Christoph Türcke : „Denken war ursprünglich Halluzination“
Für Christoph Türcke ist der Traum nicht nur das Tor zum Unbewussten: Die nächtlichen Fantasien erlauben auch Rückschlüsse auf die menschliche Frühzeit, in der das Bewusstsein entstand. Heute droht durch die visuellen Medien ein Rückfall in diese Vergangenheit.
Herr Türcke, heutige wissenschaftliche Erklärungen des Träumens muten nüchtern an. Sie sagen etwa, Träume sind das Ergebnis zufälliger Erregungszustände im Gehirn oder eine Art Training für schwierige Alltagssituationen. Haben Träume überhaupt Sinn und Bedeutung?
Christoph Türcke: Selbst diese nüchternen Erklärungsformen räumen ja ein, dass das Träumen eine Entlastungsfunktion hat. Wir nehmen unerledigte Erregungen mit in den Schlaf und bearbeiten sie dort weiter. Nur bleibt uns vieles, was wir träumen, fremd. Das beunruhigt. Deshalb haben wir das nicht ausrottbare Bedürfnis, Träume zu deuten. Es ist umso größer, je schrecklicher der Traum ist. Menschheitsgeschichtlich hat die Beschäftigung mit Träumen anhand der Albträume von Herrschern begonnen. Das schienen Götterbotschaften zu sein, die dem ganzen Kollektiv Schreckliches ankündigten. Es wurden Traumdeuter bestellt, um es abzuwenden: „Der Traum deutet darauf hin, dass du zu wenig opferst, o König, dich mit hinterhältigen Ratgebern oder Frauen umgeben hast oder dass das Schreckliche gar nicht dir blüht, sondern deinem Kriegsgegner.“ Das waren so die frühen Muster der Traumdeutung. Im Gilgamesch-Epos hat sich viel davon niedergeschlagen. Generell galten Träume als Rätselbilder des Kommenden. Die unerledigte Vergangenheit, die in ihnen steckt, wurde in die Zukunft projiziert. In ihr sollten sich die Traumrätsel lösen. Bis heute allerdings drängen Albträume nach deutenden Worten, die ihrem Druck ein Ventil öffnen.
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