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Essay

„Das Vollkommene stirbt”: Schillers Gedanken zu Ästhetik und Freiheit

Dominik Pietzcker veröffentlicht am 17 Juli 2025 5 min

Was hat uns ein Klassiker wie Friedrich Schiller heute noch zu sagen? Wenn sich Freiheitsräume verengen und der vermeintliche Ernst der Lage alles Leichte und Spielerische verdrängt, lohnt sich womöglich ein neuer, prüfender Blick auf einen seiner Kerngedanken. Schönheit und Freiheit fasst Schiller im Begriff des Spiels zusammen.

 

In seinem Brief an Goethe vom 17. August 1796 betont Friedrich Schiller die „freye Neigung“ des Menschen in der Wahrnehmung und Wertschätzung des Schönen. Was Schiller als Kommentar zu Kants Kritik der Urteilskraft formuliert, enthält schon den Kern seiner eigenen Kunsttheorie. Schiller gelingt eine epochale Leistung, er entdeckt einen völlig neuen Aspekt im angestaubten philosophischen Diskurs um Kunst und Schönheit: das Spiel.

Für Schiller ist das Spiel „die Vorbedingung der Realisierung der Schönheit“. Denn nur im Spiel gelange der Mensch zur Freiheit und damit zu seiner eigentlichen Bestimmung. Das Schöne ist dabei Indikator des individuellen Freiheitsgrades: „Schönheit ist nichts anderes als Freiheit in der Erscheinung.“ In den Kunstwerken, den meisterhaften Zeugnissen der menschlichen Geschichte, überdauere das Beste. „Die Menschheit hat ihre Würde verloren, aber die Kunst hat sie gerettet und aufbewahrt in bedeutenden Steinen; die Wahrheit lebt in der Täuschung fort, und aus dem Nachbilde wird das Urbild wieder hergestellt werden.“ Zur Bestätigung dieses Gedankens genügt bis heute der Besuch in einer Antikensammlung.

Von zentraler Bedeutung für Schillers Ästhetik ist seine Schrift von 1795 Über die Ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Vor dem Hintergrund der Großen Französischen Revolution entwirft Schiller seine Ästhetik des freien und zugleich regelgebundenen Spiels. Nur im Spiel wird das Paradox von Regel (Gehorsam, Konvention, Gesetz) und Freiheit (Subjektivität, Trieb, Gedanklichkeit) produktiv gebrochen und dadurch überwunden. Formtrieb und Freiheitsstreben finden, so Schiller, im Spiel zusammen. Die zu Recht berühmte Textpassage hierzu lautet: „der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen, und er soll nur mit Schönheit spielen. Denn um es endlich einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Die Erreichung dieses Ideals kann nur in einem Umfeld der inneren und äußeren Freiheit gelingen. „Gedankenfreiheit“ (so bereits in Schillers Don Karlos von 1787) ist daher die Voraussetzung des Schönen. 


 

Spiel, Satz und Sieg


Für Schiller ist das spielerische Moment eminent politisch und sozial. Es ist Aufgabe der Kunst, das Spiel der ästhetischen Kräfte und Gedanken frei auszugestalten. Es ist Aufgabe des Staates, die Spielenden gewähren zu lassen – oder in den Worten Schillers: „Freiheit zu geben durch Freiheit“. Im Spiel der Kunst, doch auch im Spiel des Lebens, sieht Schiller keine Utopie, sondern eine konkrete Alltagspraktik. Freiheit wird aktiv errungen, doch die Anstrengung lohnt sich. „Zärtlich“ und „glückselig“ nennt Schiller den ästhetisch erfüllten Menschen. Die Kunstkontemplation gehört auch für ihn zu den höchsten und klärenden Momenten des Lebens. Nun, in diesem Punkt sind sich alle Ästheten einig.

Mit seiner Idee der Ästhetik als Spiel leistete Schiller einen genuinen Beitrag zur philosophischen Diskussion um den Begriff des Schönen. Ästhetik ist für Schiller nicht das philosophische Fragen nach der Erhabenheit in der Natur, der Anmut des menschlichen Körpers oder der schöpferischen Qualität eines Kunstwerks. Mit dem gelungenen Begriff des Spiels stellt Schiller ganz unmittelbar die existenzielle Frage nach der Möglichkeit eines selbstgemäßen und freien Lebens. In einem Satz, mit Friedrich Schiller kommt erstmalig das Moment des Spielerischen (und mit ihm das Heitere und Leichte) in die philosophische Reflexion über Kunst und Ästhetik. Ohne Übertreibung ist dies eine philosophische Großtat und ein echter Sieg über die sich etablierende Universitätsphilosophie.

