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Bild: IMAGO / Xinhua

Warum wir Verschwörungstheorien manchmal ernst nehmen sollten

Leonard Stephan veröffentlicht am 22 Juli 2024 5 min

Der Angriff auf Trump führte schnell zu wilden Spekulationen. Um mit diesen angemessen umzugehen, sollten wir zwischen Verschwörungstheorie und -mythos unterscheiden.

 

Als Donald Trump angeschossen wurde, dauerte es keine 24 Stunden, bis die ersten Verschwörungstheorien dazu in Umlauf kamen. Während manche seiner Kritiker behaupten, das Attentat sei inszeniert, werden Stimmen unter seinen Anhängern laut, welche die CIA oder „die Eliten“ dahinter vermuten. Doch handelt es sich dabei bloß um haltlose Spekulationen oder um ernstzunehmende Fragen, denen wir nachgehen sollten?

Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist spätestens seit Corona eindeutig negativ besetzt. Er dient oft dazu, unbequeme Meinungen pauschal zu diskreditieren und so legitime Fragen aus beiden politischen Lagern im Keim zu ersticken. So im Hinblick auf das Attentat bspw.: Wie konnte es sein, dass das Dach, auf dem sich der Schütze befunden hat, nicht vom Secret Service überwacht wurde? Wenn aber QAnon den „Schattenstaat“ dahinter vermutet – eine geheime Elite, welche alle politischen Entscheidungen kontrolliert – haben wir es tatsächlich mit einer Art des Denkens zu tun, welche sich antisemitischer Bilder bedient und den demokratischen Diskurs gefährdet.

Um diesem Spannungsfeld gerecht zu werden, müssen wir zwei Phänomene unterscheiden: die Verschwörungstheorie und den Verschwörungsmythos. Gemein haben beide, dass sie eine offizielle Darstellung ablehnen. Vom reinen kritischen Nachfragen unterscheiden sie sich, weil sie zudem eine alternative Erklärung anbieten und vermuten, dass bestimmte Akteure die wahren Zusammenhänge geheim halten. Doch anders als die Anhänger eines Verschwörungsmythos sind die Vertreter einer Verschwörungstheorie im engeren Sinne bereit, ihre Annahmen zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren. Sie erkennen die Komplexität der Welt an und koppeln ihre Schlussfolgerungen an die vorhandene Evidenz.

 

Eine Frage der Verhältnismäßigkeit

 

Reale Verschwörungen, wie die von Edward Snowden aufgedeckte NSA-Affäre, zeigen, dass es erlaubt sein muss, an eine Verschwörungstheorie zu glauben, wenn es hinreichend viele Belege gibt. Folglich muss es aber ebenso legitim sein, an die Möglichkeit einer Verschwörung auch ohne diese Belege zu glauben und diese näher zu untersuchen. Denn eine Untersuchung ohne vorherige Beweise ist oft der erste Schritt, um Evidenz zu sammeln. Die Kunst liegt darin, ein Phänomen zu hinterfragen, ohne voreilige Schlüsse zu ziehen - anders als jene, die auf Trumps unbelegte Behauptung einer „gestohlenen Wahl“ mit dem Sturm auf das Kapitol reagierten. Diese Tugend – das Verhältnis von Beweiskraft und Schlussfolgerung zu wahren – stellt den wichtigsten Unterschied zwischen Verschwörungs-theoretikern und Verschwörungs-gläubigen dar.

Ein Verschwörungsmythos hingegen reduziert die Komplexität der Welt auf simple Gut-Böse-Schemata. Seine Anhänger immunisieren sich gegen Kritik und passen jede neue Information ihrem starren Weltbild an. Der Mythos dient so als eine Art Gottesersatz, der in einer als chaotisch empfundenen Welt Orientierung bietet. Verschwörungstheoretiker werden oft der übermäßigen Skepsis bezichtigt. Doch ausgerechnet in der Skepsis, im Sinne der kritischen Prüfung dogmatischer Ansichten, findet sich sogar eine philosophische Tugend. Das eigentliche Problem liegt daher nicht im Anzweifeln selbst, sondern in ihrer selektiven Anwendung: Während offizielle Darstellungen aus der Tagesschau hyperkritisch seziert werden, schlucken die selbsternannten Skeptiker alternative Erklärungen in Telegram-Chats oft mit erstaunlicher Leichtgläubigkeit. Dadurch verfallen die Verschwörungsgläubigen in eben jenen Dogmatismus, vor dem die philosophischen Skeptiker warnen.

