Die Stoiker – Wege zur Gelassenheit
Sonderausgabe 18 - 2021Die Stoa gehört zu den faszinierendsten und wirkmächtigsten philosophischen Schulen der Antike; zu allen Zeiten hat sich die europäische Philosophie an ihren Lehren abgearbeitet, vom Ideal der Emotionskontrolle bis hin zur Frage nach einem möglichen Rückzug aus einer chaotischen Welt. Auch heute gilt: Angesichts von politischen Kämpfen um Gerechtigkeit, Empörungsspiralen in den sozialen Netzwerken, Ohnmachtsgefühlen angesichts globalisierter Machtverhältnisse und Krisensymptomen in den westlichen Demokratien, sind die stoischen Grundfragen aktueller denn je: Wie können und müssen wir uns politisch engagieren? Was ist moralisch relevant, worüber sollten wir uns empören, und wo gelassen bleiben? Und schließlich: Was steht überhaupt in unserer Macht, wo können wir wirksam werden – und wo müssen wir uns in Geduld und Gelassenheit üben?
Lebenskunst
Wie können uns die Stoiker heute helfen, mit einer Pandemie oder mit starken Emotionen wie Zorn umzugehen? Der Philosoph und Bestseller-Autor Wilhelm Schmid schließt in seinen Büchern eng an die Weisheit der Stoiker an, an ihre Ideen von Gelassenheit, Glück und Lebenskunst. Im Interview spricht er über die schwierige Balance zwischen Gefühlskontrolle und Gefühlskälte – und darüber, was es heißt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Sorge um sich
Die Arbeit am Selbst gehört zum Kern der stoischen Ethik. Zentral dafür ist der Umgang mit den eigenen Emotionen. Vielfach ist die stoische Emotionstheorie mit ihrem Ideal der Gefühlskontrolle als allzu hart kritisiert worden. Dass sie allerdings bis heute gültige Einsichten bietet, ist die Überzeugung der amerikanischen Philosophin Martha Nussbaum, die sich in ihren einflussreichen ethischen Werken auf die stoische Auffassung der Emotionen als Urteile beruft.
Sorge um andere
Die stoische Fokussierung auf innere Tugenden und individuelle Autonomie lässt die Frage aufkommen, ob der Stoizismus nicht im Kern ein egoistisches, in sich gekehrtes Unterfangen ist. Der Schweizer Philosoph Andreas Urs Sommer sieht das anders, für ihn geht mit mit dem stoischen Ideal der Verantwortung für sich selbst auch eine Verpflichtung zur Gestaltung des politischen Raumes einher.
Sorge um die Welt
Die stoische Philosophie ist als Gesamtsystem angelegt: Der Kosmos ist insgesamt vernünftig und wir Menschen sind Vernunftwesen, die im Einklang mit der vernünftigen Natur leben sollten. Auch die stoische Idee des Kosmopolitismus fügt sich in diese Grundüberzeugung, wie die in New York lehrende Philosophin Katja Maria Vogt erklärt: alle Menschen stehen de facto mit einander und mit dem Kosmos als Ganzem in Verbindung. Und tragen Verantwortung für die Welt.
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Lebenskunst
Wilhelm Schmid: „Wir gehen durchs Leben wie Betrunkene und fallen mal links, mal rechts in den Straßengraben“
Die Stoa erlebt ein Revival. Wilhelm Schmid erklärt, was wir von deren großen Themen – Lebenskunst, Gelassenheit, Gefühlskontrolle – lernen können. Und warum es wichtig ist, die stoische Philosophie unserer heutigen Lebenswelt anzupassen.

Der Lehrer des Despoten
Seneca war ein lebendes Paradox: Als Senator strebte er nach Ehre und Prunk, rief als Stoiker hingegen dazu auf, sich von materiellen Gütern freizumachen. Und doch wurde er von Diderot als „Erzieher der Menschheit“ bezeichnet.

Sorge um sich
Kühle Gefühle
Der stoische Idealzustand ist die Apathie, also die Emotionslosigkeit. Um diesen zu erreichen, beschäftigen sich die Stoiker allerdings geradezu exzessiv mit Emotionen. Und greifen zu allerhand definitorischen Tricks.

Marion Bourbon: „Die Suche nach unserem Innersten bringt keineswegs Ruhe“
Sowohl im Stoizismus als auch in der kognitiven Verhaltenstherapie geht es in erster Linie um die Arbeit am Selbst. Doch was ist dieses Selbst und wie können wir lernen, zwischen falschen Vorstellungen und unserer ureigenen Subjektivität zu unterscheiden?