Die Denkfigur des Spiels bleibt auch in der Nachfolge Schillers ein philosophisches und literarisches Thema. Für Nietzsche („nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt“) ist die Idee des Spielerischen ebenso bedeutsam wie für Ernst Cassirer, der stark vom Neukantianismus beeinflusst ist. „Das Schöne“, schreibt Cassirer, „ist kein Erfahrungsbegriff, sondern ein Imperativ.“ Der amerikanische Philosoph Nelson Goodman definiert die ästhetische Erfahrung der Kunst als „eine Form des Verstehens“, kein bewusster oder kritischer Akt des Denkens, sondern eher das Ergebnis eines spielerischen Dialogs zwischen Werk und Betrachter. Der französische Surrealist Francis Ponge (1899–1988) schließlich entwickelt den von Schiller inspirierten Neologismus „objeu“, eine Mischung aus dem Objekt als Gegenstand der Betrachtung und dem Spiel („jeu“) als Methode zu seiner Erkenntnis. 


 

Sterbliche Schönheit und ihre Fortexistenz


Schiller etabliert zudem eine ästhetisch folgenreiche Verbindung zwischen Schönheit und Tod. „Auch das Schöne muß sterben!“, so beginnt das bekannte, noch immer tief bewegende Gedicht Nänie von 1799. Es handelt von der Vergänglichkeit des Schönen und seinem Weiterleben in der Erinnerung der Menschen. Erst mit dem Vergessen löst sich auch die Schönheit in Nichts auf. Rilke variiert diesen Gedanken in seiner ersten Duineser Elegie. Wir bewundern das Schöne, so Rilke, „weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören“. Schon bei Baudelaire (Hymne à la Beauté) geht die Schönheit buchstäblich über Leichen. Schillers unbedingte Wertschätzung des Schönen macht ihn zu einem Vorläufer des europäischen Ästhetizismus und seiner Kunstreligion.

Gesellschaft als Spiel, der Mensch als Figur auf einem Spielbrett, die Gamification des sozialen Daseins, das Nullsummenspiel der Macht – Schillers Spielgedanke bleibt offen, vielfältig anschlussfähig und ist noch immer quicklebendig. Genau diese immense Wandlungsfähigkeit über die Zeitläufe hinweg ist der untrügliche Indikator geistiger Substanz. Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie, dass mit Schiller ausgerechnet ein ernster Schwabe die mediterrane Leichtigkeit des Spiels philosophisch und dichterisch fruchtbar machte. Von den Deutschen als Kulturvolk erwartete er, darin seinem Brieffreund Goethe ähnelnd, nicht allzu viel. In seinem Brief vom 18. Januar 1796 heißt es: „Seltsames Land! Hier haben / die Bäche Geschmack und die Quellen, / Bey den Bewohnern allein hab ich / noch keinen verspürt.“ Bei Schiller immerhin findet sich der hohe Ton, die idealistische Reinheit und ein unendliches Streben ohne das Säuerliche der Ambition, die das Talent so oft vergällt. Deshalb gilt heute ganz uneingeschränkt: mehr Schiller wagen.

Im Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus, verfasst von Hegel, Hölderlin und Schelling in ihrer Tübinger Zeit, heißt es: „Der Philosoph muss eben so viel ästhetische Kraft besitzen als der Dichter.“ Für Friedrich Schiller gilt auch das Gegenteil – als Dichter besaß er so viel geistige Kraft wie nur ein großer Philosoph. •

 

Dominik Pietzcker studierte Philosophie, Geschichte und Literaturwissenschaft in Freiburg i. Br., Dublin und Wien. Er lehrt Medienmanagement an der Macromedia University of Applied Sciences in Hamburg, an der Shanghai International Studies University sowie an der Fudan University. Zahlreiche wissenschaftliche und journalistische Veröffentlichungen zu literaturwissenschaftlichen, ideengeschichtlichen und interkulturellen Themen. Sein aktuelles Buch „Was ist Schönheit? Eine kurze Geschichte der Ästhetik von der Antike bis zur Globalisierung“ ist im Herder Verlag erschienen.

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