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Bild: ZUMA Wire (Imago)

Impuls

Der Iran in der Revolte

Hendrik Buchholz veröffentlicht am 30 Januar 2023 4 min

Auf die anhaltenden Proteste im Iran reagiert der iranische Staat mit immer mehr Todesurteilen. Schon Albert Camus hatte zwischen „Revolution“ und „Revolte“ unterschieden: Während Erstere den Menschen opfert, stellt ihn Zweitere in den Mittelpunkt.

 

Zunächst überwogen Bilder von Protesten die Meldungen aus dem Iran. Nun finden international auch immer mehr Bilder aus Gerichtssälen Beachtung, die zum Tode verurteilte Demonstrierende zeigen. Der iranische Staat will so medienwirksam vor weiteren Protesten abschrecken und Solidarisierungen verhindern. Bei all der Gewalt, die eingesetzt wird, um Demonstranten von ihrer Auflehnung abzuhalten, stellt sich die Frage, woher die protestierenden Iraner ihre Kraft schöpfen, dem Schrecken zum Trotz weiter auf die Straße zu gehen, zu streiken, ihr Leben aufs Spiel zu setzen im Angesicht eines Regimes, das zum Äußersten bereit ist. 

Die Antwort findet sich in einer Unterscheidung Albert Camus’ zwischen Revolution und Revolte. In seinem Buch Der Mensch in der Revolte zeigt er, dass die Revolte sich, einer Leidenschaft gleichend, nur schwer ersticken lässt. Die Revolution folgt im Unterschied zu ihr einer Ideologie, die den Menschen unterjocht. Die Revolte ist dagegen eine ständige Auflehnung gegen jede Art der Ideologie. Sie setzt den Wert des einzelnen Menschen in das Zentrum jeden menschlichen Handelns. Das problematische Wesen der Revolution zeige sich, wenn sie nicht mehr mit der Revolte in einem Atemzug genannt werden kann. Wenn beide Phänomene nicht mehr gleichzeitig auftreten, verliert die Revolution ihren ursprünglichen Freiheitsimpuls und öffnet der Ideologie Tür und Tor. Sie gerät im Angesicht einer politischen Programmatik notwendig außer Kontrolle und rutscht ins Totalitäre. Diese Unterscheidung von Revolte und Revolution erscheint dabei paradigmatisch in der Gegenüberstellung des iranischen Staats und der opponierenden Zivilgesellschaft.

 

Ideologie der Unfreiheit

 

Am auffälligsten zeigt sich diese Differenzierung bereits auf begrifflicher Ebene. Der Begriff der Revolution fällt im Iran nicht mit einem Widerstand gegen die Regierung zusammen. Im Gegenteil: Der Begriff der Revolution wird schon seit den Anfängen des heutigen iranischen Staates mit den höchsten Staatsinstitutionen gleichgesetzt. Sie stellen Manifestationen der Muslimischen Revolution aus den 1970er-Jahren dar. In aller Munde sind die eigentümlichen Bezeichnungen des Revolutionsführers und des Wächterrats (früher Revolutionsrat): Damit gemeint ist jener Anführer und jenes gerichtsähnliche Gremium, deren politische Existenzbegründung sich aus der dauerhaften Durchsetzung der Ziele einer einstigen Revolution ergeben. Verwirklichung finden die religiösen Heilsversprechungen in der Härte eines theologischen Fundamentalismus. In den rechtlich durchgesetzten Dogmen offenbaren sich Angebote an die iranischen Bürger zur dauerhaften Entsagung eines Lebens in scheinbar haltloser Freiheit. Und damit eine kollektive Einladung, den Sprung in ein strenges, vom Glauben geprägtes Leben zu wagen; Orientierung und Halt zu finden an theologischen Ideologien und jeden individuellen Freiheitsgedanken loszulassen.

