Richard David Precht: „Die Logik des Krieges führt zu keinem positiven Ende“
Woran sollte sich in Zeiten der Kriege und Konflikte unsere Außenpolitik orientieren? An Werten, meint Richard David Precht. Doch gelte es, diese pragmatisch zu priorisieren – und zu tolerieren, dass nicht alle Länder liberale Demokratien sein wollen.
Herr Precht, wer für Toleranz einsteht, der fordert meist die Gleichberechtigung von Minderheiten innerhalb der eigenen Gesellschaft. Sie aber verbinden den Begriff nicht mit der Innen- und Sozialpolitik, sondern mit der Außenpolitik. Wie geht das zusammen?
Der Toleranzbegriff meint hier: Wir müssen tolerieren, dass im 21. Jahrhundert auch andere Gesellschaftsformen existieren als die liberale Demokratie. Sie ist nicht, wie früher gedacht, in dem Sinne überlegen, dass sie sich flächendeckend ausbreitet. In den 1990er-Jahren hatten wir diese Illusion noch: Das 21. Jahrhundert werde das Jahrhundert der Demokratien. Das hat sich nicht bewahrheitet und wir müssen uns fragen: Wie gehen wir damit um?
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
Richard David Precht: „Sind alle Fragen beantwortet, ist die Philosophie am Ende“
Von Henri Bergson bis Ludwig Wittgenstein: Im aktuellen Band seiner Philosophiegeschichte führt Richard David Precht durch das intellektuelle Trümmerfeld des frühen 20. Jahrhunderts. Im Interview spricht er über die Unmittelbarkeit des Lebens, philosophische Selbstvermarktung und die Faszination des Banalen.

Richard David Precht: „Man tut den Menschen keinen Gefallen, wenn man ihnen die Pflicht nimmt“
Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird durch die Corona-Pandemie zusätzlich befeuert. Viele Jobs werden zukünftig überflüssig, Künstliche Intelligenz ersetzt den Menschen. Im Interview spricht der Philosoph Richard David Precht über die Ambivalenz dieser Entwicklung - und die große Herausforderung, Sinn auch jenseits der Arbeit zu finden. Sein Buch „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“ (2020) ist bei Goldmann erschienen.

Was ist die Aufgabe der Philosophie, Herr Precht?
Am 2. September vor 10 Jahren startete die Fernsehsendung Precht. Ein Gespräch mit Richard David Precht über das Verhältnis von Philosophie, Öffentlichkeit und Politik.

Kritik des Krieges
Bellizisten und Pazifisten ist eines gemeinsam: Sie urteilen über den Krieg und instrumentalisieren ihn für ihre Zwecke. Damit aber wird die wahrhaft unheimliche Macht des Krieges verkannt, die in Wahrheit uns beherrscht und nicht umgekehrt. Nur wenn wir lernen, über diese Eigendynamik des Krieges zu sprechen, ist Befreiung möglich.

Zwischen Krise und Erneuerung – Die liberale Demokratie am Scheideweg
Nach dem Ende des Kalten Krieges schien die liberale Demokratie siegreich, doch heute wird sie von innen und außen bedroht: durch Rechtspopulismus, Islamismus, Russland und China. Um zu überleben, muss sie sich erneuern, ihre Widersprüche auflösen und sozial gerechter werden – sonst droht ihr Ende. Ein Essay von Christoph David Piorkowski.

Was ist feministische Außenpolitik, Frau Ruppert?
Seit Außenministerin Baerbock ihren Kurs als „feministische Außenpolitik“ bezeichnet hat, ist der Begriff in aller Munde. Die Politikwissenschaftlerin Uta Ruppert erläutert, worum es bei diesem Konzept in Wahrheit gehen sollte: nämlich um die Aushebelung einer patriarchalen Logik, die gerade im Krieg am Werk ist.

Das Ende der Mühsal?
Künstliche Intelligenz steigert alte Ängste: Uns geht die Arbeit aus! Die Maschinen werden uns beherrschen! Dabei liegt in der technischen Entwicklung eine Chance, die schon Karl Marx formulierte. Um sie zu nutzen, müssten wir die Gesellschaft neu denken. Ein Essay von Richard David Precht.