Obwohl QAnon als Paradebeispiel für einen Verschwörungsmythos gilt, teilt er zumindest ein wichtiges Merkmal mit der Theorie: Er stellt konkrete, falsifizierbare Prognosen auf. So wurde im Herbst 2017 prognostiziert, dass Trump innerhalb weniger Tage einen Putsch gegen den „Schattenstaat“ verüben werde, im Zuge dessen Hillary Clinton und weitere bekannte Persönlichkeiten verhaftet werden sollten. Zum Putsch kam es nie. Würde es sich um eine wissenschaftliche Theorie handeln, wäre diese damit falsifiziert worden. Doch ist es auch möglich, eine Verschwörungstheorie zu falsifizieren? Schließlich beinhaltet die Natur einer Verschwörung, dass Akteure Informationen manipulieren könnten – auch potenzielle Gegenbeweise. So ist es durchaus denkbar, dass eine vermeintliche Falsifikation in die Theorie eingesponnen wird, ohne dass sie zum Mythos wird – bspw. wäre es naheliegend, nach Snowdens Enthüllungen scheinbare Gegenbeweise der NSA skeptisch zu betrachten. Im Falle des Putsches müsste QAnon aber erklären, wieso Trump sich dann doch spontan umentschieden hat. Das, was QAnon dann letztlich doch nur zum Mythos macht, ist nicht der Umgang mit der Falsifikation, sondern die Verletzung der Tugend, das Verhältnis von Beweiskraft und Schlussfolgerung zu wahren.

 

Notwendige Differenzierungen

 

Ebendiese Verhältnis-Tugend in der Praxis anzuwenden, stellt uns oft vor ein Dilemma: Viele brisante Themen erfordern schnelles Handeln, bevor handfeste Beweise vorliegen. Mitten im US-Wahlkampf erscheint der Druck hier gewaltig: Sollte mehr als ein Einzeltäter hinter dem Attentat stecken, könnte dies die Legitimität einer der Kandidaten untergraben.

Deswegen sollten wir Verschwörungstheorien im engeren Sinne ernst nehmen und kritisch prüfen – unabhängig davon, aus welcher politischen Richtung sie geäußert werden. Denn offene Fragen gibt es auf beiden Seiten: So wird das knappe Verfehlen des Schützen und Trumps Posieren für Fotos kurz nach dem Schuss als Indiz dafür gewertet, dass es sich um keine wirkliche Lebensgefahr handelte. Nach dieser Theorie war sein Blut nicht echt und das Attentat lediglich von ihm fingiert, um sich als Märtyrer zu inszenieren. Von republikanischer Seite wird gefragt, warum das Dach nicht überwacht wurde, einem vorigen Hinweis auf eine bewaffnete Person auf dem Dach nicht nachgegangen wurde und wieso der Schütze trotzdem innerhalb von Sekunden von Scharfschützen des Secret Service ausgeschaltet werden konnte. Dies wird als Indiz dafür gesehen, dass der Secret Service bereits vorher wusste, wo der Schütze sein würde, weil das Attentat von Joe Biden in Auftrag gegeben wurde, welcher angesichts einer drohenden Wahlniederlage seinen Konkurrenten aus dem Weg räumen wollte.

Beide Theorien haben viele Schwachstellen und ihre Anhänger sind selten wahre Theoretiker, da sie die Verhältnis-Tugend verletzen und mit politischen Statements um sich werfen, ehe ihre Annahmen geprüft wurden. Obwohl eine sauberere Ausarbeitung durch ihre Verfechter wünschenswert wäre, werfen diese Theorien dennoch wichtige Fragen auf, denen wir nachgehen sollten und sind immerhin konkret genug verfasst, um auf ihre Schwachstellen hin überprüft zu werden. Verschwörungsmythen, wie der „Schattenstaat“, sind hingegen so nebulös formuliert, dass sie sich jeder Überprüfung entziehen. Diese dürfen wir getrost als das behandeln, was sie sind: moderne Märchen, die komplexe Realitäten auf simple Gut-Böse-Dichotomien reduzieren. Eine solche Differenzierung würde den öffentlichen Diskurs entlasten. Sie würde es erlauben, kritisches Denken zu kultivieren und unorthodoxe Ideen zu würdigen, ohne gleich in den Verdacht der Wissenschaftsfeindlichkeit zu geraten. Gleichzeitig bliebe die Möglichkeit, wirklich irrationale und potenziell gefährliche Verschwörungsmythen klar als solche zu benennen. In Zeiten von Fake News und alternativen Fakten ist ein solch differenzierter Umgang mit Verschwörungsdenken wichtiger denn je.

Der Philosoph Karl Popper schrieb einst: „Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle.“ Ähnliches gilt für den Versuch, eine Welt ohne Verschwörungstheorien zu erschaffen. Er würde uns blind machen für reale Missstände und Machtmissbrauch. Stattdessen sollten wir lernen, besser mit Verschwörungstheorien umzugehen: Sie weder pauschal zu verdammen noch unkritisch zu akzeptieren, sondern als das zu behandeln, was sie sind – Theorien eben, die es zu prüfen gilt. •

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