Harald Lesch: „Es ist alles voller Galaxien!“
Star Wars ist der Mythos unserer Zeit. Im Interview erläutert der Astrophysiker Harald Lesch, warum ein Todesstern in unserer Galaxie nicht möglich wäre, die Idee der Force hingegen durchaus mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist.
Herr Lesch, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kontakt mit Star Wars?
Klar, als 1978 der erste Film erschien, bin ich sofort ins Kino. Diese Wahnsinnseffekte waren etwas Neues, so etwas hatte man noch nie gesehen. Ich bin Jahrgang 1960 und habe in meiner Jugend vor allem Perry-Rhodan-Hefte verschlungen. Dort habe ich auch zum ersten Mal von Neutronensternen, Schwarzen Löchern und Roten Riesen erfahren.
Gleich der Vorspann der Star Wars-Saga setzt eine interessante Gewichtung, denn dort heißt es: „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis ...“ Es wird also auf ein raum-zeitliches Verhältnis angespielt, und in gewisser Weise erhält der Raum den Vorzug vor der Zeit. Konkret: Ist das Universum größer, als es alt ist?
Wunderbar verwirrende Frage! Tatsächlich hat man den Eindruck, das Universum sei räumlich viel größer als zeitlich, vor allem, weil sich die zeitliche Dimension so präzise festlegen lässt. Auf der Basis der kosmischen Hintergrundstrahlung kann man heute zurückrechnen und sagen: Es begann vor 13,82 Milliarden Jahren. Und dann denkt man sich, nun, das Budget der Bundesregierung beträgt 320 Milliarden. Das meint man sich vorstellen zu können. Wenn es aber um den Raum geht, bekommen wir es mit Gigaparsec zu tun, also Hunderten Milliarden von Lichtjahren. Und Lichtjahre bedeuten jeweils: Billionen Kilometer. Da werden also ganz andere Zahlenbereiche angesteuert. Insofern stimmt es: Das Universum ist größer, als es alt ist. Obwohl Raum und Zeit natürlich immer miteinander zu tun haben. Ohne Zeit keine Wirkung, aber ohne Raum auch nicht.
Wissen wir, wir groß das Universum ist?
Nein. Das ist eine Frage unseres Horizonts, der erweitert sich zwar ständig, aber Signale erreichen uns nur in Lichtgeschwindigkeit, also mit knapp 300 000 Kilometern pro Sekunde. Das ist relativ wenig in Anbetracht der Räume, um die es geht. Unser Wissen ist auf einen sehr kleinen Messhorizont begrenzt.
Und hinterm Horizont?
Hinterm Horizont geht’s weiter, muss es irgendwie weitergehen. Wahrscheinlich so, wie wir es bereits kennen, also begrenzt von den gleichen Gesetzmäßigkeiten. Das ist wenigstens die plausibelste Annahme.
Dennoch hat sich der Raum des Gemessenen und damit Wissbaren doch gerade in den vergangenen Jahrzehnten unglaublich vergrößert, oder?
Vor 1923 wusste man nicht einmal, ob es noch andere Galaxien gibt. 1925 entschied Edwin Hubble diese Frage, als er im Andromedanebel einzelne Sterne beobachtete und feststellte, dass diese Galaxie zweieinhalb Millionen Lichtjahre entfernt ist. Danach explodierten die Zahlen nur noch so, man konnte den Zeitpunkt des Urknalls berechnen und fand sukzessive immer mehr Galaxien. Wir reden mittlerweile von Hunderten Milliarden von Galaxien! Und können heute noch nicht einmal behaupten, das sei das Ende.
Gibt es eine Schätzung, wie viel vom Gesamtraum des Universums bekannt ist?
Nur so viel: Wir können aufgrund der kosmischen Hintergrundstrahlung etwas über die Geometrie des Universums aussagen, vor allem über die Art seiner Krümmung. Leben wir in einem Kugeluniversum? Einem Satteluniversum? Oder ist es ach, also euklidisch – wie es Kant für notwendig hielt? Das Ergebnis ist: Wir leben in einem Kugeluniversum, doch der Ausschnitt, den wir von diesem Universum messen können, ist so klein, dass dieses uns flach erscheint. Weil wir die Krümmung nicht sehen.
Dann spricht der Star Wars-Prolog also eine profunde Wahrheit aus. Wir leben in einem Universum mit unübersehbar vielen Galaxien, die unübersehbar weit weg sein könnten. Was ist überhaupt eine Galaxie im Gegensatz zu einem Sternensystem wie unserem Sonnensystem?
Es bedeutet vor allem: viele Sterne! Eine Galaxie ist eine Ansammlung von Sternen. Es gibt kleine Inseln mit einer Million Sterne, große mit einer Billion. In einer Szene des Films 2001 – Odyssee im Weltraum heißt es: „Es ist alles voller Sterne.“ Heute würde man sagen: „Es ist alles voller Galaxien.“ Galaxien sind Sternenfamilien, die aus Gaswolken entstanden sind. Wo sich aus Gaswolken Sterne bilden, können auch Planeten entstehen.
Die Sterne sind die Mütter der Planeten?
Ja, obwohl es auch Planeten geben kann, die vereinzelt im All floaten. Der Stern ist jedenfalls der Ort, an dem Planeten entstehen.
Wie viele Galaxien gibt es nach heutiger Kenntnis und wie viele Sterne?
Grob zusammengefasst: Es gibt 100 Milliarden Galaxien, jede Galaxie hat 100 Milliarden Sterne, macht also 10 000 Trillionen Sterne im uns bekannten Universum.
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