Warum machen wir nicht mehr aus unserer Freiheit?
Wir sind so frei wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Und doch fühlen wir uns oft gefangen, erdrückt von Anforderungen, getrieben durch inneren Leistungszwang. Was wäre das für ein Dasein, könnten wir es auskosten. Den Augenblick genießen, anstatt ihn zu verpassen. Aus schalen Routinen ausbrechen, weniger arbeiten, Neues wagen – im Zweifelsfall auch gegen gesellschaftlichen Widerstand. Mehr Muße, mehr Lebendigkeit, mehr Spontaneität: Warum packen wir Kairos nicht beim Schopfe, wagen den entscheidenden Schritt? Sind wir zu feige? Zu vernünftig? Zu faul? Christoph Butterwegge, Claus Dierksmeier, Nils Markwardt, Robert Pfaller, Richard David Precht und Nina Verheyen über Wege in eine freiere Existenz.
Kommentare
Es ist einfach nur noch peinlich, dass Herr Precht weiterhin als Philosoph angepriesen wird. Seine Flut von Büchern, Texten und Meinungsäusserungen zu jedem medienwirksamen Thema kann höchstens als boulevardistische Unterhaltung betrachtet werden. Sie können weder mittelmässigen literarischen geschweige noch philosophischen Anforderungen genügen. Auch die Antworten in diesem Interview befassen sich lediglich mit dem Erhalt seiner privilegierten Lebenshaltung, bieten jedoch keinen gedanklichen Ansatz für die Lösung der globalen Herausforderungen. Sie enthalten weder einen kreativen noch initiativen Gedankenansatz für unseren Planeten und das Leben darauf in der nahen oder fernen Zukunft. Er kreiert sinn- und substanzentleerte Worthülsen, umwickelt mit pseudophilosophischem Blabla. Sein Verständnis seiner pragmatischen Wertehaltung, offenbart lediglich seine fehlende Empathie hinsichtlich einer universellen Philosophie, zeigt jedoch seine egozentrisch-narzistisch gefärbte Lebenseinstellung. Er missbraucht die Philosophie für eine Zelebrierung seines bezahlten clownesken Auftrittes in einer Zirkusmanage.
Schade für das philosophieMagazin, weil es in der Tat Philosophinnen und Philosophen gibt, die etwas zu sagen hätten.
Die Position von Herrn Kollegen Precht kann man natürlich haben, auch wenn ich sie nicht teile und sie - leider - für sehr gefährlich halte. Sie entspricht aus meiner Sicht eher "wishful thinking" als einer nüchternen Analyse der Fakten, die sich leider so darstellen, dass sich ein Diktator durch eine nachgiebige Position zu weiteren Gebietseroberungen ermutigt sieht und dadurch schon unsere offene westliche Gesellschaft bedroht.
Problematisch aber wird es, wenn Herr Precht fundamentale philosophische und erkenntnistheoretische Grundsätze missachtet.
So ist die erste Pflicht eines Philosophen, von dem auszugehen, was da ist. Da ist leider, dass wir es mit einem perversen Diktator zu tun haben, der einzig und alleine die Sprache der Macht versteht und erst dann verhandelt, wenn er für sich keine Chance mehr sieht. Solchen Leuten kann man nur mit Stärke kommen, auch wenn das mir, der ich aus der Friedensbewegung komme, sehr schwer fällt zu sagen. Precht geht also von falschen Voraussetzungen aus, wenn er für Verhandlungen mit diesem Diktator ist. Die Tatsachen zu erkennen, ist aber die Grundlage allen Philosphierens.
Schwerer noch wiegt die These, man solle Ukraine keine Waffen liefern, weil die Ukraine ja ohnehin nicht gewinnen wird. Precht sieht also die Tatsache, dass die Ukraine nicht gewinnen wird als gesetzt. Da wird einem aus erkenntnistheoretischer Sicht nun wirklich schwindlig. Man darf Entwicklungen, die in der Zukunft liegen und daher noch nicht sicher sind, nicht einfach als feststehende Tatsache behandeln. Das ist eine grobe Vermischung verschiedener Erkenntniskategorien.
Aber vielleicht braucht Precht ja diesen Taschenspielertrick, um anschließend ungestraft (natürlich nur philosophisch ungestraft ;)) behaupten zu können, man solle keine Waffen liefern, weil es bringt ja eh nix.
