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Bild: Wikipedia

Essay

Unzeitgemäße Romantik?

Dominik Pietzcker veröffentlicht am 09 Oktober 2025 6 min

Unter dem Begriff des Romantischen lässt sich Zahlreiches subsumieren, doch gerät dessen geistesgeschichtliches Erbe dabei vielfach aus dem Blick. Dominik Pietzcker über die wechselvolle Karriere eines Kultursyndroms.

Die vielfach verklärte, gleichsam selbst romantisierte Romantik ist ein polyvalenter Begriff, der längst in unsere Alltagssprache übernommen worden ist. Romantik grenzt sich explizit gegen die rational und kühl operierende, bürokratisch strukturierte Gesellschaft der Moderne ab. Romantisch ist die Liebe, aber nicht das Geld. Romantisch sind Natur und „Waldeinsamkeit“, nicht jedoch Großstadt und Vermassung. Romantisch sind Selbstmord und früher Tod, nicht die Gerontokratie, das jugendliche Aufbegehren, nicht die graue Erfahrung. Die begrifflichen Anwendungsmöglichkeiten von Romantik sind beträchtlich, und so lässt sich getrost von einem weit aufgefächerten gesamteuropäischen Kultursyndrom sprechen. Wer will schon in Gefühlsdingen ein kalt abwägender Utilitarist sein? Gerade wenn es um Intensität und Tiefe zwischenmenschlicher Beziehungen geht, sind nicht Exceltabellen, sondern Exzesse und Gefühlsüberschüsse gefragt. Doch was meinen wir eigentlich, wenn wir, mehr oder weniger summarisch, den Begriff Romantik verwenden? 

 

Das sterbliche Ich


Novalis schreibt: „Der Tod ist das romantisierende Prinzip unseres Lebens.“ Als gesamteuropäisches Epochenphänomen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts ist die Romantik eine der großen Kunstströmungen des Abendlandes, welche gleichermaßen in Philosophie, Dichtung und Musik, Malerei und Architektur hervortritt. Sie ist zudem ein wichtiges Kapitel der europäischen Mentalitätsgeschichte. In der Romantik wird das Subjekt nicht als denkendes Individuum, sondern als gefühlsbegabtes Ich verstanden. Das empfindende – nicht das denkende oder zweifelnde – Subjekt sind Ausgangs- und Endpunkt aller geistigen Figurationen. Aber das Ich ist sterblich, schutzlos und dem Schmerz ausgeliefert. Selbstmitleid ist daher bis heute eine weitverbreitete, wenn auch trivialisierte, romantische Grundhaltung. 

 

Bürger und Antibürger


Byron, Chateaubriand, Lermontov, Leopardi: Fraglos hat die Romantik eine paneuropäische Dimension, sie ist aber vor allem eine deutsche Obsession im beginnenden Industriezeitalter. Deutsche Romantik schwärmt für Minne, Mittelalter und germanische Mythologien, während bereits Elektrizität, industrielle Großbetriebe und internationale Aktiengesellschaften entstehen. Wie passt das zusammen?

Die romantische und die kapitalistische Epoche fallen zeitlich ineinander. „Gesellschaftstrieb ist Organisationstrieb“, bemerkt Novalis. Diese Beobachtung lässt sich auch auf die ökonomischen Verhältnisse anwenden. Paradox: Der Romantiker widersetzt sich lediglich ästhetisch, doch keineswegs ideologisch den neuen Wirtschaftsverhältnissen. Der regelkonform agierende Bourgeois sehnt sich nach einer romantisch entgrenzten Gefühlsexistenz; der romantische Außenseiter hingegen strebt zurück in den Schoß der bürgerlichen Gesellschaft. Die individuelle Geneigtheit zu einem freien, bohèmehaften Dasein bleibt zumeist fiktiv; gesellschaftspolitisch ist sie ohnehin völlig ohne Belang. Wie Georges Bataille trocken bemerkt: „In ihrer gängigen Form war die Romantik kaum mehr als eine antibürgerliche Allüre des bürgerlichen Individualismus“. 

In Nietzsches Verständnis ist Romantik eine Chiffre dionysischer Maßlosigkeit, Ausdruck des zivilisatorischen Kontrollverlustes und daher radikal abzulehnen: „mit unheimlichen Zugängen zu allem, was verführt, lockt, zwingt, umwirft, (…) begehrlich nach dem Fremden, dem Exotischen, dem Ungeheuren“. Gerade die Zügellosigkeit der Romantik – er nennt sie treffend eine „boshafte Fee“ – stößt Nietzsche als selbsterklärten Geistesaristokraten ab. Von daher auch sein rigider Antiwagnerianismus.

In ihrer Ablehnung des aufklärerischen Rationalismus trifft sich die Romantik mit den Kritikern des bürgerlichen Zeitalters. „Das romantische Erleben“, schreibt der Soziologe Karl Mannheim, „ist zum Teil genuin aus der identischen Problematik der rationalisierten kapitalistischen Welt als Gegenbewegung auf diese Rationalisierung entstanden.“ Die intrinsischen Widersprüche der Moderne sind in der deutschen Romantik bereits zur Gänze ausgebildet. Der hypostasierte Subjektbegriff, der Rückzug in emotionale Innenwelten, das Verschwimmen von Traum und Realität, innerem und äußerem Bewusstsein, all diese ideen- und mentalitätsgeschichtlichen Erträge der Romantik sind heute weltweit im Umlauf. Das gilt für Liebesfilme und Beziehungsromane ebenso wie für individuelle Lebensentwürfe. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob es sich um Klassiker wie die Filme von Almodóvar oder um moderne Versionen des Abenteuerromans (Elmiger) handelt. Romantik ist eben auch ein Exportartikel europäischen Empfindens, und sie ist in ihrer Subjektbezogenheit vielleicht sogar universaler als der Universalismus selbst.

