Macht künstliche Intelligenz uns freier?
Nr. 72 - Oktober/November 2023
Unter Hochdruck wird daran gearbeitet, Maschinen das Denken beizubringen. Doch womit haben wir es tatsächlich zu tun, wenn wir von „künstlicher Intelligenz“ sprechen? Wie transformiert diese Technologie unser Begehren, die Arbeitswelt, den Krieg? Wo sind Gefahren zu bannen, wo Freiheiten zu entdecken?
Alle Texte in der Übersicht
Arena
Kulturelles Judo
In der Ukraine werden Sowjetdenkmäler umgewidmet und für den Kampf gegen Russland eingespannt.

Linke Orcas
Seit einiger Zeit attackieren Orcas Segelbote, zunächst an der Atlantikküste Spaniens und Portugals, seit Neuestem auch im Mittelmeer.

Handel macht zahm
„Wandel durch Handel“ gilt seit dem Ukrainekrieg als gescheitert. Dabei war das Konzept erfolgreich, wie die Beziehungen des Westens mit China zeigen.

Donatella Di Cesare: „Wir müssen Bürgerschaft als Fremdheit denken“
Die Europäische Union plant eine Asylreform, die für Donatella Di Cesare nicht nur ein Verrat an der europäischen Idee ist, sondern auch eine Fortführung der Blut-und-Boden-Ideologie. Die Philosophin fordert statt einer Politik nationalstaatlicher Souveränität ein neues Denken der Bürgerschaft. Über die Möglichkeiten einer solchen Veränderung sprachen wir mit ihr am Forschungsinstitut für Philosophie Hannover.

Die moralische Krise der Konservativen
Vermehrt wird jungen Menschen von konservativer Seite eine zu starke Moralisierung der politischen Debatte vorgeworfen. Das mag auf den ersten Blick verwirrend wirken, schien das Moralische doch lange Zeit ein Kernbestandteil des Konservativen zu sein. Doch hat diese Ablehnung gar viel tiefere Wurzeln, als es scheint?

Was heißt hier Struktur?
Wenn in Debatten von „Struktur“ die Rede ist, stehen sich zwei Lager gegenüber: Die einen sprechen von „struktureller Benachteiligung“ bestimmter Gruppen und fordern Gegenmaßnahmen. Die anderen halten „Struktur“ für ein leeres oder gar gefährliches Konzept, weil es Menschen ihrer Handlungsmacht beraubt. Doch um gut zu streiten, müssen wir erst einmal wissen, worüber wir eigentlich reden, wenn wir von „Struktur“ sprechen. Eine Aufklärung.

Die Macht der Destruktion
Jüngst taufte Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter, den er 2022 erwarb, in „X“ um. In diesem neuen Namen zeigt sich die zerstörerische Logik des Besitztums selbst, meint unsere Kolumnistin Eva von Redecker.

Leben
Bewerbung mit dem Mittelfinger
Aus Frust über ihren Arbeitsplatz bewerben sich derzeit viele Menschen wahllos auf andere Stellen. Ein Deutungsversuch mit Niklas Luhmann.

Wand aus Windeln
Windeln haben ein typisches Zivilisationsproblem: Erfunden, um die Natur des Kindes einzuhegen und Komfort und Sauberkeit im Alltag zu erhöhen, kehren sie als verdrängter Unrat an anderer Stelle wieder.

Annie Ernaux: „Die Abhängigkeit des Begehrens ist mit dem Akt des Schreibens unvereinbar“
Im literarischen Schaffen von Annie Ernaux geht es immer wieder um ihren Hang, sich sexuell zu unterwerfen. Wie ist diese Dynamik zu begreifen, aus der sie nur ihre Arbeit zu befreien vermag? Ein Gespräch mit der französischen Literaturnobelpreisträgerin über weibliche Lust im Kraftfeld männlicher Macht.

Warum empfinden wir Sehnsucht?
Das schmerzliche Verlangen zieht uns zu Vergangenem oder Unerreichbarem. Aber warum tun wir uns die Qual überhaupt an? Drei Positionen.

Die Sache mit dem Bügeln
Egal wie sorgfältig man bügelt: Eine Falte bleibt immer. Doch womöglich kündet gerade sie vom gelungenen Leben zwischen vollkommener Glätte und zerknittertem Dasein.

