Zwischen Brüderlichkeit und Herrschaft
Philosophen der Antike waren überzeugt: Ohne Freundschaft kann es kein Gemeinwesen geben. Die Neuzeit sah es umgekehrt: Freundschaft hat in der machtbestimmten Politik nichts verloren. Seit der Französischen Revolution versucht man nun Eigeninteresse und Solidarität zu verbinden.
Wenn wir zu Freundschaft fähig sind, wenn Menschen diese Form der Nähe und Großherzigkeit eigen ist, so ergibt sich das gesellschaftliche Leben von selbst. Es ist wie eine Verlängerung jener Zuneigung, die uns miteinander verbindet. Politik wäre somit kein künstliches Konstrukt, keine suspekte Maschinerie. Sie verliehe lediglich der Freundschaft Gestalt und Stabilität. Dieser schöne politische Optimismus stammt von den alten Griechen, die davon ausgingen, dass die Welt ein geordnetes Ganzes ist. Die Harmonie des Kosmos wird durch die Harmonie der Menschen untereinander gesteigert. Wenn die Natur des Menschen den Wunsch nährt, eine Beziehung zu anderen aufzubauen, gibt es kein politisches Problem. Das Politische ist im Gegenteil die Lösung, da es bestärkt und organisiert, was jeder empfindet: eine geschwisterliche Zuneigung, die den anderen zu einem Gleichen macht. Dieses griechisch-römische Erbe findet bei Cicero eine systematische Formulierung. Seiner Meinung nach erlangt eine politische Ordnung Legitimität einzig und allein durch Freundschaft. Ganz im Gegensatz dazu steht der Terror, wie er für die Tyrannis charakteristisch ist. In Lälius oder von der Freundschaft beschreibt Cicero den Tyrannen als einen hoffnungslos einsamen Menschen, der „weder Jemanden liebe, noch selbst von Jemandem geliebt werde“. Eine Gesellschaft kann für Cicero kein Zusammenschluss aus Übeltätern sein, sondern ist eine Gemeinschaft von „guten“ Menschen, die sich von „Verlässlichkeit, Lauterkeit, Gerechtigkeit“ leiten lassen. Andernfalls herrschten nur Gier, Lügen und Instabilität, die aus dem ständigen Misstrauen entstehen. Die Tyrannis ist das Gegenteil von Politik, die Zersetzung aller Bindungen: „Das ist ja das Leben eines Gewaltherrschers“, fährt Cicero fort, „in dem keine Treue, keine Liebe, kein Vertrauen auf beständiges Wohlwollen stattfinden kann, wo immer Alles mißtrauisch und besorgt ist, und keine Stelle sich für die Freundschaft findet.“
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Kommentare
Selbst-Erkenntnis bedeutet, *mich als das anzuerkennen, was *ich in allem Natürlichkeit bin, ein Tier; und damit allen Mit-Tieren gleich (Sie anerkennen das Verschiedenheit von dasSelbe und dasGleiche: Ähnlichkeit). Dass wir Menschen-Tiere nicht viel anders in unserem soSein (Verhalten) sind, als unsere Verwandten, ist allen Menschen klar, die das Normale, mit viel Wissen, weitem Umblick und etlichem Leid und dem wenigen an wirklichem Freude, das uns das Natur erlaubt, die dem Normalen, Natürlichen schon etwas ausgebüchst sind. Mächtige Maschinen, tödlichste Waffen, Mondflug und Relativitäts- und Quanten-Theorie täuschen nur das Natürlichkeit, dass dem nicht so ist, bestärken das [ge]wissenlose Glauben, dass ausgerechnet das Mensch etwas besseres, gar aussergewöhnlich sei. Alles, was wir tun und vor allem nicht-tun und dessen teils grausige Folgen (Shoah, Massenarmut, Reichtum und Macht stets bei wenigsten, sändige Krisen und Kriege, Gewalt statt Verständnis, Rudelbildung statt Diversiät) bezeugen dieses noch fast vollkommen fehlende Emanzipation von dem Natur. Geprägt in Milliarden und Millionen Jahren, (fast) komplett gesteuert durch Natur- und UmWelt-Vorgaben, sind wir munter dabei, nicht nur unsere Lebens-Grundlagen zu beseitigen; ohne Einhalt durch bestes Wissen. Im Gegenteil, es kann nicht schnell genug gehen, dem Gewohnheit und unserem Naturell zum Vorteil, uns und den MitLebeWesen zum Nachteil. Natur ist kein kluges Veranstaltung. Zellulares Leben, auch mit grossen Gehirnen, können leicht täuschen, doch genaueres detailliertes Beobachten erkennt kein Klugheit, bestenfalls Intelligenz, Schlauheit und jede Menge Störungen von Determinanten in Milliarden Jahren. Klugheit hätte erdmondliches daSein vollkommen anders gestaltet, vor allem sehr viel schneller. Frage ist somit, was genau motiviert und erregt Tiere, genauso wie alle anderen LebeWesen, was hemmt sie, was bewegt zu Handlungen und was verhindert diese?