Über Palästina
Der aus dem Jahr 1958 stammende Bericht des Institute for Mediterranean Affairs, an dem auch Hannah Arendt mitwirkte, plädiert für einen konstruktiven Umgang mit dem Konflikt in Nahost und stellt dabei die Rechte der palästinensischen Geflüchteten auf ein würdevolles Leben in den Fokus.
„Das gegenwärtige Problem kann nicht gelöst werden, indem man über die relative Legitimität von Eroberungsansprüchen von vor dreitausend, tausend oder zehn Jahren diskutiert. (…) Die einzigen Ansprüche, die uns an dieser Stelle interessieren, sind die Rechte der Flüchtlinge auf ein würdevolles und normales Leben sowie die Rechte des Nahen Ostens und der ganzen Welt auf ein höheres Maß an Sicherheit für alle Menschen, das wiederum aus der Erfüllung der Flüchtlingsrechte resultieren würde. (…) Eine ,Lösung‘, die zu einem weiteren Krieg führen würde (im Namen absoluter Gerechtigkeit), wäre keine Lösung. Über die Rechtmäßigkeit der Gründung Israels zu debattieren, wäre ebenso müßig, wie die Legitimität der Gründung eines oder aller arabischen Staaten infrage zu stellen. Man fragt einen Staat nicht nach seinen Zeugnissen oder seiner Geburtsurkunde. Sowohl Israel als auch die arabischen Nationen sind international anerkannte Staaten und Mitglieder der Vereinten Nationen. Von einem Staat kann nicht erwartet werden, dass er sich freiwillig auflöst. Eine wirkliche Lösung des Flüchtlingsproblems kann nur eine Lösung sein, auf die sich alle beteiligten Parteien friedlich einigen können. Und alle beteiligten Parteien werden ihr nur dann zustimmen, wenn jede von ihnen von einer Zustimmung mehr profitierten würde als von einer Ablehnung.“
Hannah Arendt: „Über Palästina“ (Piper, 2024/1958)
Hannah Arendt (1906–1975) war eine jüdische deutsch-US-amerikanische Theoretikerin. Neben ihren politischen Schriften beschäftigte sie sich im Exil mit dem Konflikt im Nahen Osten und der Flüchtlingsfrage.