Die Moral der Soldaten
Angesichts der gescheiterten Gegenoffensive müssen die Ukrainer mehr denn je ihre moralischen Kräfte mobilisieren. Doch in der modernen Kriegsführung ist das alles andere als leicht, meint der Philosoph Michel Eltchaninoff.
Ist die Ukraine dabei, den Krieg zu verlieren? Diese Frage stellte ich mir, als ich im Economist einen Artikel von Valeri Zalujny las, dem Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte. Seiner Meinung nach ist die im Juni gestartete Gegenoffensive gescheitert. Die Ukraine befindet sich in einer Sackgasse, einem Stellungskrieg, der sich über Jahre hinziehen könnte. Das Schlimmste ist, dass Russland über dreimal so viele Streitkräfte wie das Nachbarland Ukraine verfügt und in eine Kriegswirtschaft eingetreten ist, die es ermöglicht, in kurzer Zeit neue Waffen zu produzieren. Die Ukraine ihrerseits, so beklagt Salujny, habe zunehmend Schwierigkeiten, neue Soldaten zu mobilisieren: „Früher oder später werden wir feststellen, dass wir einfach nicht genug Leute haben, um zu kämpfen.“ Seinem Land drohen neue Offensiven und es hat nicht die Ressourcen, um diesen angemessen zu widerstehen – eine schwierige Aufgabe für die Moral. Schließlich ist die weltweite Aufmerksamkeit derzeit auf den Gazastreifen gerichtet, und die USA lassen offen, inwieweit die derzeitige Unterstützung weiter aufrechterhalten wird.
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
Nawalnys Rückkehr nach Russland: Mut oder Leichtsinn?
Im August letzten Jahres überlebte der russische Oppositionspolitiker einen Attentatsversuch mit dem Kampfstoff Nowitschok nur knapp und ließ sich daraufhin in Deutschland behandeln. Nun kehrte er nach Russland zurück und wurde umgehend verhaftet. Warum Nawalnys Entscheidung mutig im Sinne Hegels ist, erläutert Michel Eltchaninoff.

Chantal Mouffe: „Ökologische Ideen müssen auf Affekte treffen“
Brauchen wir einen grünen Populismus, um die Klimakrise abzuwenden? Im Interview erläutert Chantal Mouffe, warum wir die ökologische Frage zu rationalistisch betrachten und Leidenschaft nötig ist, um die Massen zu mobilisieren.

Jean-Philippe Béja: „Xi Jinping wird nicht von seiner radikalen Gesundheitspolitik abrücken“
Warum hält Xi Jinping an der gescheiterten Zero-Covid-Strategie fest? Laut dem Sinologen Jean-Philippe Béja inszeniert sich der chinesische Präsident als starker Mann, um seine dritte Amtszeit vorzubereiten. Das hat es seit Mao Tse-Tung nicht mehr gegeben.

Gaza und kein Ende – Tragödie eines moralischen Zusammenbruchs
Die Nachrichten und Bilder, die aus Gaza in die Welt gelangen, zeugen nicht nur von dem unfassbaren Leid der Palästinenser. Sie offenbaren auch die selbstzerstörerischen Kräfte Israels, die politische Farce des Westens und die drohende Abstumpfung derer, die die Bilder betrachten, meint Josef Früchtl.

10 philosophische Gründe, keine Serien mehr zu schauen
Mithilfe der Serie Die Toten von Turin wollte Michel Eltchaninoff sein Italienisch aufbessern. Allerdings war die Serie so schlecht, dass sie ihm zehn Gründe an die Hand gab, um nie wieder Serien zu gucken.

Moralberatung mit Kant
Im Leben erscheint es uns oft alles andere als klar, was zu tun ist. Die Formulierung des kategorischen Imperativs hingegen ist streng und deutlich – doch was folgt aus ihm für die moralischen Fragen, die sich uns stellen? Hier fünf Beispiele.

Mit Bourdieu im Banlieue
Vor der Wahl am Sonntag mobilisieren einige französische Parteien mit Anfeindungen gegen die Bevölkerung der Banlieues ihre Wählerschaft. Anhand Pierre Bourdieus Theorien wird deutlich, dass das wahre Problem in der Architektur der Stadt versteckt liegt.

Lea Ypi: „Das System, in dem wir leben, untergräbt die Moral“
Was hat Kapitalismuskritik mit Kants Kategorischem Imperativ zu tun? Lea Ypi zeigt im Gespräch den Zusammenhang zwischen Wirtschaftssystem und moralischen Pathologien auf und plädiert für einen „moralischen Sozialismus”. Er war Gegenstand der diesjährigen Benjamin Lectures.

Kommentare
Ich schätze, gut für die Moral, Moral im Sinne von Gut für alle handeln, in den kämpfenden Fraktionen beiderseits wäre ein stabiler Waffenstillstand, verhandelt durch Diplomatie, gerahmt durch Politik, gerahmt durch Philosophie.
Die umrahmende Philosophie wäre vielleicht:
-eine Idee für mehr Liebe beiderseits sein, welche auch einfache Soldaten im Gedanken an zu Hause ansprechen kann, oder
-eine effektive Idee zum besseren Leben von Bürgern und ihren Gruppen und für alle, welche auch einfache Bürger ansprechen kann,
-des weiteren im Übergang zur politischen Philosophie eine Weiterentwicklung der Demokratie, welche wohl in beiden Ländern mit relativ überschaubaren Versuchen erheblich verbessert werden kann, welche auch einfache Wähler ansprechen kann.
Mit solchen umrahmenden Verbesserungen kann vielleicht erreicht werden, dass eine erhöhte ukrainische und russische Kampfmoral eher die Front hält und sich eher gut verhält, was für Soldaten beiderseits und die Weltordnung das momentan beste zu sein scheint, und perspektivisch vielleicht Beruhigung, gar Frieden ermöglicht.
Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.