Denn die Wahrheit ist ja eine völlig andere: Es wäre kein Problem für die Ukraine, zu gewinnen, wenn sie denn nur genügend Waffen bekäme. Genau dagegen sind aber Personen wie Precht, Wagenknecht und die AfD. Bei den beiden Letztgenannten erwartet man ohnehin keine seriös untermauerten Argumente. Bei Precht, den ich abgesehen von dieser Thematik sehr schätze, erwarte ich es aber schon und bin da doch sehr enttäuscht, denn was tut denn Herr Precht genau, wenn er argumentiert, man solle der Ukraine keine Waffen liefern, da sie ohnehin nicht gewinnen kann? Er schafft damit ja gerade die Voraussetzungen dafür, dass die Ukraine nicht gewinnen kann. MaW: Ein Ergebnis (die angeblich zwingend notwendige Niederlage der Ukraine), das ich selber auch anders (im Sinne eines Sieges der Ukraine) beeinflussen kann, als objektiv so feststehend zu behaupten, ist eine widersprüchliche Argumentation. Der Jurist würde dazu auch eine unzulässige petitio principii sagen. Man kann es auch eine hinterhältige Argumentation nennen.
So weit mal meine philosophischen Einwände.
Rein praktisch werden viele Millionen Ukrainer mit Tod, Folterungen, ethnischen Säuberungen, Vergewaltigungen und Unterwerfung den Preis für Prechts Gedankengänge zahlen. Das kann nicht ernsthaft das Ergebnis eines Philosophs sein, dessen höchster Wert die Freiheit ist. Hier wird die Verirrung vollends offensichtlich.
Das waren harte Worte, aber( hoffentlich) nicht beleidigend. So sollten wir argumentieren. So schätze ich auch dieses Magazin und freue mich trotz allem schon auf den nächsten Lanz-Precht podcast.
Tatsächlich schätze ich den Precht, schon wg. seiner stilistisch gut geratenen und auch leserfreundlichen 4 Bde. " Geschichte der Philosophie". In diesem Interview (vermutlich auch aus Platzgründen) bleibt aber Vieles im Ungefähren. Wenn "Werte" und "pragmatisch" weder theoretisch - abstrakt noch anhand von Beispielen trennscharf geklärt werden, wenn dann auch der Begriff der l i b e r a l e n Demokratie nicht von Demokratie unterschieden wird ( Philip Manow), kann das Interview nicht gelingen.
Die Auffassung von Herrn Precht kann man haben und sie wird ja auch von der ganz großen Mehrheit der linken Ideologen so vertreten. Ich halte sie allerdings für gefährlich, da sie keine realpolitische Option ist, sondern – so bitter es ist - eher wishful thinking. Letztlich stellt eine solche konziliante Haltung gegenüber Putin, wie Herr Precht es will, nichts anderes als eine Einladung an diesen Herrn dar, weitere osteuropäische Länder zu überfallen (was ja sein erklärtes Ziel ist). Man erreicht dadurch also gerade keinen Frieden, sondern nur weitere Kriege.
Und das sagt mit mir jemand, der damals zusammen mit Precht im Bonner Hofgarten gegen die Nachrüstung demonstrierte. Alle wir Friedensaktivisten mussten uns eines Besseren belehren lassen: Die atomare Abschreckung war – so paradox und auch ernüchternd das klingt - ein reales Friedensprojekt, da sie über 40 Jahre Russland von einem Angriff auf den Westen abschreckte. Da das damalige Russland verglichen mit dem heutigen Terror-Regime Putins eine wahre Friedenstaube war, gilt was im Kalten Krieg funktionierte natürlich jetzt erst recht: Putin versteht nur die Sprache der Macht. Aber O.K. Precht sieht das immer noch so wie früher. Sein gutes Recht, auch wenn die Geschichte uns mehrfach das Gegenteil lehrte: Wie wurde nochmals Hitler gestoppt? Mit gutem Zureden und Verhandlungen meines Wissens nicht. Soviel zur politischen Einschätzung.
