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Bild: Uwe Rothuysen via Flickr (CC BY-ND 2.0)

Impuls

Unser Dorf soll hässlich werden

Michael Lenhart veröffentlicht am 20 Mai 2021 4 min

Der Filmemacher Dieter Wieland war einer der Ersten, der nicht nur gegen die ökologische, sondern auch ästhetische Zerstörung hiesiger Landschaften kämpfte. Viele seiner Dokumentationen lassen sich derzeit in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks nachschauen – und sind nach wie vor so aktuell wie sehenswert.

 

Böse Zungen behaupten, die Zerstörung Deutschlands hätte sich nach 1945 lediglich vom Krieg auf die Stadt- und Landschaftsplanung verlagert. Tatsächlich haben ab den 1960er Jahren Plattenbau, Nachverdichtung und die Umsetzung der autogerechten Stadt ganze Ortsbilder verschandelt, während historisch gewachsene Kulturlandschaften zwecks Flurbereinigung und Ausbau des Straßennetzes planiert wurden. Wo früher Reihen von Obstbäumen die Felder verzierten, walzen heute Landwirtschaftsmaschinen über monotone Anbauflächen. In den Städten bedrängen Waschbetonfassaden Gründerzeitbauten. Und an den Dorfrändern reihen sich Einfamilienhäuser geschmacksauffälliger Eigenheimbesitzer in Toskana- und Jodlerstil aneinander.

Einer der Ersten, der sich neben der ökologischen auch der ästhetischen Umweltzerstörung entgegenstellte, ist der Fernsehjournalist und Autor Dieter Wieland, von dem nun viele seiner in über 30 Schaffensjahren entstandenen Dokumentationen in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks zu sehen sind. Wieland, zwar gebürtiger Berliner, aber im niederbayerischen Landshut aufgewachsen, ging nach seinem Studium der bayerischen Landes- und Kunstgeschichte zum BR, wo er Anfang der 1970er Jahre die Doku-Reihe Topographie startete: In mehr als 250 Sendungen machte er mit großem Fachwissen und bayerischem Lakonismus auf den Reichtum seiner Heimat an historischen Stadtbildern und Landschaften aufmerksam, vor allem aber auf deren allmähliches Verschwinden durch Investorenarchitektur und Kommerzialisierung.

 

Werte- statt Strukturkonservatismus

 

Grün kaputt, Unser Dorf soll häßlich werden oder Flurbereinigung – Die maschinengerechte Landschaft lauten die Titel seiner Filme. Entsprechend ernst ist es Wieland, wenn er die Kamera auf die Hässlichkeit normierter Jägerzäune schwenken lässt, die Trostlosigkeit zwar sauberer, aber lebloser Vorgärten zeigt oder die Verstellung von Sichtachsen durch neumodische Wohnanlagen kritisiert, deren Baustoffe obendrein von minderer Qualität sind. Über die Jahre gewann Wieland durch sein Schaffen ein immer größeres Publikum und wurde so zum vieldekorierten Vorkämpfer des Denkmalschutzes in Bayern, gegen den Widerstand aus Politik, Automobilclub und Wirtschaft.

Dabei ist Wielands Missmut über die Achtlosigkeit, mit der lange bestehende Strukturen zum Schlechteren verändert wurden, ebenso wie sein Schönheitsempfinden konservativ geprägt – um genauer zu sein: wertekonservativ. Geht es den Strukturkonservativen lediglich um den Erhalt des Status quo – aktuell etwa dem vorherrschenden Wirtschaftsliberalismus –, folgt der Wertekonservativismus, wie der Name bereits sagt, Werten, die als überzeitlich gültig angesehen werden. Hierzu zählen Schönheit, Beständigkeit oder die Bewahrung des natürlichen Lebensraums. Gemeinsam sollen sie über die einzelnen Lebensbereiche hinaus zu einem als sinnvoll wahrgenommenen Ganzen führen. Als schön gilt aus dieser Perspektive daher, was selbst ein harmonisches Ganzes bildet und sich organisch in die gewachsene Umgebung einfügt.

 

Ästhetische Erziehung

 

Einen solchen, über den Zeitgeist hinausgehenden Begriff des Schönen möchte Wieland auch seinen Zuschauern vermitteln. Viele seiner Filme sind deshalb dem Vorbildlichen und Erhaltenswerten gewidmet: verspielten und zum Verweilen einladenden Obstgärten, behutsam restaurierten Stadtkernen oder der „großen Kunst ein kleines Haus zu bauen“, die er an besonders gelungenen Beispielen liebevoll und bis in kleinste Details erläutert. Wieland reagiert damit auf einen Bewusstseinsmangel, der sich mit Friedrich Schiller als Defizit an „ästhetischer Erziehung“ bezeichnen lässt. Auch Schiller vertritt einen überzeitlichen Schönheitsbegriff, vor allem aber ist die Schönheit Mittel zur Veredelung des Menschen, die im rechten Verhältnis seiner beiden Grundtriebe, dem Stoff- und dem Formtrieb, besteht.

Stofftrieb meint dabei die auf Materielles gerichtete Sinnlichkeit, die Gefühle, aber auch die Selbstbezogenheit, wie sie schon bei Kindern ganz natürlich vorhanden sind. Dem Formtrieb hingegen entspricht die Veranlagung des Menschen zu Vernunft, Ordnung und Gestaltung, die sich erst im reiferen Alter stärker entfalten. Ziel der ästhetischen Erziehung im Sinne Schillers ist es nun, beide Triebe zu kultivieren und in ein Gleichgewicht zu bringen. Ein zu starker Stofftrieb führte nämlich dazu, dass ein Mensch allzu sentimental oder selbstsüchtig ist. In den Filmen Wielands lässt sich ein solches Zuviel an Stofftrieb bei jenen Häuslebauern vermuten, die meinen, sich ohne Rücksicht auf ihre Umgebung mit schwülstiger Ornamentik verwirklichen zu müssen. Ein zu starker Formtrieb führte hingegen zu fehlender Spontaneität und Kaltherzigkeit. Hier fallen einem sogleich zubetonierte Plätze ein, die zwar strukturiert sein mögen und pflegeleicht, aber abweisend wirken und außerdem die für das Stadtklima so wichtige Verdunstung verringern.

 

Entfremdete Umwelt

 

Schiller zufolge wird erst durch das Zusammenspiel seiner beiden Triebe der Mensch ganz Mensch. Dieser „ästhetische Zustand“ kann durch die Auseinandersetzung mit dem Schönen (vor allem in der zweckfreien Kunst) erreicht werden, da dort Geist und Sinne, Leben und Gestalt in Harmonie gelangen. Umgekehrt gilt: Je weiter der Mensch von diesem Zustand entfernt ist, umso mehr ist er von sich und seiner Umwelt entfremdet.

So gesehen sind Wielands Filme nicht nur Zeugnisse weitverbreiteter Bau- und Umweltsünden, sie sind auch Veranschaulichungen einer viel tiefergehenden Entfremdung, wie sie für die Moderne so charakteristisch ist. Zugleich aber tragen sie bereits zu jenem ästhetischen Bewusstsein bei, das im emanzipatorischen Denken Schillers letztlich zu einer moralischen Haltung führt, die wiederum Bedingung ist für eine lebenswertere und freiere Gesellschaft, die ihre natürlichen Voraussetzungen achtet. Oder anders ausgedrückt: Es ist auch in ökologischen und sozialen Fragen nicht gut bestellt um eine Gesellschaft, der die Schönheit ihrer Lebensräume nur wenig wert ist. •

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