ziel: die Grundlagen für eine neue Kultur der Nachkriegszeit zu legen, nicht mehr und nicht weniger. Eine Kultur, die endlich das befriedigen würde, was sie „Bedürfnisse der Seele“ nennt, die verschieden sind von den Bedürfnissen des Körpers. Eine Liste davon stellt sie gleich an den Anfang des Werkes und am Ende dieser Aufzählung erscheint der Begriff, der dem Buch seinen Namen gibt: Verwurzelung, so liest man, „ist wohl das wichtigste und am meisten verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele (…) Jeder Mensch braucht vielfache Wurzeln. Fast sein gesamtes moralisches, intellektuelles und spirituelles Leben muss er durch jene Lebensräume vermittelt bekommen, zu denen er von Natur aus gehört“.
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