Die Kunst, immer Recht zu behalten: Kniff Nr. 4
Hitzige Debatten am Familientisch sind zu Weihnachten keine Seltenheit. Was es da braucht, ist argumentatives Geschick. Die Kunst ist schließlich, nicht nur Recht zu haben, sondern die anderen auch davon zu überzeugen. Unser Adventskalender hält 24 Kniffe bereit, die schon die großen Denker für sich nutzten. Heute: Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Reichen.
Das Verfahren
Sie möchten Ihren Gesprächspartner davon überzeugen, dass es sich bei einem großen Literaten stets um einen Schriftsteller handelt, der mehrere Bücher pro Jahr schreibt, mithin um jemanden, dessen ungewöhnliches Genie zu einem niemals versiegenden Wort- und Geldfluss führt.
Der Beweis: James Patterson, reichster Autor der Welt, veröffentlich jedes Jahr acht oder neun Krimis! Oder untermauern Sie Ihre These mit der Autorität Ihrer Eltern, die stets mildes Missfallen an Ihren mangelhaften Ambitionen ausdrücken: „Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder. Er hat die richtigen Entscheidungen getroffen. Deswegen verdient er auch fünfmal so viel wie du.“ Damit werden Sie sehr gut durchkommen, denn in unserer nutzenorientierten Gesellschaft hat der Erfolg immer recht, vor allem der finanzielle. „Argumentum ad crumenam“ nennt sich diese kostbare verbale Strategie. Das Geheimnis des damit ganz sicher erzielten rhetorischen Erfolgs: Derjenige, der bestreitet, dass der Reiche im Recht ist, stellt sich selbst als verbitterten Neidhammel bloß.
Die Abwehr
Schwierig – aber möglich. So können Sie Herman Melville als Gegenbeispiel anführen. Er war zwar produktiv, blieb jedoch arm. Wegen seines Romans „Moby Dick“ wurde er posthum gefeiert. Anderen genügte zu Lebzeiten ein einziges Buch, um reich und berühmt zu werden – die Schriftstellerin Harper Lee etwa, die 1961 für „Wer die Nachtigall stört“ den Pulitzer-Preis erhielt. Außerdem sollten Sie aussprechen, was viele nicht ahnen: Hinter jedem Bestseller steht immer auch ein ausgeklügeltes, multimediales Marketing! Spätestens jetzt müsste Ihr Widersacher sich geschlagen geben. Denn jedem ist klar, dass in unseren heutigen Demokratien nicht die tatsächlich Besten gewählt werden, sondern jene, die von den „Medienlobbyisten“ zu den Besten ernannt worden sind.
Damit hätten Sie das vermeintlich objektive Geld-gibt-recht-Argument als selbstgerechte Finte enttarnt, denn wie bereits Tocqueville sagte: „Die Welt wird von der öffentlichen Meinung gelenkt.“•
übersetzt von Marianna Lieder
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