10 bekannte Zitate kurz erklärt
Viele philosophische Sätze hat man schon einmal gehört, weiß aber nicht genau, was sie bedeuten. Hier fassen wir die Kernidee zehn bekannter Zitate zusammen.
„Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“
Heraklit: Fragmente (6.-5. Jh. v. Chr.)
Anders als viele einflussreiche Denker der Philosophiegeschichte hielt Heraklit nichts von der Auffassung, Dinge und Ideen seien einheitlich und ewig. Nichts in der Welt und im Kosmos ist stabil, lautet vielmehr seine wirkmächtige These, die er anhand eines Flusses veranschaulicht. Wie dieser durchzieht auch die Wirklichkeit eine Strömung, die alles fortträgt. Wir dürfen deshalb nicht hoffen, einen Anhaltspunkt zu finden, weder in der physischen noch in der Welt der Gedanken. Alles ist Bewegung, Veränderung, Werden.
„Ich weiß, dass ich nicht weiß.“
Sokrates in Platons Apologie des Sokrates und Meno (4. Jahrhundert v. Chr.)
Jeder glaubt, sich in bestimmten Feldern gut auszukennen und hat deshalb oft klare Vorstellungen davon, was wahr oder falsch, gut oder schlecht, schön oder hässlich ist. Doch Sokrates fordert diese Überzeugung heraus, indem er fragt, ob es sich bei diesem vermeintlichen Wissen tatsächlich um Wissen oder nur Meinung handelt. Denn genau hier liegt die Crux dieses oft falsch wiedergegebenen Zitates. Sokrates nämlich sagte, dass er nicht (ohne s) wisse, sondern nur meine, und dass sich dies bei seinen Gesprächspartnern nicht anders verhalte. Er allerdings sei sich dessen bewusst, wohingegen diese Erkenntnis bei anderen noch ausstehe.
„Der Mensch ist ein politisches Tier.“
Aristoteles: Politik (4. Jahrhundert v. Chr.)
Von Natur aus gesellig und gesprächig, ist der Mensch dazu gemacht, sich mit anderen zusammenzutun und auszutauschen. Insbesondere braucht er andere, um eine Gemeinschaft zu bilden, die nach gerechten und von den Mitgliedern dieser Gemeinschaft beschlossenen Regeln regiert wird. Der Mensch lebt erfüllt, wenn er sich in ethisch wünschenswerten und politisch fruchtbaren Beziehungen mit seinen Mitmenschen befindet.
„Das schauerlichste Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn für die einen ist er nicht da, die anderen sind für ihn nicht mehr da.“
Epikur: Wege zum Glück (3. Jahrhundert v. Chr.)
Es ist nichts Schlechtes, nicht zu leben. Wer zu diesem Gedanken gelangt, für den verliert der Tod jeglichen Schrecken. Mit dem Ende unseres Lebens setzt jegliche Wahrnehmung von uns und der Welt aus, da sich Körper und Seele scheiden. Wir müssen uns vor dem Ende unserer Existenz also nicht fürchten, da wir es nicht erleben werden, denn: Wenn der Tod da ist, sind wir es nicht mehr und solange wir sind, ist der Tod noch fern. Die Begrenztheit unseres Lebens ist kein Schrecken, sondern eine Aufforderung, die Zeit bestmöglich zu nutzen.
„Ich denke, also bin ich“
René Descartes: Abhandlung über die Methode, seine Vernunft gut zu gebrauchen und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen (1637)
Selbst wenn das Leben ein Tagtraum wäre, wenn es um mich herum nichts wirklich gäbe und ich selbst nur eine Fiktion wäre, gäbe es zumindest eine Sache, die absolut sicher ist: Indem ich an allem zweifle, denke ich. Und im Denken existiere ich als ein Ding, das denkt. Das ist ein guter, praktisch nicht zu bezweifelnder Ausgangspunkt, um nun das ganze Wissen über meinen Körper und alles, was ihn umgibt, zu rekonstruieren. Kurzum: Indem man zweifelt, findet man in sich selbst einen festen Punkt, von dem aus man sich auf die Suche nach Wahrheiten begeben kann.
„Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten“
Jean-Jacques Rousseau: Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes (1762)
Für Rousseau ist der Mensch von Natur aus gut, friedlich und demnach dazu geschaffen, im Einklang mit anderen zu leben. Und doch ist die Gesellschaft auf falschen Werten aufgebaut, wie Lügen, dem Streben nach Ruhm und Selbstliebe. Das Ergebnis besteht darin, dass Menschen, denen es eigentlich gut gehen sollte, sich dem Willen von Despoten ausgeliefert sehen, die sie ihrer Macht berauben, mit anderen zu entscheiden, wie sie leben wollen. Wir müssen unser Zusammenleben ändern und einen Gesellschaftsvertrag erarbeiten, der uns die Freiheit von Bürgern zurückgibt, die nach Gesetzen leben, die sie selbst gewählt haben.
„Wage es zu wissen!“
Immanuel Kant: Was ist Aufklärung? (1784)
Viele Menschen sind der Überzeugung, dass sie nicht über die Mittel und das Wissen verfügen, um selbständig Entscheidungen treffen zu können. Sie glauben, dass Fürsten, Priester und Gelehrte im Besitz der Wahrheit und deshalb befähigt sind, ihnen zu sagen, was sie denken und tun sollen. Die Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts ist allerdings einer fundamental anderen Auffassung. Sie bestärkt die Menschen darin, sich selbst zu informieren und ihre Meinung zu äußern. Aber um das zu tun, muss man sich selbst ein wenig aufrütteln und erkennen, dass Wissen für jeden Menschen verfügbar ist, der es wirklich sucht.
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“
Karl Marx: Thesen über Feuerbach (1845)
Philosophen streiten seit jeher über abstrakte Fragen und haben dabei das Wesentliche aus dem Blick verloren: die menschliche Praxis und Arbeit, die die Natur und den Arbeiter selbst verändert. Diese Arbeit sollte uns emanzipieren, anstatt uns zu versklaven. Der Kapitalismus allerdings beruht auf der Ausbeutung der Arbeiter. Die Aufgabe der Philosophie ist es deshalb nicht, diesen Zustand mit hochfliegenden Konzepten zu rechtfertigen, sondern Werkzeuge bereitzustellen, die beim Verstehen und Verändern der Zustände helfen, um so eine neue, kommunistische Gesellschaft aufbauen zu können.
„Die Existenz geht der Essenz voraus.“
Jean-Paul Sartre: Der Existentialismus ist ein Humanismus (1946)
Fast alles um uns herum hat eine bestimmte Essenz. Ein Bleistiftspitzer hat präzise Eigenschaften und kann nicht zu einer Flasche werden. Der Mensch hat aber keine vorgegebene Natur. Er hat nur seine Existenz. Er ist frei und jeder Einzelne kann und muss sich entscheiden, ob er Kollaborateur oder Widerstandskämpfer, Held oder Feigling sein möchte. Im Menschen kommt also die Freiheit der Existenz vor der festgeschriebenen Essenz.
„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“
Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht (1949)
Wie alle Menschen werden Frauen frei geboren, mit einem a priori unbegrenzten Entwicklungspotenzial. Das Problem ist, dass dies für Männer als natürlich und wünschenswert angesehen wird, während es Frauen nicht ohne Weiteres zugänglich ist. Anstatt sie sich selbst entdecken und entwickeln zu lassen, verlangt die patriarchale Gesellschaft von ihnen, einem männlich festgelegten Bild zu entsprechen. Sie müssen begehrenswert oder bewundernswert sein, ihrem Vater und Ehemann stets hilfsbereit zur Seite stehen. Dieses gesellschaftlich aufgezwungene Rollenbild müssen Frauen zurückweisen und sich selbst frei entwerfen. •
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Marc Aurels Selbstbetrachtungen, Philippa Foots Die Natur des Guten oder Ludwig Wittgensteins Untersuchungen – diese Bücher gehören zum Kanon der Philosophiegeschichte. Viele von ihnen sind indes nur schwer verständlich. Zum Einstieg fassen wir für Sie deshalb zehn wichtige Werke in je einem Satz zusammen.

