Thomas Piketty: „Eigentum muss permanent umverteilt werden“
Die soziale Schere wird immer größer. Der Ökonom Thomas Piketty schlägt gegen diesen Trend einen partizipativen Sozialismus vor. Ein Interview.
Mit „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ sorgte Thomas Piketty 2013 international für Aufsehen: In dem umfassenden Werk zeigte er, dass die Zukunft den Erben gehört und jene, die durch ihre Leistung zum Wohle aller beitragen, kaum noch Vermögen erwirtschaften können. Nun erscheint sein neues Buch „Kapital und Ideologie“ (C. H. Beck). Der französische Wirtschaftswissenschaftler geht hier noch einen Schritt weiter und kritisiert die „Sakralisierung des Eigentums“ scharf als Urgrund gesellschaftlicher Ungleichheit. Seine Gegenmittel: temporäres Eigentum und ein partizipativer Sozialismus.
In Ihrem aktuellen Buch verfolgen Sie die Geschichte der Ungleichheit und ihrer Rechtfertigungen. Wie verlief die Entwicklung von der Ideologie „natürlicher“ Hierarchien zu den heutigen Ungleichheiten, denen Leistung und Verdienst zugrunde liegen sollen?
Zahlreiche Gesellschaften – das Europa der Frühen Neuzeit, das präkoloniale Indien oder das kaiserliche China – lebten nach einer dreigliedrigen inegalitären Ordnung. Die Macht lag in der Hand von zwei Gruppen: einer Klasse von Kriegern, die für die Einhaltung der Ordnung und Sicherheit sorgen sollten, sowie einer klerikalen und intellektuellen Klasse, die der Gesellschaft einen spirituellen Rahmen lieferte. Sie beherrschten eine dritte, arbeitende Klasse, die die Produktionsfunktionen der Gesellschaft sicherte, etwa die Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung. Die Herausforderung dieser Struktur besteht darin, eine Machtbalance zwischen den zwei herrschenden Klassen zu finden. In Indien mussten die Kshatriya, die Kaste der Krieger, oft den Brahmanen, den Priestern, einen herausragenden Platz einräumen. Ziel dieser komplexen Konstruktion ist es, ein halbwegs überzeugendes Modell von Stabilität und Entwicklung anzubieten, damit das Herrschaftsverhältnis von der arbeitenden Klasse akzeptiert wird. In den europäischen Ständegesellschaften versuchte man mit den oratores (den Betenden), den bellatores (den Kriegführenden) und den laboratores (den Arbeitenden) eine hierarchische Harmonie herzustellen. In der Praxis ist die Geschichte dieser Gesellschaften voller Konflikte. Mit Beginn der Neuzeit, insbesondere mit der Französischen Revolution, werden diese ternären, also dreigliedrigen Gesellschaften durch etwas ersetzt, was ich Eigentümergesellschaften nenne.
Worin unterscheiden sich diese beiden Gesellschaftsformen?
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