Europas neokonservative Wende
Europa tickt heute ähnlich neokonservativ wie die USA vor 20 Jahren. Das ist kein Zeichen von Stärke.
Vor 20 Jahren hatte das liberale Europa einen Hauptgegner: US-Neokonservative aus dem Umfeld von US-Präsident Bush, der die Welt durch Kriege umgestalten wollte – Afghanistan, Irak, der Iran … Europa war nicht einverstanden. Millionen protestierten gegen den Irakkrieg. Jürgen Habermas erkannte darin den Gründungsakt Europas, das den Waffen misstraut und auf Verhandlungen setzt. Ganz anders die „Neocons“, konvertierte Linke, die Weltrevolution mit Werten wie Eigentum und Familie verbanden.
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Europas neokonservative Wende
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Anne Applebaum zeigt: In Europa ist jener Neokonservatismus salonfähig geworden, über den es vor 20 Jahren den Kopf geschüttelt hat. Diese innere Zeitenwende, so tough sie auch klingt, ist Ausdruck der Schwäche Europas.

Leo Strauss: Der Philosoph des 21. Jahrhunderts
Auffallend viele Intellektuelle aus dem Umfeld von Donald Trump berufen sich auf den Philosophen Leo Strauss. Dessen Modernekritik inspirierte bereits die neokonservative Bush-Administration. Und chinesische Intellektuelle, die Kommunismus mit Konservatismus verbinden wollen. Wer war Leo Strauss?

Was tun?
Der Herbst des letzten Jahres ist bereits jetzt als einer der großen Wendepunkte unserer Nachkriegsgeschichte erkennbar. So wie einst der Herbst des Jahres 1989. Der Fall der Mauer bedeutete einen enormen Mobilitätsschub. Im Zeichen der Freiheit ordnete er die Landkarte Deutschlands, Europas, ja faktisch der ganzen Welt politisch neu. Wie nun wäre das zweite große Herbstereignis, also der faktische Kollaps der EU-Außengrenzen und die damit verbundene Entscheidung zur Aufnahme von mehr als einer Million Flüchtlinge allein in Deutschland einzuordnen? Wieder fallen Grenzen. Wieder stimmen ganze Völker mit den Füßen ab und marschieren – als Opfer von Bürgerkriegen und einem mittlerweile Staat gewordenen islamistischen Terrorregime – aus den kriegsversehrten Gebieten der arabischen Welt nach Kerneuropa: unterwegs in ein besseres Leben – oder auch nur Überleben.
Und woran zweifelst du?
Wahrscheinlich geht es Ihnen derzeit ähnlich. Fast täglich muss ich mir aufs Neue eingestehen, wie viel Falsches ich die letzten Jahre für wahr und absolut unumstößlich gehalten habe. Und wie zweifelhaft mir deshalb nun alle Annahmen geworden sind, die auf diesem Fundament aufbauten. Niemand, dessen Urteilskraft ich traute, hat den Brexit ernsthaft für möglich gehalten. Niemand die Wahl Donald Trumps. Und hätte mir ein kundiger Freund vor nur zwei Jahren prophezeit, dass im Frühjahr 2017 der Fortbestand der USA als liberaler Rechtsstaat ebenso ernsthaft infrage steht wie die Zukunft der EU, ich hätte ihn als unheilbaren Apokalyptiker belächelt. Auf die Frage, woran ich derzeit am meisten zweifle, vermag ich deshalb nur eine ehrliche Antwort zu geben: Ich zweifle an mir selbst. Nicht zuletzt frage ich mich, ob die wundersam stabile Weltordnung, in der ich als Westeuropäer meine gesamte bisherige Lebenszeit verbringen durfte, sich nicht nur als kurze Traumepisode erweisen könnte, aus der wir nun alle gemeinsam schmerzhaft erwachen müssen. Es sind Zweifel, die mich tief verunsichern. Nur allzu gern wüsste ich sie durch eindeutige Fakten, klärende Methoden oder auch nur glaubhafte Verheißungen zu befrieden.
Orwell und die Überwachung
„Big Brother ist watching you“, kaum ein Satz ist so tief in unser politisches Bewusstsein eingedrungen wie die Kernbotschaft aus George Orwells dystopischem Roman „1984“. Mit großer Eindringlichkeit und Präzision schildert Orwell in diesem Werk den Alltag in einer totalitären Überwachungsgesellschaft. Kein Wort bleibt hier unbelauscht, keine Geste ungeprüft, kein Gedanke folgenlos. Mit den digitalen Informationstechniken, die im Zeichen von Big Data unseren gesamten Alltag protokollieren und erfassen, hat Orwells Vision vom totalen Überwachungsstaat neue Aktualität gewonnen. Kurz nach der Amtsübernahme von Donald Trump schnellte das Buch in den USA sogar zurück auf die Bestsellerlisten, aus konkreter Angst vor einer neuen Ära des Freiheitsverlusts und der Wahrheitsferne. In seinem Essay untersucht der Philosoph Bruce Bégout, wie Orwells Idee zu dem Buch entstand. Im Vorwort zum Beiheft geht Éric Sadin dem Phänomen der globalen Überwachung nach.
Walther Rathenau als Philosoph
Vor 100 Jahren fiel Walther Rathenau, Außenminister der Weimarer Republik, einem Attentat zum Opfer. Mit ihm starb nicht nur einer der beliebtesten Politiker des Landes, sondern auch ein vielgelesener Philosoph, der im Räderwerk der Moderne Spielräume der Intuition suchte. Seine Ideen zur Wirtschaftsplanung und Vereinigung Europas wirken bis heute nach.

Europa als Ruhepol der Weltpolitik?
Macron will ein Europa schaffen, das von den USA unabhängig ist. Das ist weder anti-amerikanisch noch chinafreundlich, sondern pro-europäisch – und vernünftig angesichts einer veränderten Weltlage, in der die USA ihr Monopol auf Macht und Güte verlieren.

Kann uns die Liebe retten?
Der Markt der Gefühle hat Konjunktur. Allen voran das Geschäft des Onlinedatings, welches hierzulande mit 8,4 Millionen aktiven Nutzern jährlich über 200 Millionen Euro umsetzt. Doch nicht nur dort. Schaltet man etwa das Radio ein, ist es kein Zufall, direkt auf einen Lovesong zu stoßen. Von den 2016 in Deutschland zehn meistverkauften Hits handeln sechs von der Liebe. Ähnlich verhält es sich in den sozialen Netzwerken. Obwohl diese mittlerweile als Echokammern des Hasses gelten, strotzt beispielsweise Facebook nur so von „Visual-Statement“-Seiten, deren meist liebeskitschige Spruchbildchen Hunderttausende Male geteilt werden. Allein die Seite „Liebes Sprüche“, von der es zig Ableger gibt, hat dort über 200 000 Follower. Und wem das noch nicht reicht, der kann sich eine Liebesbotschaft auch ins Zimmer stellen. „All you need is love“, den Titel des berühmten Beatles-Songs, gibt es beispielsweise auch als Poster, Wandtattoo, Küchenschild oder Kaffeetasse zu kaufen.