Wozu ist Sport gut?
„Ohne Schweiß kein Preis“ lautet die Überzeugung der einen, „Sport ist Mord“ die Warnung der anderen. Auch in der Philosophiegeschichte war man sich über Nutzen und Nachteil der Leibesertüchtigung uneins.
Für unser Wohlbefinden, wenn wir anderen dabei zusehen
Lukrez
(ca. 99 – 55 v. Chr.)
Warum verfolgen wir so gerne Sportveranstaltungen wie die Olympischen Spiele oder die Bundesliga? Eine Antwort gibt der römische Dichter Lukrez: Zu sehen, „wie ein andrer sich abmüht“, erzeugt ein „Wonnegefühl, dass man selber vom Leiden befreit ist“. Die Lehre des Epikureismus, dessen Anhänger Lukrez ist, hat als einziges Ziel die physische und psychische Schmerzfreiheit. Ein gesundes Maß an körperlicher Betätigung ist dafür notwendig, aber der sportliche Wettkampf erzeugt bloß Stress und Unzufriedenheit, die der Gemütsruhe im Weg stehen. Die Devise lautet also: Genieße das Spektakel, ohne selbst Schweiß und Tränen zu vergießen.
Für unsere Selbstwerdung
Friedrich Nietzsche
(1844 – 1900)
Nietzsche misst der körperlichen Dimension große Bedeutung bei. So wird im Zarathustra den „Verächtern des Leibes“, die nur die Schulung des Geistes für wichtig erachten, entgegengehalten: „Der Leib ist eine große Vernunft“. Ihn zu trainieren, bedeutet, auch seine Vernunft auszubilden. Denn wer sich sportlich betätigt, stärkt den Zugang zum Körper und kann es durch Bezwingen der eigenen Grenzen „über sich hinaus schaffen“. Wenn Bewegung und Anstrengung die Form einer irdischen Lebensbejahung annehmen, sind sie also zu begrüßen. Wenn Sport hingegen zum nüchternen, verobjektivierenden Training wird, droht erneut die „kleine Vernunft“, der Geist, überhandzunehmen.
Für unsere Disziplinierung
Michel Foucault
(1926 – 1984)
Die „Dressur, die Steigerung seiner (des Körpers) Fähigkeiten, die Ausnutzung seiner Kräfte, das parallele Anwachsen seiner Nützlichkeit und Gelehrigkeit“ kennzeichnen laut Foucault die Machtausübung in der Moderne. Erinnert Sie das an den Fitnesskult unserer Gesellschaft? Foucault zufolge ist dieser Trend kein Zufall, sondern Effekt eben jener modernen Biomacht, die sich auf die Normalisierung der Körper richtet und in Diskursen reproduziert wird. Welche körperlichen Ideale in einer Gesellschaft als erstrebenswert gelten, ist Ausdruck von Macht. Diese gibt ein Regime vor, dem sich das Individuum vor den kritischen Augen der anderen auf dem Laufband unterwirft. •
Weitere Artikel
Kleines Lexikon des Realismus
Die Realismus-Diskussion geht von der Frage aus, ob und woher wir wissen können, dass die Objekte, die wir für existierend halten, auch unabhängig von unseren Wahrnehmungen oder Überzeugungen so existieren, wie wir sie wahrnehmen oder beschreiben. Sie betrifft also die Frage, was es wirklich und damit unabhängig von unseren Meinungen und Überzeugungen gibt – und was nicht.
Warum haben wir Angst vor Schweiß?
An heißen Sommertagen wächst die Angst vor eigenen sowie vor fremden Ausdünstungen. Doch warum eigentlich? Zeigt sich doch in keiner anderen Flüssigkeit so deutlich, was unsere Existenz ausmacht. Eine kleine Kulturgeschichte zwischen Ekel und Lust.

Tractatus-Preis für Isolde Charim
Die Philosophin Isolde Charim erhält für ihr Buch Die Qualen des Narzissmus den Tractatus-Essaypreis 2023. Er wird vom Verein Philosophicum Lech vergeben, Medienpartner des Philosophie Magazins. Im Frühjahr haben wir mit Charim über freiwillige Unterwerfung, Selbstoptimierung als Schwindel und narzisstische Moral gesprochen. Wir gratulieren Isolde Charim herzlich zum Tractatus-Preis.

Mein Leben ohne Smartphone
Kein schnelles E-Mail-Checken, keine allzeit verfügbare Bahn-App, keine Lieblingsplaylist: Erzeugt Smartphone-freies Dasein nicht eher Nervosität als Ruhe? Unsere Autorin wagt es trotzdem und erkennt: Selbst vermeintliche Nachteile erzeugen eine ganz eigene Beziehung zur Welt.

Beweg dich!
Sport zu machen, kommt heute mehr einer gesundheitlichen Pflichterfüllung als einer geteilten freizeitlichen Aktivität mit anderen gleich. Kann es sein, dass wir Sport mittlerweile als reinen Zwang empfinden – und nicht als Lust, uns zu bewegen?
Wem gehört die Schlossallee?
Ob Privatbesitz der Grund allen Übels oder vielmehr die Voraussetzung der Freiheit ist - darüber war man sich in der Philosophiegeschichte uneins.

Dürfen wir Fleisch essen?
Ist der Fleischkonsum Bestandteil der natürlichen Ordnung, Ausdruck eines quasi-rassistischen Denkens oder gar der Beginn zwischenmenschlicher Grausamkeit? Darüber war man sich in der Philosophiegeschichte uneins.

Sollte ich mehr lesen?
Wären wir nicht weiser, würden wir nur mehr lesen? Von der Lektüre erhoffen wir uns viel. In der Philosophiegeschichte war man uneins, ob die Erwartungen berechtigt sind. Hier drei Positionen.

Kommentare
Vielleicht sieht man vergleichsweise ursprünglichen Sport, wenn junge Füchse vor dem Bau balgen. Da gibt es ja schöne Naturaufnahmen.