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Bild: © Johanna Ruebel; © Andreas Pein/laif

Impuls

Dilemma oder Risiko? Putins Krieg als Geiselnahme

Per Leo veröffentlicht am 03 März 2023 11 min

Das Bild der Geiselnahme ermöglicht ein Nachdenken über den Krieg jenseits von Moral und Recht. Doch es gibt eine Grenze der Erpressbarkeit, die Svenja Flaßpöhler übersieht. Wie weit also trägt der Vergleich? Eine Replik von Per Leo.

 

Svenja Flaßpöhlers Schlaglicht auf den deutschen Kriegsdiskurs regt zum Nachdenken an; und es reizt zum Widerspruch. Generell ist ihr darin zuzustimmen, dass nicht jedes Plädoyer für Friedensverhandlungen auf eine Täter-Opfer-Umkehr hinausläuft. Diese ist in der Tat nur gegeben, wenn man den russischen Angriff – quasi physiologisch – als geopolitischen „Reflex“ auf den „Reiz“ der ukrainischen Westorientierung interpretiert, oder wenn man nicht zuerst Moskau, sondern Kyiv in die Pflicht nimmt, das Leid der Soldaten und Zivilisten zu beenden. Wer so argumentiert, verwischt den fundamentalen Unterschied zwischen einer Partei, die Gewalt zum Zweck Unterwerfung ausübt, und einer anderen, die es zum Zweck der Selbstverteidigung tut. Doch nicht jede Annäherung an die Perspektive des Aggressors geht mit einer solchen Verkehrung der Verhältnisse einher. Flaßpöhler weist zu Recht darauf hin, dass die komplexe Gewaltkonstellation eines Krieges, und erst recht dieses Krieges, mit rechtlichen und moralischen Begriffen allein nicht zu erfassen ist. 

 

Der Westen ist gemeint

 

Wenn sich etwas nicht von selbst versteht, dann schlägt die Stunde des Vergleichs – nämlich mit etwas anderem, das bereits verstanden ist. In diesem Sinne scheint mir das von Alexander Kluge eingeführte und von Flaßpöhler aufgegriffene Beispiel der Geiselnahme ein wirklich guter Ausgangspunkt, um produktiv über das Problem des Ukraine-Kriegs nachzudenken. Denn die Analogie macht etwas erkennbar, das im alltäglichen Lagerstreit über Waffenlieferungen, Diplomatie usw. viel zu oft übersehen wird: Die Grundstruktur dieses Krieges besteht nicht (nur) in der Symmetrie eines Duells zwischen Angreifer und Gegenwehr, sondern (auch) in der Asymmetrie eines Gewaltakts, dessen Adressat nicht identisch ist mit dem Opfer der Gewalt.

Putin hat die Ukraine überfallen, die Ukraine wehrt sich, der Westen unterstützt sie dabei. Das ist die übliche Deutung, der zufolge – je nach Lesart  – entweder der Angegriffene auf dem Rücken seines Helfers oder der Helfer auf dem Rücken seines Schützlings dem Angreifer ein heroisches Duell auf Augenhöhe liefert. Doch dieser Angriff ist nicht einfach nur ein Überfall, er ist verbunden mit Forderungen, die der Überfallene selbst gar nicht – oder höchstens um den Preis der Selbstaufgabe – erfüllen kann. Die Ukraine ist das Ziel der russischen Gewalt, aber der Adressat der russischen Erpressung ist der Westen.

