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Bild: © Merle Burgey

Komm mir (nicht zu) nah

Meine Sehnsucht

Federica Gregoratto veröffentlicht am 17 März 2022 10 min

In unserer spätmodernen Gegenwart wandeln sich Beziehungskonzepte rasant. Aber was wird aus dem Bedürfnis nach Liebe und enger Bindung? Fünf Menschen erzählen.

 

In der erotischen Liebe sind wir auf der Suche nach unserer „anderen Hälfte“: Wir wollen uns eins mit unseren Geliebten fühlen. Liebe ist Sehnsucht nach Verschmelzung, der höchstmöglichen Form zwischenmenschlicher Nähe. Platon hat dies im Mythos der „Kugelmenschen“ versinnbildlicht, die von Zeus wegen ihres Übermuts in der Mitte getrennt wurden und seither rastlos nach ihrem Gegenpart suchen. Eine Vorstellung, die 2400 Jahre lang für die westliche Kultur prägend gewesen ist. In der Nachfolge Platons formulierte im 19. Jahrhundert die deutsche beziehungsweise britische Romantik das Ideal „romantischer“ Liebe, das den Wert überwältigender, irrationaler Gefühle pries und eine magische, der gewöhnlichen Realität entrückte Welt versprach. Liebe bedeutet demzufolge ein „Anderswo“, das einerseits eine gefährliche Illusion darstellen kann und andererseits eine starke Kritik der Zweckrationalität der Aufklärung sowie der gesellschaftlichen Ordnung ermöglicht. Exklusivität, Verbindlichkeit und Aufopferung sind wesentliche Merkmale des romantischen Ideals.

Doch lässt unsere leistungsorientierte, digitalisierte Welt solche Nähe noch zu? Auf den ersten Blick sieht es nicht danach aus. Individuelle Freiheit und Selbstverwirklichung, Leitwerte unserer Zeit, brauchen nämlich vor allem eines: Unabhängigkeit und Abstand von anderen. Wer sich ständig neu entwirft und umorientiert, kann sich kaum dauerhaft binden, geschweige denn aufopfern. Das ist auch nicht unbedingt bedauernswert. Feministinnen haben zu Recht auf die problematische Seite romantischer Beziehungen hingewiesen. Diese waren traditionell heterosexuelle Partnerschaften, in denen Frauen die Hauptlast der Fürsorgeverpflichtungen trugen.

Aber: Die Romantik ist nicht tot – noch nicht ganz wenigstens. Gerade im Zeitalter der Pandemie treten Bedürfnisse nach leidenschaftlichen Eskapaden und gleichzeitig nach innigen, vertrauten Bindungen wieder akut hervor. Für diejenigen von uns, die sich nicht in die traditionellen sexuellen und Geschlechteridentitäten einordnen lassen, mag das romantische Beziehungsbild das Potenzial sozialer Anerkennung bieten. Die Tatsache, dass das romantische Modell keinen Vorrang mehr hat, bedeutet noch nicht, dass wir bereit sind, ganz darauf zu verzichten.

Tatsächlich nämlich zeichnen sich die Konturen einer neuen, fragilen, aber dennoch wertvollen Romantik ab. Geprägt ist sie von einer rastlosen Dialektik zwischen Nähe und Distanz. Liebende sehnen sich nach Verschmelzung – sich gegenseitig seelisch und körperlich in einer Weise berühren, wie es niemand anderem erlaubt ist. Diese Bewegung in Richtung einer Vereinigung wird jedoch von Impulsen der Isolation und Abgrenzung begleitet. Bedürfnisse nach Rückzugsorten treten hervor, um eine gefährliche Auflösung der eigenen Individualität zu vermeiden. Wir brauchen Abstand, um erneut zu uns selbst zu kommen. Die daraus folgende Unverfügbarkeit und (relative) Undurchschaubarkeit der anderen nähren aber wiederum sowohl erotische Begierden als auch den Willen, sich unseren Geliebten wieder zu nähern. Neue Beziehungsformen können entdeckt werden, die dieser Dialektik gerecht werden. Auch in den folgenden Geschichten erzählen die Protagonisten, wie sie in diesen Zeiten des Umbruchs versuchen, Nähe und Distanz auszutarieren.

 

„Ohne FaceTime wären wir nicht mehr zusammen“


„Meinen Mann John habe ich vor dreieinhalb Jahren in Schanghai kennengelernt. Er war damals im Urlaub dort, ich war für mein Studium in der Stadt. Unsere erste Begegnung dauerte kaum mehr als zwölf Stunden. Wir trafen uns zum Abendessen. Am nächsten Morgen musste er schon zum Flughafen. Von da an haben wir täglich telefoniert – immer mit Video. Das hat uns ein starkes Gefühl der Nähe vermittelt und war unheimlich wichtig. Schließlich kannten wir uns noch kaum und hatten nie einen Alltag geteilt. Wir sagen beide: Ohne FaceTime (Chat- und Telefoniedienst, Anm. d. Redaktion) wären wir nicht mehr zusammen. Die Videotelefonate waren von Beginn an unsere Normalität. Was man gewöhnlich in einer Umarmung oder Berührung ausdrückt, mussten wir immer in Mimik und Sprache fassen. Unsere Intimität war das gesprochene Wort. Sechs Wochen nach unserem Kennenlernen habe ich John in seiner Heimat Australien besucht und von da an haben wir uns alle drei Monate getroffen – bis zur Pandemie. Fast ein Jahr lang konnten wir uns plötzlich nicht sehen. Ich habe dann schneller als geplant meinen Job gekündigt und bin von Köln nach Brisbane gezogen. Dennoch hat mir unsere Fernbeziehung gezeigt: Auch wenn man physisch weit voneinander entfernt ist, kann man sich ganz nah sein.“

Federica Gregoratto Kommentar

Geschärfte Wahrnehmung
Was würden wir in einer globalisierten Welt oder angesichts einer Pandemie tun, wenn wir keine Smartphones hätten? Handys und Internet führen zu neuen Gewohnheiten, sie zwingen uns zu fragen, was es bedeutet, wirklich „zusammen“ zu sein oder sich „nah“ zu fühlen. Vielleicht, so zeigt Katinkas Geschichte, ist körperliche Unmittelbarkeit für Intimität doch nicht wesentlich. Auch die antike Philosophie wusste das schon: Lesen wir zum Beispiel Senecas Briefe an Lucilius, so verstehen wir, dass sowohl Freundschaft als auch Liebe immer Medien brauchen (damals Papier, heute Computerscreens). Nicht nur, um die Verbindung in Zeiten erzwungener Distanz aufrechtzuerhalten, sondern auch um aufzublühen und sich zu verwirklichen. Wenn wir schriftlich kommunizieren oder uns auf dem Bildschirm begegnen, können wir uns nicht wie gewohnt durch Mimik und Gestik ausdrücken, weil wir nicht alles von unseren Geliebten sehen. Das ist sicherlich verunsichernd, aber gleichzeitig wird unsere Vorstellungskraft gefordert. Wir lernen, genauer über die Bedeutung unserer Worte nachzudenken und die Perspektiven der anderen, die uns anschauen, zu übernehmen und besser zu verstehen.

 

„Der Wunsch nach einer monogamen und lebenslangen Beziehung bleibt“

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