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Bild: Gonzales Photo (Imago); Cover

Rezension

Du bist eine Aufnahme

Florian Werner veröffentlicht am 03 Mai 2022 5 min

Seit drei Jahrzehnten arbeitet der amerikanische Rapper und Musikproduzent The RZA an einer Amalgamierung von HipHop, Kampfsport, Schach, fernöstlicher Philosophie und afro-islamischer Esoterik. Nun legt er den theoretischen Überbau dazu vor.

 

Am Ende des Mafia-Mysterienspiels Ghost Dog von Jim Jarmusch hat The RZA einen so kurzen wie eindrücklichen Auftritt. In Slow Motion erscheint er wie aus dem Nichts auf den Straßen von Harlem. Er ist von Kopf bis Fuß in Camouflage gekleidet wie ein Krieger auf dem Weg in die Schlacht — aber The RZA marschiert nicht, er scheint zu schweben, sein Gesichtsausdruck ist erleuchtet, um seinen Hals schwingt ein gewaltiges goldenes Kruzifix. Wer es vorher noch nicht wusste, dem wurde bei diesem Anblick klar: Der Mann will mehr. Er will nicht nur ein erfolgreicher HipHopper sein, ein Rapper, Schauspieler und Produzent — er sieht sich auch als Lehrer, Prophet, Religionsstifter, womöglich als messianische Gestalt. Sein jetzt auf Deutsch erschienenes Buch Das Tao des Wu-Tang Clan ist die Heilige Schrift dazu.

Der erste Teil des Buchtitels verweist ganz unbescheiden auf den Gründungstext der taoistischen Philosophie, das Daodejing des Laozi aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert. Der zweite Teil des Titels bezieht sich natürlich auf das HipHop-Kollektiv, mit dem The RZA berühmt wurde und als deren Produzent und Mastermind er fungiert: den 1992 im New Yorker Stadtteil Staten Island gegründeten Wu-Tang Clan. Auch wenn einzelne Abschnitte des Buches tatsächlich von Ferne an die Spruchweisheiten des Laozi gemahnen, oder zumindest an die Quentin-Tarantino-Version davon („Es ist schwerer, das Glas zu erschaffen, als es zu zerbrechen“), will auch dieses Buch mehr sein. Formal gesehen versammelt es eine Vielzahl unterschiedlicher Textsorten: persönliche Anekdoten, Parabeln, Songtexte, erbauliche Slogans, ethische und ästhetische Reflexionen. Inhaltlich verwebt es diese zu drei grundverschiedenen, sich überlagernden Narrativen.

 

Zwischen Buchreligionen und B-Pictures

 

Zum einen handelt es sich bei dem Tao des Wu-Tang-Clan um einen Selbstoptimierungsratgeber im Geiste der Positiven Psychologie, wie sie sich seit der Jahrtausendwende besonders in den USA großer Popularität erfreut. Während die traditionelle Psychologie eher defizitorientiert vorgeht, sich also auf die zu behandelnden Probleme fokussiert, hebt die Positive Psychologie die Stärken und Potenziale des jeweiligen Menschen hervor. Auch The RZA scheint von dieser Therapierichtung oder zumindest ihren popkulturellen Emanationen geprägt zu sein — jedenfalls ist sein Buch gefüllt mit affirmativen Formeln und Wegbeschreibungen zur Eudaimonie: „Finde eine Insel; blicke in dich hinein; entdecke deine wahre Stärke.“

Wenn man bedenkt, dass The RZA als Musikproduzent vor allem durch spröde Beats und ominöse Streicher-Sounds bekannt wurde, könnte diese eudaimonistische Seite des Buches überraschen — wenn sie nicht vom zweiten narrativen Strang des Buchs flankiert würde, nämlich der autobiographischen Ebene. Weite Teile des Buches lassen sich dem Genre der „spiritual autobiography“ zurechnen, das historisch auf die Bekenntnisse des Heilligen Augustinus zurückgeht, und welches geradezu ein gewisses Maß an biographischer Düsternis und moralischer Verworfenheit erfordert, um die anschließende Läuterung des Protagonisten umso gleißender hervortreten zu lassen. „Erniedrigung führt zu Erlösung“, wie der Literaturwissenschaftler William A. Cohen die Eckpunkte des Genres zusammenfasst: „Nur wer schmutzig ist, kann geläutert werden.“ Im Falle von The RZA bestehen diese Tiefpunkte aus seinen Erfahrungen als Straßendealer, einer Anklage wegen versuchten Mordes, exzessivem Konsum von Halluzinogenen, einer gescheiterten Ehe sowie nicht zuletzt dem frühen Drogentod seines Cousins und Bandkollegen Ol’ Dirty Bastard. Dieser dient The RZA als warnendes Beispiel sowie als Anlass für eine ausgedehnte Meditation über die Bergpredigt: „Gehet ein durch die enge Pforte! Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführet; und ihrer sind viel, die darauf wandeln.“

