Essay

Neue Horizonte

Svenja Flasspoehler veröffentlicht am 13 November 2023 5 min

Soll ich umziehen? Welcher Beruf passt zu mir? Will ich Kinder? Insgeheim wissen wir alle: In uns wohnt mehr als ein Ich. Nur wer die Alternativen sieht, kann sein Leben gestalten.

Es gibt Momente, in denen sich die eigene Identität regelrecht auffächert. Nein, nicht in dem Sinne, dass ich plötzlich viele bin. Sondern eher insofern, als dass andere Versionen meiner selbst vorstellbar werden. Wer etwa in der Stadt wohnt und Freunde auf dem Land besucht, wird sich vielleicht ernsthaft fragen, wie es wäre, morgens mit Vogelgezwitscher aufzuwachen, den ganzen Tag frische Luft zu atmen, die Wochenenden mit ausgedehnten Spaziergängen zu verbringen: Wäre ein solches Dasein schöner? Würde es besser zu mir passen? Möglicherweise aber ist die Frage so nicht richtig gestellt, wird hier doch ein unveränderbares Selbst vorausgesetzt, von dem wir nicht wissen, ob es existiert. Versuchen wir es also einmal so herum: Wäre ich selbst jemand anderes, hätte ich das Landleben anstelle einer Großstadtexistenz gewählt? Welches Ich also käme zum Vorschein, würde ich mich jetzt noch für ein solches Leben entscheiden?