Lässt man den Exzess der Nazivergleiche auf sich beruhen, wird der Ukraine-Krieg im deutschen Diskurs bisher vor allem im Bezugssystem des Völkerrechts – und das heißt seit dessen Verankerung im Gewaltverbot auch: der Moral – thematisiert. Das ist insofern unverzichtbar, als sich über Legitimität und Illegitimität der Kriegsziele überhaupt nur in moralisch-rechtlicher Perspektive urteilen lässt. Nun betrifft das von Flaßpöhler angesprochene Problem jedoch gar nicht die unbestrittene Geltung der ukrainischen Motive, sondern die kontingenten Folgen des westlichen Handelns. Mit der Fokusverschiebung vom Paradigma des „russischen Angriffskrieges“ zum Paradigma der „russischen Geiselnahme“ lautet die Leitfrage nun nicht mehr allein: Sind Gegenwehr und Militärhilfe erlaubt oder gar geboten? Sondern auch: Wie mit Putins Erpressung umgehen? Und die Leitperspektive ist nicht mehr nur die eines Gesetzgebers, der Gewalt zum Schutz des Gewaltverbots als legitime Ausnahme definiert, sondern auch die einer Polizeizentrale, die auf die Forderungen eines Erpressers reagieren muss.

 

Geiselnahme ist nicht gleich Geiselnahme

 

Ich halte diese Verdoppelung der Blickwinkel für sehr sinnvoll, weil sie es erlaubt, die Geltung des Rechts zu relativieren, ohne in die Fallen von Pazifismus und Geopolitik zu stolpern. Denn anders als all jene, die entweder aus exklusiv humanitärer Perspektive nur „das“ Leid (auf beiden Seiten) oder aus exklusiv realistischer Perspektive nur „die“ Interessen (zweier Großmächte) sehen wollen, bestreitet die Polizei-Analogie das Prinzip des Rechts ja nicht. Sie bindet nur die abstrakte Norm an die konkreten Bedingungen des Handelns – und verknüpft so das Risiko des Krieges mit dem Risiko der Diplomatie. Nicht ob zu kämpfen oder zu verhandeln sei, lautet nun das Problem, sondern worüber in einer bestimmten Situation überhaupt zu verhandeln wäre. Und erst hier, bei der Konkretisierung der Situation, setzt mein Widerspruch ein. 

Denn Geiselnahme ist nicht gleich Geiselnahme. Hätte Putins Gewalt ein mehr oder weniger quantifizierbares, quasi ökonomisches Ziel, könnte man mit ihm über ein „Fluchtauto“ oder „Lösegeld“ verhandeln. Die Güterabwägung würde schließlich immer davon ausgehen, dass die Unversehrtheit der „Geiseln“ höher zu bewerten ist als die Freiheit des „Geiselnehmers“ oder ein „Koffer mit Bargeld“. Nun gibt es aber in der Art und Weise, in der Putin Krieg führt, keinen Hinweis auf derart eingrenzbare und daher für beide Seiten kalkulierbare Ziele. Ginge es ihm „nur“ um die Krim, die „Volksrepubliken“ im Donbass oder die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, könnte man diese – immer noch rechtswidrigen – Ziele gegen die immensen Kosten des Krieges abwägen. Dem ist aber leider nicht so. Sämtliche Forderungen, die von russischer Seite bisher geäußert wurden, laufen aus ukrainischer Sicht auf einen Zustand vertraglich zugesicherter Unsicherheit hinaus, also eine Absage nicht nur an westliche Sicherheitsgarantien, sondern auch den israelischen Weg einer Verteidigungsfähigkeit ohne Bündnisvertrag – mit einem Wort: auf eine faktische Hegemonie Moskaus.

Ziel der russischen Aggression ist die von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannte Unabhängigkeit der Ukraine, ein absolutes Rechtsgut, das vielleicht gemäß dem Kriegsverlauf suspendiert und im äußersten Fall sogar verloren, aber unter keinen Umständen zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht werden kann. Wir haben es hier also – im Sinne Carl Schmitts – mit einem echten politischen Konflikt zu tun, bei dem nicht nur ein Interessengegensatz, sondern die Verfasstheit eines Landes und die Staatenordnung eines Kontinents auf dem Spiel steht. Ist die Ukraine ein zu Selbstbestimmung und Bündniswahl befähigtes politisches Subjekt? Oder ist sie das Objekt eines imperialen Herrschaftsanspruchs? Kann sie als Nation die amerikanische Hegemonie und die Integration in die EU frei wählen oder zwingt Russland sie, als Klientelstaat in seiner Einflusssphäre zu bleiben? 

