Wie wichtig ist Glück?
Alle wären es gerne, aber: Glücklich zu sein, ist anstrengend und gelingt nur selten. Ist das Glück wirklich Ziel unseres Lebens? Vier philosophische Antworten.
Aristoteles (384–322 v. Chr.)
„Glück ist das höchste Ziel des menschlichen Lebens“
Glückseligkeit (Eudaimonie) ist für Aristoteles das höchste Ziel des menschlichen Lebens, denn „das Glück erwählen wir uns stets um seiner selbst willen und niemals zu einem darüber hinausliegenden Zweck“ (Nikomachische Ethik). Glückseligkeit ist jedoch ohne moralische Tugend nicht zu erlangen. Um glücklich zu leben, müssen wir uns fragen, was das Wesen des Menschen ausmacht. Für Aristoteles ist der entscheidende Wesenszug die Vernunft. Diese müssen wir bestmöglich ausbilden und uns von ihr leiten lassen. Das ist keine rein theoretische Aufgabe: Die Vernunft muss sich in tugendhaften Handlungen verwirklichen. Ohne weltliche Güter wie Freunde, Macht und Wohlstand wird man jedoch auch nicht glücklich. Es fehlen schlicht die Rahmenbedingungen für tugendhaftes Handeln.
Immanuel Kant (1724–1804)
„Pflicht ist wichtiger als Glückseligkeit“
Glück ist für Kant ein unstetes Gefühl, das mit Moral in keiner notwendigen Beziehung steht. In der Kritik der praktischen Vernunft urteilt er: Dass „das Bestreben nach Glückseligkeit einen Grund tugendhafter Gesinnung hervorbringe, ist schlechterdings falsch“. Immerhin ist es möglich, dass jemand Glück dabei empfindet, andere zu quälen. Umgekehrt muss Tugend nicht ins Glück führen: Man stelle sich einen Menschen vor, der Schwächeren hilft, aber selbst dabei zugrunde geht. Moralischen Wert haben Handlungen deshalb nur, wenn sie aus Pflicht geschehen: Mittels Vernunft muss geprüft werden, ob die leitende Handlungsmaxime auch als ein „allgemeines Gesetz“ tauglich wäre. Wer sich danach richtet, wird zwar nicht vor Freude jauchzen, erlangt aber Autonomie und „Selbstzufriedenheit“.
Jeremy Bentham (1748–1832)
„Das Glück aller zählt“
„Das größte Glück der größten Zahl“ (A Fragment on Government) und nichts anderes macht für Bentham, den Begründer des Utilitarismus, eine Handlung zur moralisch richtigen. Dieses Glück lässt sich mit dem hedonistischen Kalkül anhand der Kriterien Intensität, Dauer, Gewissheit, Nähe, Folgenträchtigkeit, Reinheit und Ausmaß quasi mathematisch berechnen. In solch zweckrationaler Betrachtungsweise bleibt kein Raum für die besondere Wertschätzung geistiger und künstlerischer Tätigkeit. Problematischer noch: Das Leiden weniger Menschen ist in Kauf zu nehmen, solange die „Glückssumme“ insgesamt positiv ausfällt.
Arthur Schopenhauer (1788–1860)
„Glücksstreben ist ein Irrtum“
„Es gibt nur einen angeborenen Irrtum, und es ist der, dass wir da sind, um glücklich zu sein“, schreibt Schopenhauer in Die Welt als Wille und Vorstellung. Aus seiner Sicht ist die Welt ein Jammertal: Das Leben des Menschen ist bestimmt von Schmerz und Langeweile, alles Glück nur Illusion. Trotz dieser trostlosen Metaphysik liefert Schopenhauer eine lebenspraktische Anleitung zum Glück. Glücklich leben bedeutet allerdings nur, „möglichst wenig unglücklich, oder kurz, erträglich leben“ („Die Kunst, glücklich zu sein“). Indem man geringe Ansprüche an das Leben stellt und seinen Charakter sowie seine geistigen Fähigkeiten ausbildet, lässt sich das Leiden begrenzen. •