Gesichter der Benjamin Lectures
Jedes Jahr veranstaltet das Centre for Social Critique Berlin die Benjamin Lectures, zu denen jeweils eine bekannte Philosophin oder ein bekannter Philosoph eingeladen wird, um einer breiten Öffentlichkeit aktuelle Auseinandersetzungen mit sozialen und politischen Kernfragen näherzubringen. Friedrich Weißbach hat die Inhaberinnen des Benjamin Chairs in den vergangenen Jahren für uns interviewt.

Was macht uns schön?
Wir leben in einer Zeit, in der sich alle Normen aufzulösen scheinen. Doch gerade in Fragen der Schönheit wird der Normierungsdruck immer stärker. Von den Griechen noch mit dem Wahren und Guten gleichgesetzt, unterliegt sie in der modernen Gesellschaft dem Verdacht der Oberflächlichkeit und Gedankenferne. Gerade weil Schönheit uns unmittelbar anzieht, bleibt sie verdächtig. Gerade weil sie von jedem ersehnt wird, kriegt sie keiner recht zu fassen. Nur eines scheint sicher: Ein Leben ohne Schönheit wäre schlicht unerträglich. Sie ist der wahre Preis unserer Existenz: Aber welcher Weg führt am verlässlichsten zu ihr? Muss Schönheit leiden? Lässt uns nur die Liebe schön sein? Oder liegt wahre Schönheit in der Selbstvergessenheit?
Das philosophische ABC des Jean-Luc Godard
Der Filmemacher Jean-Luc Godard ist am 13. September gestorben. Er war ein produktiver und komplexer Autorenfilmer, dem wir einige der größten französischen Filme verdanken (Außer Atem, Die Verachtung, Elf Uhr nachts). Er hatte eine enge Beziehung zur Philosophie, einer Disziplin, von der er manchmal sagte, dass er „nichts von ihr verstehe“, die aber sein Werk immer wieder nährte. Eine Auswahl seiner Zitate im Stil des ABCs von Gilles Deleuze, den Godard sehr mochte.

Social Cooling
„Alle Banker sind Verbrecher!“ postet ein Bekannter in einem sozialen Netzwerk.
Judith Butler und die Gender-Frage
Nichts scheint natürlicher als die Aufteilung der Menschen in zwei Geschlechter. Es gibt Männer und es gibt Frauen, wie sich, so die gängige Auffassung, an biologischen Merkmalen, aber auch an geschlechtsspezifischen Eigenschaften unschwer erkennen lässt. Diese vermeintliche Gewissheit wird durch Judith Butlers poststrukturalistische Geschlechtertheorie fundamental erschüttert. Nicht nur das soziale Geschlecht (gender), sondern auch das biologische Geschlecht (sex) ist für Butler ein Effekt von Machtdiskursen. Die Fortpf lanzungsorgane zur „natürlichen“ Grundlage der Geschlechterdifferenz zu erklären, sei immer schon Teil der „heterosexuellen Matrix“, so die amerikanische Philosophin in ihrem grundlegenden Werk „Das Unbehagen der Geschlechter“, das in den USA vor 25 Jahren erstmals veröffentlicht wurde. Seine visionäre Kraft scheint sich gerade heute zu bewahrheiten. So hat der Bundesrat kürzlich einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der eine vollständige rechtliche Gleichstellung verheirateter homosexueller Paare vorsieht. Eine Entscheidung des Bundestags wird mit Spannung erwartet. Welche Rolle also wird die Biologie zukünftig noch spielen? Oder hat, wer so fragt, die Pointe Butlers schon missverstanden?
Camille Froidevaux-Metteries Essay hilft, Judith Butlers schwer zugängliches Werk zu verstehen. In ihm schlägt Butler nichts Geringeres vor als eine neue Weise, das Subjekt zu denken. Im Vorwort zum Beiheft beleuchtet Jeanne Burgart Goutal die Missverständnisse, die Butlers berühmte Abhandlung „Das Unbehagen der Geschlechter“ hervorgerufen hat.
Zwölf Klassiker der Philosophie – in je einem Satz
Platons Der Staat, Kants Kritik der reinen Vernunft oder Hannah Arendts Vita activa – diese Bücher gehören zum Kanon der Philosophiegeschichte. Viele von ihnen sind indes nur schwer verständlich. Zum Einstieg fassen wir für Sie deshalb zwölf wichtige Werke in je einem Satz zusammen.
