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Bild: Philomag Redaktion

Adventskalender

Die Kunst, immer Recht zu behalten: Kniff Nr. 6

Nicolas Tenaillon veröffentlicht am 05 Dezember 2025 2 min

Hitzige Debatten am Familientisch sind zu Weihnachten keine Seltenheit. Was es da braucht, ist argumentatives Geschick. Die Kunst ist schließlich, nicht nur Recht zu haben, sondern die anderen auch davon zu überzeugen. Unser Adventskalender hält 24 Kniffe bereit, die schon die großen Denker für sich nutzten. Heute: Loslabern bis der Arzt kommt.

 

Das Verfahren


Sie haben es mit einem besonders reflektierten und wendigen Gegner zu tun? Dann sollten Sie den Dialog umgehend in einen Monolog verwandeln! Haben Sie erst mal das Wort ergriffen, dürfen Sie es um keinen Preis wieder loslassen. Ihr Gesprächspartner ist folglich gezwungen, Sie zu unterbrechen, um überhaupt etwas sagen zu können. Damit bietet er Ihnen die Gelegenheit, ihn wegen seiner Unhöflichkeit zu rügen. 

Doch der eigentliche Strategievorteil, den Sie sich durch unermüdliches Drauflosreden verschaffen, liegt darin, dass Sie Ihr Gegenüber heillos überfordern. Denn er wird kaum in der Lage sein, Ihren rhetorisch vorgetragenen Gedanken zu folgen und dabei gleichzeitig seine Gegenposition neu zu justieren. Sollte er sich auf seine anfänglichen Argumente versteifen, weisen Sie ihn auf seine Unaufmerksamkeit hin. Sollte er allerdings versuchen, all das, was Sie sagen, aufzunehmen, haben Sie ihn in der Hand. Jeder noch so gründliche und wohlgeordnete Geist kann durch einen wuchtigen Redeschwall in Verwirrung gestürzt werden. Weshalb man durch einen scheinbar unkontrollierbaren Wortfluss die vollständige Kontrolle über den Gesprächspartner gewinnt, erkannte Arthur Schopenhauer, der in Paragraf 36 seiner „Kunst, recht zu behalten“ aus Goethes Faust zitiert: „Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört / es müsse sich dabei doch auch etwas denken lassen.“

 

Die Abwehr


Sprechdurchfall, auch Logorrhö genannt, kann ein Hinweis darauf sein, dass grundsätzlich etwas nicht stimmt. Bisweilen handelt es sich dabei um ein Symptom übermäßigen Alkoholkonsums. Jeder Barkeeper kann ein Klagelied vom Mitteilungsdrang des letzten Gastes singen. Wenn Ihr Gegenüber Sie also einfach nicht zu Wort kommen lässt, setzen Sie den Blick eines besorgten Arztes auf. Sobald er irritiert innehält, konfrontieren Sie ihn: „Sie leiden an Logorrhö. Das ist heilbar.“ Diese Diagnose sollten Sie durch die süffisante Anmerkung abrunden, dass jeder, der versucht, ein Thema so erschöpfend wie möglich zu behandeln, in der Regel nur seine Zuhörer in die Erschöpfung treibt.•

 

übersetzt von Marianna Lieder  

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