Warum lachen wir?
In schlechten Zeiten kann Galgenhumor helfen. Auf die Frage, weshalb Menschen überhaupt lachen, gaben Denker unterschiedliche Antworten. Wir stellen Ihnen drei vor.
„Um uns überlegen zu fühlen“
Platon
(ca. 428 – 348 v. Chr.)
Wer hat sich nicht schon mal dabei ertappt, heimlich oder gar lauthals über die Missgeschicke anderer zu lachen? Platon, dessen kritische Position die Philosophie lange bestimmen sollte, sieht in dieser Form der Schadenfreude und Selbstüberhebung den zentralen Kern des Lachens. Er hält es für eine Emotion, die den Menschen gänzlich überwältigt und ihn seine rationale Selbstbeherrschung verlieren lässt. Dabei schadet der Lachende nicht bloß sich selbst, sondern würdigt diejenigen herab, über die er aufgrund ihrer Fehler lacht. Aus einer vermeintlich harmlosen Reaktion wird dann schnell eine ethisch fragwürdige, für Platon sogar bösartige Haltung. Er sieht deshalb auch innerhalb seines idealen Staates nur eine stark eingeschränkte Rolle für Komödien und andere Formen von Humor vor.
„Weil wir überrascht wurden“
Immanuel Kant
(1724 – 1804)
Für Kant ist Lachen „ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts“. Es entsteht, wenn wir auf eine Ungereimtheit stoßen zwischen dem, was wir vorausahnen, und dem, was dann tatsächlich passiert. So besteht die Pointe einer witzigen Erzählung oft darin, dass sie unsere Erwartungen durchkreuzt oder gegen uns bekannte Denkmuster verstößt. Für Kant muss deshalb in allem, was ein ausgelassenes Lachen hervorrufen soll, ein Element von Absurdität enthalten sein. Die Belustigung ist dabei letztendlich aber eher ein körperliches Vergnügen und nicht etwas Intellektuelles, aus dem der Verstand etwas lernen kann. Gesund ist es aber allemal, so stellt Kant fest, indem es „das Gefühl der Lebenskraft stärkt“.
„Um Spannung abzubauen“
Sigmund Freud
(1856 – 1939)
Ausgerechnet in angespannten Situationen, in denen es unangebracht erscheint, fällt es manchmal schwer, sich das Lachen zu verkneifen. Eine Erklärung für dieses Phänomen liefert Sigmund Freud in Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, in dem er zeigt, dass „der humoristische Lustgewinn aus erspartem Gefühlsaufwand hervorgeht“. Demnach lachen wir, um aufgestaute nervöse Energie abzubauen. Wenn wir also zum Beispiel einen Witz mit sexualisierten oder aggressiven Inhalten hören, wird durch das Lachen Energie freigesetzt, die normalerweise dazu dient, mit Scham behaftete Emotionen zu unterdrücken. Auch wenn wir übermannt werden von Trauer oder Mitleid, kann es passieren, dass diese Energie in Form von Lachen „abgeführt wird“. •
Weitere Artikel
Ist Glück eine Entscheidung?
Ist Glücklichsein auch und vor allem eine Frage der Geisteshaltung? Kann man sich also dazu entscheiden? Aristoteles, Descartes und Alain geben darauf drei ganz unterschiedliche Antworten.

Philipp Felsch: „Das Vordringen zu einem ‚Urnietzsche' wäre nicht wünschenswert“
Den wahren Nietzsche freilegen. Mit diesem Ziel gaben Giorgio Colli und Mazzino Montinari die erste kritische Ausgabe von dessen Schriften heraus. In seinem heute erscheinenden Buch Wie Nietzsche aus der Kälte kam, erzählt Philipp Felsch die Entstehung des Werkes als Krimi mit offenem Ende.

Der Akrasia-Komplex
Ein entscheidender Grund für das Festhalten an schlechten Gewohnheiten ist die Akrasia. Zu Deutsch: Willensschwäche. Warum aber handeln Menschen gegen ihre Einsicht? Drei philosophische Positionen.

Warum vertrauen?
Wer vertraut, kann enttäuscht werden und tief fallen. Umso mehr stellt sich die Frage, weshalb wir das Wagnis überhaupt eingehen. Drei Klassikertexte geben Antwort. Mit einer Einleitung und Kommentaren von Christian Budnik.

Warum führen wir Smalltalk?
Plappern, tratschen, Phrasen dreschen. Oberflächliche Gespräche haben einen schlechten Ruf. Vier Denker erläutern mit Tiefgang den Wert seichter Konversation
„Es wird neue Antworten geben“
Die ökonomischen Folgen der Pandemie werden die der Finanzkrise voraussichtlich übersteigen. Im Interview erklärt der britische Publizist Paul Mason, warum aus ihnen ein neues Wirtschaftssystem entstehen kann und weshalb wir immer noch Marx lesen sollten.

Meine Arbeit
Arbeit, das hieß einmal: feste Zeiten, festes Einkommen, fester Ort. Wie hat sich das Berufsleben verändert – auch durch Corona? Fünf Menschen aus unterschiedlichen Bereichen erzählen

Selbstbestimmung in der Krise
Pandemie und Klimawandel stellen die Freiheit auf den Prüfstand. Stößt der Liberalismus, so wie wir ihn kannten, in Zeiten globaler Krisen an seine ultimative Grenze? Müssen wir Freiheit neu denken? Fragen, die über unsere Zukunft entscheiden. Suchen wir nach Antworten.
