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Bild: NurPhoto (Imago)

Impuls

ChatGPT – wenn Algorithmen fabulieren

Batiste Morisson veröffentlicht am 14 Dezember 2022 4 min

Ein neues Sprachprogramm der Firma OpenAI sorgt im Netz seit einigen Wochen für Aufsehen. Der Grund ist, dass es eine Fähigkeit beherrscht, die bislang Menschen vorbehalten war: das Erzählen von Geschichten.

 

„Es war einmal ein kleiner Junge, der in einer kleinen Stadt lebte. Jeden Tag stand er früh auf und machte sich auf den Weg zur Schule. Eines Tages sah er kurz nach dem Regen einen Regenbogen. Er war so schön, dass er stehen blieb, um ihn anzusehen. Er lief nach Hause, holte ein Stück Papier und einen Stift und zeichnete den schönsten Regenbogen, den er je gesehen hatte. Dann hängte er ihn in sein Wohnzimmer und betrachtete ihn jeden Tag lächelnd. Diese Geschichte erinnerte ihn daran, dass man die kleinen Dinge im Leben genießen sollte und dass man überall Schönheit finden kann.“
 
Diese Wörter flimmern nach und nach über den Bildschirm, als ich den Befehl „Erzähl mir eine Kurzgeschichte“ auf der Website von OpenAI eingebe. Umso beeindruckender ist dieser kleine Text, weil das Programm ChatGPT praktisch unendlich viele Texte generieren kann, die sich in Länge, Detailtreue und Ton alle voneinander unterscheiden. Zudem ist die Bedienung so einfach, wie man es sich nur vorstellen kann: Nachdem man ein Konto auf der Website eingerichtet und einen Befehl eingegeben hat, benötigt die künstliche Intelligenz (KI) nur wenige Sekunden, um eine zusammenhängende Geschichte mit Spannungsbogen, Pointe und recht plastischen Charakteren zu erschaffen. Und manchmal, wie im Fall der Geschichte mit dem kleinen Jungen und dem Regenbogen, wird sogar eine kleine moralische Botschaft mitgeliefert.

 

Ein prometheisches Projekt

 

Hinter dem Programm steht das Non-Profit Unternehmen OpenAI, das sich mit der Erforschung von künstlicher Intelligenz befasst. Gegründet wurde es 2015 von Elon Musk und Sam Altman. Ersterer hat sich inzwischen aus dem Vorstand zurückgezogen. Altman hingegen, der auch den Start-up-Inkubator Y Combinator mitbegründet hat, aus dem unter anderem Finanzierungen für Airbnb und Dropbox stammten, steht dem Unternehmen heute als CEO vor. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, eine KI zu entwickeln, die wie ein Mensch verstehen und lernen kann und der „gesamten Menschheit“ zugutekommt.
 
Der Grund für den Hype, den das Unternehmen in den letzten Tagen erfahren hat, ist die Vorstellung des Sprach-KI-Programms ChatGPT. Das Modell ist mit 175 Milliarden genutzten Parametern bisher eines der fortschrittlichsten Programme zum automatisierten Schreiben und in der Lage, hochkomplexe Anweisungen zu verarbeiten sowie Texte zu erstellen, die umfangreicher und genauer sind als die meisten KI-generierten Inhalte zuvor. Die Anwendungsfelder reichen vom Verfassen eines Aufsatzes über das Beantworten von Fragen bis hin zum Imitieren eines besonderen Schreibstils. 

 

Das fabulierende Stadium der KI

 

Sogar die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, die man lange als rein menschliche annahm, scheint die KI zu beherrschen. Einer jener Denker, der das Erzählen von Geschichten zum Vorrecht des Menschen erklärten, war Henri Bergson. In seinem 1932 erschienenen Werk Die beiden Quellen der Moral und der Religion erklärt der Philosoph, dass die Fähigkeit zu „fabulieren“ notwendigerweise mit der menschlichen Intelligenz verbunden und unerlässlich ist, um uns gesund und guten Mutes zu halten. Sie erfüllt in der Tat eine lebenswichtige Funktion, indem sie uns als potentes Werkzeug im Kampf gegen eine Niedergeschlagenheit zur Verfügung steht, die uns in unterschiedlicher Ausprägung jedoch schlussendlich alle betreffen wird.
 
Laut Bergson sind wir als Menschen notwendigerweise anfällig für eine solche Niedergeschlagenheit, da wir uns als vernunftbegabte Wesen nicht nur unserer eigenen Endlichkeit bewusst, sondern darüber hinaus auch uns über das Gelingen und Scheitern unserer Vorhaben und Handlungen im Klaren sind. Eben deshalb seien es Geschichten, durch die wir unsere Miseren kurz vergessen und wieder Vertrauen in das Leben gewinnen könnten. Religion (als spezifische Gesamtheit von Vorstellungen und Erzählungen) und Literatur haben ihren Ursprung in diesem „Fabulieren“ und ermöglichen es bei vernunftbegabten Wesen, ein mögliches Defizit an Optimismus auszugleichen, so Bergson.

 

Fabeln aus Strom?

 

Mit dieser Überlegung im Hinterkopf scheint OpenAI mit seinem neuen Tool die Geburt eines „künstlichen Fabuliervermögens“ eingeläutet zu haben. Ist also damit zu rechnen, dass wir unsere Fantasie bald nicht mehr bemühen müssen und uns stattdessen auf Ideen verlassen können, die in künstlichen neuronalen Netzwerken generiert werden? Ist algorithmische Abhilfe auf genuin menschliche Trübsal zu erwarten? 
 
Daran darf zum jetzigen Zeitpunkt mit Fug und Recht gezweifelt werden. Bergson erinnert uns nämlich auch daran, dass es nur möglich ist, den Nebenwirkungen unserer Vernunftbegabung mit Geschichten entgegenzuwirken, wenn die Geschichten von sich aus „vital“ sind. Also eine Kraft besitzen, die jenen Texten abgeht, die lediglich aus einer Vielzahl neu arrangierter, jedoch bekannter literarischer Gemeinplätze bestehen. Kommen wir noch einmal auf die Geschichte vom Anfang mit dem kleinen Jungen und seinem Regenbogen zurück, um festzustellen, dass die „künstliche Fabulierfunktion“ bis dato Bergsons Anspruch von „Vitalität“ und Originalität nicht genügt. Die Geschichte enthält weder Störungen noch wirklich unerwartete Wendungen. Kleine Jungen, Regenbögen, die Weisung, die kleinen Dinge zu schätzen, – das kommt einem doch recht bekannt vor, oder?
 
Im Gegensatz dazu zeichnet sich das menschliche Fabulieren durch das Charakteristikum aus, mit Erwartungen zu brechen, im ersten Moment verwirrende Geschichten zu konstruieren, die sich schließlich doch zu einem Ganzen zusammenfügen. •

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