 

Scheinkompromisse

 

Auch Streitfragen, die keinen Kompromiss zulassen, können lange in der Schwebe bleiben, wie etwa im 19. Jahrhundert die – von Schmitt gerne bemühte – Verfassungsfrage, ob die Staatsgewalt vom Volk oder vom Monarchen ausgeht. Eine echte Antwort erfordert in solchen Fällen aber immer eine Entscheidung, wobei es keine Rolle spielt, ob sie durch Gewalt oder organische Entwicklung zustande kommt. Solange die prinzipielle Frage unentschieden bleibt, kann es bestenfalls dilatorische Zwischenlösungen geben, die – so wie der preußische Dualismus von Krone und Parlament – den nächsten Ausbruch des Streits zu einer Frage von Umstand und Gelegenheit macht. In der Ukraine herrscht dieser Zustand prinzipieller Unentschiedenheit de facto seit 1994, als die eigenen Atomsprengköpfe ohne wirksame Gegenleistung an Russland abgetreten wurden; offen zutage trat er spätestens mit der „Orangenen Revolution“ von 2004, als der Wille zur Westorientierung sich zum ersten Mal politisch formierte.

Dabei konnte die Streitfrage durchaus variabel formuliert werden: Souveräner Nationalstaat oder quasi-imperiales Objekt? Wie Polen oder wie Weißrussland? Wie Litauen oder wie Georgien? Neutralität oder Wehrhaftigkeit? Westintegration oder Finnlandisierung? NATO-Beitritt oder Israelisierung? Einheit oder Spaltung? Wie Deutschland oder wie Korea? Revolution oder Prozess? Krieg oder Bürgerkrieg? Freiheit zur politischen Westbindung trotz kultureller, familiärer und ökonomischer Verflechtung mit Russland? Und theoretisch hätte die Frage auch dauerhaft ruhen und allmählich auf friedlichem Weg eine Antwort finden können.

Doch der russische Totalangriff hat sie 2022 endgültig aus ihrer Latenz gerissen und damit auch dem Letzten offenbart, was man eigentlich schon nach dem russischen Teilangriff von 2014 hätte wissen können: Weil über die Grenzen der ukrainischen Selbstbestimmung noch keine Entscheidung gefallen war, konnten Verhandlungen im europäischen Normandie-Format nur dilatorische Scheinkompromisse hervorbringen, die zwar dem deutschen und französischen Ruhebedürfnis entgegenkamen, aber die prinzipielle Unzufriedenheit weder der Ukraine („Fuck Putin!“), noch Russlands („Fuck Bandera!“), noch der USA („Fuck the EU!“) besänftigen konnten. Jetzt ist die Streitfrage als Kriegsgrund auf dem Tisch, und von dort wird sie sich bis zu ihrer Entscheidung auch nicht mehr verdrängen lassen. Dafür werden, und wenn es Jahrzehnte dauert, die Ukrainer schon sorgen. 

 

Geiselnahme mit Machtanspruch

 

Für eine derartige Konstellation scheint mir die passende Analogie allerdings nicht ein Bankraub mit Geiselnahme zu sein, sondern eine Geiselnahme mit Machtanspruch – also ein Gewaltakt, der eine Norm verletzt und zugleich das Normengefüge politisiert. Das Paradigma einer solchen Geiselnahme wären nicht mehr die Durchgeknallten von Gladbeck, sondern die Linksterroristen der 1970er-Jahre. Und erst mit dieser Differenzierung lässt sich nun auch der Fokus der Analogie scharfstellen. Als man im Herbst 1977 kurz nacheinander Hanns Martin Schleyer und die Lufthansa-Maschine Landshut entführt hatte, war Adressat der Erpressung und damit Träger der Handlungsgewalt ja nicht die Polizei, sondern die Bundesregierung. Und mit der Forderung, Insassen deutscher Gefängnisse freizulassen, war nicht nur ein begrenztes Interesse formuliert, sondern auch eine revolutionäre Umwertung der herrschenden Ordnung. Das Leben der Geiseln für die Freiheit von Straftätern – was in rechtsstaatlicher Hinsicht ein Dilemma darstellte, war in der politischen Logik der Entführer ein Deal: unsere Gefangenen gegen eure.