Erstaunlich auch für jemanden, der (richtigerweise) so viel Wert auf das Selbstbestimmungsrecht der Menschen und Völker legt, wie er im Fall der Ukraine paternalistisch wie eine verknöchterte Nonne den moralischen Zeigefinger hebt. Zwar will die ganze Ukraine nichts anderes als von diesem irren Despoten verschont zu bleiben und riskiert dafür bewusst großes Leid und viele Tote. Precht aber wischt das vom Tisch und weiß, was besser für sie ist: Lieber kapitulieren und sich von Putin abschlachten lassen. So wird das Leiden der Menschen gemindert. Was Precht dabei geflissentlich ignoriert ist das Leid, in einem Terrorstaat leben zu müssen. Er muss es ja nicht ausbaden.
Was mich aber nun wirklich enttäuscht, sind die vielen methodischen Fehler, Inkonsistenzen und Widersprüche in seiner Argumentation. Von einem, der den Anspruch vor sich herträgt, die Welt kühl zu analysieren und stringente Argumentationen aufzubauen, erwarte ich mehr. Im Einzelnen:
Die erste Pflicht bei der Betrachtung der Welt ist, sie – ganz empiristisch - so zu sehen wie ist und nicht so wie man sie gerne (für seine Argumentation) hätte. Mit anderen Worten müssen also die Fakten stimmen, auf die man seine Argumente aufbaut. Und es ist Fakt - wer das leugnet arbeitet mit fake-news - dass Putin die alte sowjetische Ordnung wieder herstellen will, hierzu in brutalster Weise vorgeht und nur die Sprache der Gewalt auf der anderen Seite versteht. Bei so einer Terror-Clique noch mit Verhandlungen zu kommen ist eine komplette Ignorierung von Fakten. Von der AfD und Frau Wagenknecht erwarte ich ohnehin keine seriöse Argumentation. Von Herrn Precht schon. Schade, dass er sich hier ausgerechnet mit diesen beiden Akteuren und Feinden unserer offenen Gesellschaft gemein macht.
Die weitere Pflicht eines Philosophen ist, die Konsequenzen seiner Position zu bedenken, und zwar natürlich primär aus der Sicht seines eigenen Wertesystems. Und da nehme ich mal an, dass für Herrn Precht wie für mich auch die Freiheit als höchster Wert fungiert. Ein Kuschelkurs mit Putin, wie ihn in letzter Konsequenz Precht insinuiert – ich weiß harter Tobak, aber darauf läuft es hinaus – führt dazu, dass die Ukraine ihre Freiheit komplett verliert, inklusive Massenmorde, Massaker, Massenvergewaltigungen, viele Tote und ein weiteres Trauma, ausgerechnet von uns Deutschen mitproduziert, die wir ja schon einmal in der Ukraine ruhmreich tätig waren. Kurzum: Eine Position, die am Schluss zu einer kompletten Abschaffung unserer höchsten Werte führt, kann philosophisch nicht richtig sein.
Ein weiterer Punkt: Während Precht auf der einen Seite – siehe oben – Fakten nicht zur Kenntnis nimmt, stellt er auf der anderen Seite Dinge als Fakten dar, die keine sind: ein fundamentaler Kategorienfehler. Konkret stellt er eine Niederlage der Ukraine als Faktum dar (und baut darauf seine Argumentation auf, dass es dann eh sinnlos sei, die Ukraine zu unterstützen). Ein Ereignis in der Zukunft kann aber niemals ein Faktum sein. Das lernt man eigentlich im 1. Semester Philosophie. Wir wissen nicht, ob die Ukraine gewinnen wird oder nicht. Aber es passt halt bei der Argumentation so gut in den Kram.
Und daher wohl bei demselben Punkt noch ein weiterer Taschenspielertrick: Precht lehnt sich also zurück und sagt: Es steht eh fest, dass die Ukraine nicht gewinnen wird. Er tut also so, als ob dies eine objektive, von Niemandem mehr beeinflussbare Entwicklung sei. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Die Ukraine könnte locker gewinnen und vor Putins Terrorregime bewahrt werden, wenn sie nur genügend Unterstützung von uns bekäme. Genau dagegen ist aber Precht. Precht sabotiert also bewusst einen Sieg der Ukraine, um dann behaupten zu können: Die gewinnen ja sowieso nicht. Warum also dann unterstützen? Das ist nun wirklich eine hinterhältige Argumentation.
Seisdrum: Höre mir trotzdem gerne weiter den Precht/Lanz Podcast an, weil ich mal abgesehen von der Ukraine-Verirrung Prechts Philosophieren über die Welt nach wie vor als sehr bereichernd empfinde.
Kölle Alaaf nach Wuppertal!