Tatsächlich nimmt dieser dritte narrative Strang, die immer wieder eingeflochtenen theologischen und philosophischen „meditationes“, im Buch breiten Raum ein. Wobei sich The RZA nicht mit Verweisen auf Taoismus und Christentum begnügt: Er zitiert Aristoteles und Ralph Waldo Emerson, den chinesischen Philosophen Mengzi und den Propheten des Rastafarianismus Marcus Garvey, Comic-Hefte und den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, und natürlich immer wieder Weisheiten aus Shaolin-Kung-Fu-Filmen der Siebzigerjahre wie jener, nach dem seine Crew benannt ist. Interessanterweise macht der Autor dabei keinen Unterschied zwischen dem sogenannten „Höhenkamm“ und den „Niederungen“ der Popkultur, zwischen Buchreligionen und B-Pictures: Äußerungen von San Te, dem Titelhelden aus dem Martial-Arts-Film Die 36 Kammern der Shaolin, stehen auf einer Stufe mit Zitaten aus dem Alten Testament oder dem Koran.

 

„Gott ist du“

 

Hier zeigt sich wohl am deutlichsten der Einfluss des Sampling, jener digitalen Appropriationstechnik, die zentral für die Ästhetik des HipHop ist. Der Sampler unterscheidet nicht zwischen einem Soundschnipsel von Bach und einem von Dieter Bohlen, er kennt keine Geschichtlichkeit oder Hierarchien, sondern ordnet alles der Gesamtfunktion im neu zusammenpastichierten Song unter. So gesehen ist das Buch von The RZA ein Werk des literarischen Sampling: eine postmoderne Assemblage verschiedenster religiöser und parareligiöser Quellen, die scheinbar gleichberechtigt nebeneinanderstehen: „In diesem Sinne sind wir also alle Wu-Tang. Du bist Wu-Tang. Wenn du jemals auf einem Berg oder am Meer standest und eine tiefe Verbundenheit verspürt hast, eine weite, endlose Präsenz in deinem Innern, dann hast du es gefühlt: das, was man im Taoismus das Einssein nennt, was die Muslime Allah nennen, was andere Gott nennen.“

Alle Götter sind gleich — aber manche sind gleicher. Am Ende dominiert nämlich doch eine ganz spezifische Lehre: Flucht und Angelpunkt von The RZAs Philosophie sind die „teachings“ der Nation of Gods and Earths, auch Five Percenter genannt, einer esoterische Splittergruppe der Nation of Islam, die gerade in der US-amerikanischen HipHop-Szene viele Anhänger hat. Leitmotiv dieser neureligiösen Strömung ist der gnostische Gedanke, dass es keinen transzendenten Gott gibt, sondern dass jedem Menschen (oder zumindest jedem „schwarzen“ Mann) göttliches Potenzial innewohnt. „Gott ist kein Geist“, beschreibt The RZA seinen Moment der Epiphanie, und weiter, eher unbeholfen übersetzt: „Gott ist du; er ist in dir.“

Der abschließende Versuch von The RZA, den Rassismus und Sexismus der Nation of Gods and Earths (alle Weißen sind das Resultat eines teuflischen Gen-Experiments; Frauen kreisen um ihre Männer wie die Erde um die Sonne) zu relativieren und mit dem vorher entfalteten Universalismus zu versöhnen, wirkt wenig überzeugend. Am stärksten ist das Buch dort, wo der Autor darüber schreibt, was er am besten kann, nämlich Musik produzieren — und daraus eigenwillige existenzphilosophische Gleichnisse entwickelt: „Du bist eine Aufnahme mit 64 Tonspuren. Manchmal sind die harschen Tonspuren im Vordergrund und die anderen sind auf null heruntergefahren. Manchmal sind die lieblichen Tonspuren deutlich zu hören und die Dunkelheit ist weit im Hintergrund. Aber du bist jeder dieser Tonspuren.“ •

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