 

Problematische Traditionslinien


Das Ideenreservoir der Romantik ist bis heute nicht zur Gänze ausgeschöpft. Romantik kennt vor allem den jugendlichen Helden, der an den prosaischen Erfordernissen der frühkapitalistischen Gesellschaft scheitert. Auffallend ist das romantische Faible für düstere Stoffe: Krankheit und Tod, Gewalt und Untergang. Im 20. Jahrhundert wurden diese literarischen Topoi der deutschen Romantik verhängnisvollerweise zum politischen Programm umgestaltet und dadurch moralisch und ästhetisch vollkommen devaluiert.

Mit ihrer mystisch-irrationalen, antiaufklärerischen und antirevolutionären Ausrichtung war die Romantik hochgradig anschlussfähig für konservativ-restaurative, im 20. Jahrhundert auch für faschistische und nationalsozialistische Tendenzen. Vom bürgerlichen Salon zum Hurrapatriotismus und von der Ablehnung der anonymisierenden Moderne zum militanten Autoritarismus ist es jeweils nur ein kleiner Schritt. Romantische Ästhetik und politische Reaktion, selbst in ihrer radikalsten Ausprägung, liegen unweit voneinander. 

Soziologisch gesehen war die historische Romantik ein Phänomen der akademischen und adeligen Schichten, die an Universitäten und in Privathäusern zusammenkamen. Auf dem berühmten „Treffen auf der Wartburg“, initiiert von patriotisch gesinnten Jenaer Burschenschaftlern im Oktober 1817, wurde der Völkerschlacht von Leipzig und des Wittenberger Thesenanschlags von Martin Luther gedacht. In gewohnter Manier wurde zunächst ausgiebig gezecht und gesungen. Es folgten ein Fackelzug sowie ein Autodafé, bei dem unter anderem der napoleonische Code civil, aber auch Bücher von deutschen Autoren rituell verbrannt wurden. Romantisch motivierte Rituale schufen eine Bruchlinie der kulturellen Selbstbeschädigung, die sich im Laufe der deutschen Geschichte bis ins Abgründige vertiefte. Die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz berief sich explizit auf das Wartburgtreffen von 1817. Dies gilt auch für alle weiteren Bücherverbrennungen in deutschen Universitätsstädten. Hier wurde mit nationalromantischem Gestus der Geist der Freiheit öffentlichkeitswirksam destruiert. 

Die deutsche Romantik ist, um es direkt zu sagen, eine der wichtigsten ideellen Quellen des Totalitarismus und seiner expliziten Geistesfeindlichkeit. Diese Kontinuität ist die ins Negative gewendete Konsequenz eines ästhetischen Komplexes, der von Anfang an das Gefühl über den Verstand und die Intuition über die Anschauung stellte. Dem radikalen Nihilismus des Nationalsozialismus konnte das romantische Ideenreservoir nichts entgegensetzen. Die patriotische Schwärmerei bedeutender Romantiker – von Johann G. Fichte, Joseph v. Eichendorff und Theodor Körner bis zu Heinrich von Kleist und natürlich Richard Wagner – erleichterte ihre politische Vereinnahmung durch das nationalsozialistische Regime. 

Insbesondere die romantische Mystifizierung des mittelalterlichen Reichsgedankens ließ sich problemlos in die Ideologie des Nationalsozialismus integrieren. Sogar das „Unternehmen Barbarossa“, der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Sommer 1941, nahm Bezug auf eine der wichtigsten historischen Projektionen der Romantik, den Stauferkaiser Friedrich I. Die bruchlose Übersetzung romantischer Chiffren in die Symbolwelt des Nationalsozialismus ist kein Zufall, auch keine Fehldeutung, sondern Ausdruck einer, wenn auch verzerrten, ideellen Kontinuität.
 

Es bleibt die Ironie


Die „blaue Blume“ (Novalis) hat einen dornigen Stiel, der in der europäischen Geistesgeschichte und ihrer Widersprüche wurzelt. Die Romantik markiert die ideengeschichtliche Ambivalenz der beginnenden Moderne und ihrer aufbrechenden Abgründe und Hekatomben. Weit davon entfernt ein heiteres Idyll zu beschwören, entfaltet die Romantik, vor allem in ihrer Mischung aus Nationalgefühl und Opferbereitschaft, explosive Sprengkraft für die europäischen Katastrophen.

Doch zurück in die Gegenwart: Um emotional überleben zu können, benötigt der moderne Mensch potente Illusionen. Ohne die tiefe Überzeugung einer inneren Gegenwelt ist menschliches Dasein unerträglich. Romantische Betrachtungs- und Gefühlsweisen sind da recht naheliegend. Doch zugleich ist das geistesgeschichtliche Erbe der Romantik in hohem Maße ideologisch kontaminiert. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, gibt es – neben blindem Dezisionismus – nur einen Weg, die Ironie. Dies war niemandem stärker bewusst als dem klügsten aller Romantiker. Heinrich Heine machte die Ironie literaturfähig und begründete damit das journalistische Genre des Feuilletons. Als souveränem Spötter war es ihm als Erstem gelungen, die deutsche Romantik als Distanzphänomen zu betrachten und sie dadurch zu überwinden. Was danach kam, war entweder Exzess oder blasse Exegese. •

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