Herzrasen ist auch Kopfsache
Martha Nussbaum präsentiert eine Alternative zu der Idee, dass Emotionen rein animalische, irrationale Energien sind. Gemäß einer neustoischen Lesart stellt sie Emotionen als Urteile in den Mittelpunkt ihrer Moralphilosophie

Malin Grahn-Wilder: „Das Bild des harten, strengen Philosophen ist einseitig“
Stoizismus wird oft mit Emotionslosigkeit und Härte in Verbindung gebracht, also heutzutage in unserer Kultur tendenziell männlich konnotierten Eigenschaften. Dennoch oder gerade deswegen lohnt es sich, das Verständnis von Geschlecht der Stoiker genauer unter die Lupe zu nehmen.

Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite
Ob die Jedi-Ritter im Star Wars-Universum Stoiker, Taoisten oder gar Samurai sind, ist ein in der Forschung heiß umstrittenes Thema. Doch es gibt einiges, was für die stoische Seite der Jedi spricht.

Epiktet: Ein freier Sklave
Epiktet wurde als freigelassener phrygischer Sklave zum Stoiker. Sein besonderer Lebensweg schlägt sich in seinem Werk nieder. Der aufrührerische Denker und einzigartige Pädagoge betonte immer wieder die innere Freiheit gegenüber widrigen Umständen.

Sorge um andere
Christoph Halbig: „Worauf es wirklich ankommt, liegt in unserer Hand“
Was moralisch relevant ist und was nicht, ist für die Stoiker eine zentrale Frage. In der extremsten Form ist es nur die je eigene Tugend, die überhaupt Bedeutung hat. Eine Haltung, die heutzutage schwer nachvollziehbar, jedoch lohnend ist, erläutert der Philosoph Christoph Halbig im Interview.

Andreas Urs Sommer: „Selbstverantwortung heißt immer auch Weltverantwortung“
Für viele bietet die Philosophie der Stoa einen Rückzugsort vor den Wirrnissen der äußeren Welt, ja gar eine Anleitung zum Bau der inneren Festung. Doch sie kann uns auch dabei helfen, unsere Umwelt zu gestalten. Ihre Stärke liegt gerade in ihrer Vielfältigkeit, so der Philosoph Andreas Urs Sommer

Nancy Sherman: „Eine Rüstung, die befreit“
Die stoische Philosophie kann Soldaten helfen, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Die US-Philosophin Nancy Sherman erklärt im Interview, warum sie darüber hinaus auch dazu dienen kann, mit Schuldgefühlen umzugehen und innere Stärke als Ergebnis sozialer Bindungen zu begreifen.

Mit Epiktet in der Folterkammer
Im Jahr 1965 wird James Stockdale, ein Kampfpilot der US-Marine, über Nordvietnam abgeschossen. Siebeneinhalb Jahre verbringt er in der „Welt Epiktets“. Als Gefangener wird er gedemütigt und gefoltert, doch Epiktets Handbüchlein, das er auswendig kennt, gibt ihm die nötige Kraft zum Überleben.

Die Schattenseite der Freiheit
Der Stoizismus stellt Autonomie und innere Freiheit ins Zentrum seiner Philosophie. Diese Idee hat in der philosophischen Tradition viele Anhänger gefunden. Und auch viele Kritikerinnen: Schließlich können wir uns nicht völlig von dem politischen und gesellschaftlichen System lossagen, von dem wir nun einmal ein Teil sind

Der Philosoph auf dem Thron
Marc Aurel war Philosoph und Kaiser zugleich: zwei Rollen, die nicht immer leicht zu vereinen waren. Als Stoiker störte er sich am prunkvollen Leben des Palastes und meditierte auf Feldzügen über das tugendhafte Leben. Seine Selbstbetrachtungen gelten bis heute als eines der Hauptwerke stoischer Philosophie.

Sorge um die Welt
Katja Maria Vogt: „Kosmopolitismus ist kein Ideal, sondern eine wissenschaftliche Tatsache“
Die Stoiker waren die ersten Denker, die für eine kosmopolitische Weltsicht argumentieren. In gewisser Weise sind sie damit unserem heutigen wissenschaftlichen Weltverständnis sehr nahe, so die Philosophin Katja Maria Vogt.

Anna Schriefl: „Das Silicon Valley vermarktet die Stoa wie Yoga“
Stoische Ratgeber sind beliebt, besonders bei Selbstoptimierern in der Tech-Branche und der Finanzwelt. Was macht gerade Marc Aurel so attraktiv für Manager? Und kann man überhaupt noch von stoischer Philosophie sprechen, wenn sie von ihrem kosmologischen Unterbau gelöst wird?

Stoa für Manager
Das Geschäftsmodell der Stoa-Ratgeber ist so simpel wie genial. Lebenstipps werden auf die griechisch-römische Antike zurückgeführt, und sogleich zeigt sich: Mit stoischer Philosophie kann man sich selbst therapieren. Vor allem aber kann man damit sehr viel Geld verdienen.

Eine Tür, die immer offen steht
Anders als viele Philosophen vor und nach ihnen hielten die Stoiker den Freitod für ein moralisches Grundrecht. Was hätten sie zur modernen Sterbehilfedebatte zu sagen gehabt?