Dossier: Macht künstliche Intelligenz uns freier?
Das neue Feuer
Künstliche Intelligenz ruft oft zwei grundsätzlich unterschiedliche Reaktionen hervor: Euphorie ob all der utopischen Möglichkeiten. Oder Schwarzmalerei und das prophezeite Ende der Menschheit. Philosophisch besehen lässt sich allerdings ein differenzierteres Bild zeichnen.

Meghan O’Gieblyn: „KI ist unser kollektives Unbewusstes“
Künstliche Intelligenz boomt und stellt unser Selbstverständnis als Krone der Schöpfung infrage: Wird sie uns eines Tages übertreffen? Die Macht übernehmen? Oder die Welt wiederverzaubern? Ein Gespräch mit der amerikanischen Essayistin Meghan O’Gieblyn über KI-Freundschaft, Tech-Animismus und die Syntax des Tiefsinns.

Küss mich, KI!
Der Fortschritt der Technik lässt unsere Beziehungen nicht unberührt: Sexroboter offerieren neue Formen der Befriedigung, Chatbots versprechen emotionale Nähe, quasi auf Knopfdruck. Kann die KI uns dadurch bieten, was wir sonst so schmerzlich vermissen – etwas mehr Leichtigkeit bei der Suche nach Intimität?

Das Ende der Mühsal?
Künstliche Intelligenz steigert alte Ängste: Uns geht die Arbeit aus! Die Maschinen werden uns beherrschen! Dabei liegt in der technischen Entwicklung eine Chance, die schon Karl Marx formulierte. Um sie zu nutzen, müssten wir die Gesellschaft neu denken. Ein Essay von Richard David Precht.

Intelligent töten?
Der mögliche Einsatz künstlicher Intelligenz zur Identifikation von Zielen in Gaza wird derzeit kontrovers diskutiert. Klar ist, dass ähnliche Systeme immer häufiger Teil militärischer Praxis sind. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten?

Klassiker
Jean Améry und die Tortur
Als Folteropfer und Auschwitz-Überlebender zeigt uns Jean Améry, wie Ausgrenzung und Gewalt die Überwältigten versehren. In seiner Phänomenologie der Opfer-Existenz beschreibt er die elementare Wahrnehmungserfahrung eines gequälten Leibes. Wer gefoltert wurde, bleibt gefoltert. Und doch muss der Gemarterte die Möglichkeit ergreifen, als freies Subjekt in die Zukunft aufzubrechen.

Salon
Singen in Zungen
Das neue Album French Kiss von Chilly Gonzales ist eine Hommage an das vermutlich vielseitigste Organ des Menschen.

Zeit und Raum im Miniaturformat
Zum 75. Geburtstag widmet die Neue Nationalgalerie der deutschen Ikone zeitgenössischer Skulptur Isa Genzken eine Sonderausstellung, die den Blick auf den Alltag durch Verzerrung schärft.

Die Stille nach dem Schmerz
Seit dem Jahr 2000 sind in den USA durch die Opioid-Krise so viele Menschen gestorben, wie Amerikaner im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Die Serie Painkiller schildert den Anfang dieser Tragödie.

Philosophie ist ein Verb
Der englischsprachige Podcast In Our Time: Philosophy der BBC zeigt, dass gute Philosophie immer Philosophieren ist.

Bücher
„Die Zeit, um glücklich zu sein, ist jetzt“
Die Britin Sarah Bakewell hat eine unterhaltsam-kenntnisreiche Geschichte des Humanismus geschrieben, die einlädt, über die Ideale der Gegenwart nachzudenken.

Lasst alle Glieder sprechen!
Vier neue Bücher nehmen die vermeintliche Natürlichkeit des Körpers unter die Lupe und erzählen von seinem gesellschaftlichen Werdegang. Eine Reise durch die Kulturgeschichte der Körperteile.

Ist der Liberalismus noch zu retten?
Raymond Geuss, Michael J. Sandel und Elif Özmen blicken aus unterschiedlichen Perspektiven auf eine philosophisch-politische Strömung, die eine spannungsreiche, viel kritisierte Geschichte hinter sich hat.

Finale
Phil.Kids (06/23)
Kleine Menschen wissen oft mehr als große. Wir fragen, Kinder antworten.
