Darf ich die Sonnenliege reservieren?
Es gilt als Unsitte: Das frühmorgendliche Losstürmen zum Pool oder Strand, um sich die besten Sonnenliegenplätze mit einem Badetuch zu sichern. Hier drei philosophische Bewertungen.
„Ja, das Handtuch ist Sinnbild der Marktlogik“
Friedrich August von Hayek
1899–1992
Marxisten mögen glauben, das Hotel könnte die Bereitstellung der Liegen und die Vorlieben der Gäste koordinieren. Die zentrale Planung erfolgte dann in der Kommandozentrale an der Rezeption. Doch effizient ist das nicht. Die ideale Abstimmung findet Hayek zufolge auf dem freien Markt statt, in den „viel mehr Wissen von Tatsachen eingeht, als (…) selbst irgendeine Organisation wissen kann“. Der Wettbewerb um die besten Plätze spornt überdies an, abends nicht zu tief ins Glas zu schauen, um morgens beizeiten reservieren zu können. So erkennt das Hotel auch, welche Plätze besonders beliebt sind, und kann während des Frühstücks noch mal umstellen oder zusätzliche Liegen anbieten. Unerfreulich ist nur, wenn die „behandtuchte“ Liege vor dem Frühstück noch Abgeschiedenheit versprach, nun jedoch umzingelt wird von Nachbarliegen.
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Was zieht uns an den Strand?
Jetzt, da wieder gereist und geurlaubt werden darf, stellt sich eine Frage ganz besonders: Was ist es eigentlich, das den Strand zu einem Sehnsuchtsort macht? Thales von Milet, Immanuel Kant und Albert Camus geben Antworten.

Gibt es einen guten Tod?
Es ist stockdunkel und absolut still. Ich liege auf dem Rücken, meine gefalteten Hände ruhen auf meinem Bauch. Wie zum Beweis, dass ich noch lebe, bewege ich den kleinen Finger, hebe ein Knie, zwinkere mit den Augen. Und doch werde ich, daran besteht nicht der geringste Zweifel, eines Tages sterben und wahrscheinlich genauso, wie ich jetzt daliege, in einem Sarg ruhen … So oder so ähnlich war das damals, als ich ungefähr zehn Jahre alt war und mir vor dem Einschlafen mit einem Kribbeln in der Magengegend vorzustellen versuchte, tot zu sein. Heute, drei Jahrzehnte später, ist der Gedanke an das Ende für mich weitaus dringlicher. Ich bin 40 Jahre alt, ungefähr die Hälfte meines Lebens ist vorbei. In diesem Jahr starben zwei Menschen aus meinem nahen Umfeld, die kaum älter waren als ich. Wie aber soll ich mit dem Faktum der Endlichkeit umgehen? Wie existieren, wenn alles auf den Tod hinausläuft und wir nicht wissen können, wann er uns ereilt? Ist eine Versöhnung mit dem unausweichlichen Ende überhaupt möglich – und wenn ja, auf welche Weise?

Und woran zweifelst du?
Wahrscheinlich geht es Ihnen derzeit ähnlich. Fast täglich muss ich mir aufs Neue eingestehen, wie viel Falsches ich die letzten Jahre für wahr und absolut unumstößlich gehalten habe. Und wie zweifelhaft mir deshalb nun alle Annahmen geworden sind, die auf diesem Fundament aufbauten. Niemand, dessen Urteilskraft ich traute, hat den Brexit ernsthaft für möglich gehalten. Niemand die Wahl Donald Trumps. Und hätte mir ein kundiger Freund vor nur zwei Jahren prophezeit, dass im Frühjahr 2017 der Fortbestand der USA als liberaler Rechtsstaat ebenso ernsthaft infrage steht wie die Zukunft der EU, ich hätte ihn als unheilbaren Apokalyptiker belächelt. Auf die Frage, woran ich derzeit am meisten zweifle, vermag ich deshalb nur eine ehrliche Antwort zu geben: Ich zweifle an mir selbst. Nicht zuletzt frage ich mich, ob die wundersam stabile Weltordnung, in der ich als Westeuropäer meine gesamte bisherige Lebenszeit verbringen durfte, sich nicht nur als kurze Traumepisode erweisen könnte, aus der wir nun alle gemeinsam schmerzhaft erwachen müssen. Es sind Zweifel, die mich tief verunsichern. Nur allzu gern wüsste ich sie durch eindeutige Fakten, klärende Methoden oder auch nur glaubhafte Verheißungen zu befrieden.
Otfried Höffe: „Ich darf hoffen, wenn ich tue, was ich soll“
Der Philosoph Otfried Höffe wurde am 12. September 1923 80 Jahre alt. Wir gratulieren herzlich und veröffentlichen ein Gespräch aus unserem Archiv, in dem der renommierte Ethiker, Kant- und Aristoteles-Experte erklärt, was Kant genau meinte, als er fragte: „Was darf ich hoffen?“

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Unsere Existenz ist meist ausgerichtet: Es gilt, sich anzustrengen, ein Ziel zu verfolgen, einen Erfolg einzufahren. Doch das, so Michael Hampe, führt in die geistige Enge und lässt die Wahrnehmung verarmen. Wie lässt sich ein Leben jenseits von Zwecksetzungen vorstellen? Und was wird aus der Moral, wenn wir uns von Bewertungen verabschieden?

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