Kann man mit solchen Geiselnehmern verhandeln? Natürlich kann man das, die Bundesregierung hatte es ja 1975 getan, als sie den von der Bewegung 2. Juni entführten CDU-Politiker Peter Lorenz gegen fünf inhaftierte Terroristen austauschte. Und warum entschied sie sich 1977 stattdessen für GSG-9 und Rasterfahndung? Weil die Schleyer-Entführung dem Bundeskanzler Helmut Schmidt, den 1975 nicht zuletzt das Drängen Helmut Kohls erweicht hatte, im Nachhinein recht gab. Wer die Regeln des liberalen Rechtsstaats zur Disposition stellt, der befreit Geiseln um den Preis zukünftiger Geiselnahmen. (Fairerweise muss man allerdings hinzufügen, dass auch 1975 eine Vorgeschichte hatte: 1972 waren in München schließlich israelische Geiseln um den Preis deutscher Mitschuld ermordet worden.)

 

Erst blind, dann leichtsinnig

 

Eine Geiselnahme mit ökonomischen oder quasi-ökonomischen, jedenfalls begrenzten Zielen etabliert ein Risikokalkül. Weil es für beide Seiten etwas zu gewinnen gibt, haben auch beide Seiten etwas zu verlieren. Aber wie im Spielkasino sind die Chancen ungleich verteilt. Während für den Geiselnehmer maximal eine Win-Win-Situation erreichbar ist („der Spieler gewinnt etwas, die Bank gewinnt immer“), gibt es für den durch die Polizei repräsentierten Staat die Hoffnung auf eine Win-Lose-Situation („der Spieler verliert alles an die Bank“). Nachdem die Geiseln freigelassen worden sind, kann der flüchtige Entführer mit dem Lösegeld ja immer noch gefasst werden. Dagegen schafft eine politische Geiselnahme eine Zwangslage, in der dem Staat ein nicht mehr zu beziffernder Verlust droht. Während die Polizei in der Regel taktisch klug handelt, wenn sie einer begrenzten Erpressung nachgibt, begeht der Rechtsstaat einen strategischen Fehler, wenn er sich auf den Präzedenzfall eines Deals mit politischen Erpressern einlässt. Weil er damit der Wiederholung einer Straftat nicht vorbeugt, sondern sie im Gegenteil motiviert, untergräbt er das Vertrauen in seine Friedensordnung. Und wie 1977 im Fall einer realen Geiselnahme ist das auch mit Blick auf die Ukraine keine prognostische Behauptung, sondern eine retrospektive Erkenntnis. Denn der Präzedenzfall hat ja längst stattgefunden, nämlich 2014.

Wenn es eine Mitverantwortung der europäischen Ordnungsmächte – USA, NATO und EU – für diesen Krieg gibt, dann liegt sie darin, über Jahre hinweg, am Anfang blind, am Ende unfassbar leichtsinnig, Anreize zur Tat geschaffen zu haben. Dass die Annexion der Krim und die verdeckte Intervention im Donbass nach 2014 nicht nur geduldet, sondern durch das Festhalten an Nord Stream 2 und den Beginn eines Verhandlungsprozesses ohne Vorbedingungen sogar belohnt wurde, war ja nur der vorläufige Höhepunkt einer langfristigen Entwicklung. Sie hatte 1994 mit einer Denuklearisierung ohne belastbare Sicherheitsgarantien begonnen, ging 2008 mit einem für Russland unverantwortlich provokativen, für die Ukraine fahrlässig unverbindlichen NATO-Beitrittsversprechen weiter, und gipfelte schließlich 2022 in der Einsicht, dass eine robuste Sicherheitsperspektive auch diesseits des NATO-Beitritts, also mindestens eine dauerhafte Aufrüstung, aus ukrainischer Sicht eine conditio sine qua non für die Aufnahme von Friedensverhandlungen darstellt. Da genau das wiederum für Russland (noch) nicht verhandelbar ist, trennt die Ukraine-Frage gerade nicht nur die Interessen der einen von denen der anderen Seite, sondern auch Freunde von Feinden.

