Was heißt hier Struktur?
Wenn in Debatten von „Struktur“ die Rede ist, stehen sich zwei Lager gegenüber: Die einen sprechen von „struktureller Benachteiligung“ bestimmter Gruppen und fordern Gegenmaßnahmen. Die anderen halten „Struktur“ für ein leeres oder gar gefährliches Konzept, weil es Menschen ihrer Handlungsmacht beraubt. Doch um gut zu streiten, müssen wir erst einmal wissen, worüber wir eigentlich reden, wenn wir von „Struktur“ sprechen. Eine Aufklärung.
Früher war „Struktur“ etwas, über das sich primär Anthropologen, Soziologen und Philosophen Gedanken machten. Mittlerweile hat sie, insbesondere durch Debatten über „strukturelle Diskriminierung“ und „strukturellen Rassismus“, Einzug in die breite Öffentlichkeit gehalten – und sorgt für Streit und Verwirrung. Laut Kritikern handelt es sich bei der Struktur um einen vagen Begriff, der nichts zur Analyse beiträgt und die Ursachen von Missständen vielmehr verschleiert. „,Struktur‘ und ,System‘ sind“, so meint etwa der Philosoph Philipp Hübl, „oft Plastikwörter, die gelehrt klingen, aber so gut wie nie klar definiert sind und daher ominös bleiben.“ Befürworter hingegen betonen, dass der Begriff entscheidend sei, um Gesellschaftsgefälle zu verstehen: Ungleichheiten und Diskriminierung sind nicht einfach das Werk von Fieslingen und Rassisten, sondern entstehen aus tiefer liegenden, nicht auf Einzelpersonen oder -handlungen zu reduzierenden Dynamiken und Strukturen. Wer das verkennt, sieht nicht mehr als die Spitze des Eisbergs der Unterdrückung und glaubt daher, dass alles halb so wild sei.
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Kommentare
Und wie weiter? Gerade wurde es spannend...
Schöne Ironie am Schluss: "So schnell sind Strukturen nicht kleinzukriegen". Vielleicht sollte der Autor den soziologisch verwendeten Begriff "Grammatik" etwas weiter ausarbeiten. Mir jedenfalls würde es sehr helfen.