Die Ideologie trat somit im Iran mit Hilfe der Revolution ihren Siegeszug an. Sie offenbarte sich in Fundamentalismen. Fundamentalreligiöse Regeln stellten dabei eine zweifelhafte, aber für bestimmte Gruppen attraktive Alternative zu den mannigfaltigen Unsicherheiten eines freien, menschlichen Lebens dar. Camus erkannte genau in diesem Phänomen eine prototypische Folge der Revolution. Er verband mit ihr eine Form der Sturheit, eine Verbissenheit auf einmal gesetzte Ziele. „Die Gedanken, die vorgeben, unsere Welt im Namen der Revolution zu leiten, sind in Wirklichkeit eine Ideologie der Zustimmung, nicht der Auflehnung geworden.“ In aller Deutlichkeit zeigt sich das im iranischen Revolutionsstaat, der sich nur folgerichtig gegen jedes Abweichen von seinen Ideologien stellt. 

Aber: Das Bestreben, den Menschen in Ketten zu legen, wird früher oder später scheitern. Die Revolution finde, so Camus, durch eine Revolte ihr Ende. Dieses revoltierende Aufbegehren ruhe dabei „auf der dunklen Gewissheit eines guten Rechts, oder genauer auf dem Eindruck des Revoltierenden ‚ein Recht zu haben auf‘“. Im Unterschied zur Revolution bedarf die Revolte dabei keiner politischen Zielsetzungen. Sie stützt sich lediglich auf die Minimalanforderung, den Menschen zu achten.

 

Aufstand gegen die Willkür

 

Die iranische Protestbewegung lässt sich zurückführen auf das Erwachen dieser durchdringenden Erkenntnis eines universellen Rechts, als Mensch geachtet zu werden. Der laute Schrei nach Freiheit ertönt folgerichtig von den Unterdrückten der einstigen Revolution und ihren totalitären Zielsetzungen: von Frauen. Sie revoltieren, um ihren natürlichen menschlichen Wert zu verteidigen. Die Revolte „ist die Bekräftigung einer allen Menschen gemeinsamen Natur, die sich der Welt der Macht entzieht.“ Eine so ersichtliche und grundsätzliche Verteidigung ihrer selbst bringt auch die Nicht-Unterdrückten dazu, Anteil am Schicksal ihrer Mitmenschen zu nehmen. Aus diesem Grund sehen wir auch viele Männer, die für das Recht ihrer Schwestern, Mütter und Ehefrauen auf die Straßen gehen. Denn, so schreibt Camus ebenfalls: „Achten wir darauf, dass die Revolte nicht allein und notwendigerweise im Unterdrückten ausbricht, sondern dass sie beim bloßen Anblick der Unterdrückung eines anderen ausbrechen kann.“ Der Mensch, dem Unrecht geschieht, könne noch weniger ertragen, dass anderen Unrecht angetan werde. 

Ist ein Anfang im Kampf für die Anerkennung des gemeinsamen Werts des Menschen gefunden, so ist diese Leidenschaft nicht mehr zu bremsen. Denn ihr liegt etwas Wahres inne, das dem Menschen das Vermögen verleiht, für sie „Alles“ zu opfern. „Verharrte“ die iranische Zivilgesellschaft „zuvor in einem Kompromiss, so wirft“ sie sich „mit einem Schlag jetzt an das Alles oder Nichts.“ So vermögen auch die erschreckend nüchternen Aufnahmen aus Gerichtsräumen und die dort willkürlich verkündeten Todesurteile keine Schockstarre zu erwirken. Im Gegenteil: In der Willkür, mit der der iranische Staat gegen Demonstrierende auch auf offener Straße vorgeht, manifestiert sich die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Revolte, um sich endlich von den Relikten der Revolution befreien zu können. •

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Kommentare

Armin | Dienstag, 31. Januar 2023 - 01:02

"Befreiung für" hat wohl auch der Ayatollah als zum Teil gut und richtig geschätzt, auch er hat eine Mutter und ca. zwei Großmütter. Ich schätze, dass positives, konstruktives Vorgehen die Situation immer noch allseitig tendenziell verbessern kann.

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