 

Risikoabwägung

 

Aber natürlich hat wie jede Analogie auch diese ihre Grenzen. Im Fall einer politischen Erpressung im engeren Sinn liegt die Handlungshoheit beim Staat. Als faktischer Träger der Souveränität kann er entscheiden, welches Spiel gespielt wird. Und sobald seine Regierung Verhandlungen ablehnt, hat er strategisch gewonnen. Ab dann verwandelt sich das Dilemma des Rechtsstaats in ein Risikokalkül der Exekutive. 1977 ging es zum Teil auf (die GSG-9 befreit die Landshut), zum Teil nicht (die RAF ermordet Schleyer). Dagegen ist ein Krieg, in dem die eine Partei Atommacht ist, die andere von Atommächten unterstützt wird, nicht nur eine ungleich komplexere, sondern auch eine potentiell tragische Situation. Weil hier die Eskalationsdominanz beim Erpresser liegt, lässt sich das Dilemma nie vollständig auflösen. Die grundsätzlich richtige Maxime, die Ukraine in ihrem Kampf um die Souveränität militärisch zu unterstützen, weil sie ihn andernfalls sicher verlöre, steht unter dem dauerhaften Vorbehalt der Atomkriegsgefahr. Er hat den Krieg vom ersten Tag an begleitet – und zwar auf beiden Seiten. Denn nicht nur im Westen, auch in Russland hat man längst nicht alles getan, was diesseits eines Nuklearschlags hätte getan werden können.

Die NATO-Staaten haben keine Flugverbotszone eingerichtet, von einer – völkerrechtlich erlaubten! – Intervention ganz zu schweigen; sie haben die Lieferung von Kriegsgerät Schritt für Schritt auf das Kriegsgeschehen und die – stets nur rhetorische! – Reaktion Putins abgestimmt; sie haben Waffensysteme, mit denen Angriffe auf russisches Hoheitsgebiet möglich wären, also Langstreckenraketen, Kampfjets und U-Boote, bisher von ihrer Unterstützung ausgeschlossen. Umgekehrt hat Russland keinen einzigen Waffentransport jenseits der ukrainischen Grenze angegriffen; es hat das Getreideabkommen unterzeichnet und eingehalten; und es hat seinen größten Trumpf, die Fähigkeit zum Cyberkrieg mit potentiell desaströsen Folgen für die Infrastruktur westlicher Gesellschaften, bisher nur sehr zögerlich ausgespielt.

Damit ist die Möglichkeit einer unbeherrschbaren Eskalation nicht aus der Welt, aber durch die Erfahrungen des ersten Kriegsjahres ist sie, nicht zuletzt dank der in dieser Hinsicht eindeutigen Haltung Chinas, berechenbarer geworden. Dass etwa die Rückeroberung der Krim zwar völkerrechtlich legitim, aber für Putin politisch eine rote Linie wäre, scheint außerhalb der Ukraine allmählich Common Sense zu werden. Das Dilemma „Freiheit oder Eskalation“ lässt sich nicht vollständig auflösen. Aber die Gefahr eines russischen Atomschlags ist, im Sinne Niklas Luhmanns, mit zunehmender Sicherheit als Risiko formulierbar, das sich gegen das Risiko des Verhandelns abwägen lässt. •

 

Per Leo wurde mit einer Arbeit über die Geschichte des Antisemitismus in Deutschland promoviert. Sein Roman „Flut und Boden“ (Klett­-Cotta, 2014) stand auf der Shortlist des Leipziger Buchpreises. Zuletzt erschien von ihm „Tränen ohne Trauer. Nach der Erinnerungskultur“ (Klett­-Cotta, 2021).

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