Liebt euch wie Wespe und Orchidee!
Vor hundert Jahren wurde Gilles Deleuze geboren: Der Philosoph der Rhizome verwandelte Platons Baum des Wissens in ein wild wucherndes Geflecht und erklärte sein Denken zur Werkzeugkiste. Jetzt sind seine Vorlesungen Über die Malerei erschienen.
Für die Rolle der prägendsten philosophischen Gestalt des 20. Jahrhunderts hatte Michel Foucault längst einen Kandidaten gekürt. „Eines Tages“, schrieb er 1969, „wird das Jahrhundert vielleicht deleuzianisch sein.“ Und von heute aus betrachtet? Unbestreitbar ist, dass Gilles Deleuze, der am 18. Januar 1925 in Paris geboren wurde, vor Kurzem seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Als er sich dort 70 Jahre später, schon lange vom Asthma gequält, aus dem Fenster stürzte, war das ein Ende, das zu ihm passen mochte wie zuvor der AIDS-Tod zu Foucault und der Autounfall zu Roland Barthes, den man vor dem Collège de France überfahren hatte. Von der „Atmungsmaschine“ und dem „Asthma-Anfall“ handelte jedenfalls schon Deleuzes 1972 mit dem Psychiater Félix Guattari verfasstes Hauptwerk Anti-Ödipus. Wie die „Mundmaschine“, die „Analmaschine“, die „Essmaschine“ und die „Sprechmaschine“ gehörten sie zu den „Wunschmaschinen“, die die beiden zu den Triebfedern des Unbewussten erklärten. Und damit die bisherige Psychoanalyse schredderten.
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Auch hundert Jahre nach seinem Tod beschäftigt und berührt Franz Kafka. Fast unendlich erscheint der Interpretationsraum, den sein Werk eröffnet.
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