Direkt zum Inhalt
Menu Top
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
rechercher
 Philosophie Magazin - Impulse für ein freieres Leben
Menu du compte de l'utilisateur
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
Tag - Body

Bild: VCG (Imago)

Impuls

Das sehr schmutzige T-Wort

Sarah Khan veröffentlicht am 04 September 2025 4 min

2019 hat der Künstler Saâdane Afif eine Basecap mit dem simplen Aufdruck „Tourist“ geschaffen. Dieses Accessoire hält die existentiellste Erfahrung unserer Gegenwart bereit – gerade jetzt in der Urlaubszeit. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Monopol

 

Die Sonne brennt, die Nase wird rot, und mit zugekniffenen Augen stehen wir an den Attraktionen unserer Destinationen. Wer jetzt keine Baseballkappe trägt, kann sich überall eine kaufen. An allen Souvenirständen, in allen Airports, Kaufhäusern, Fashion-Shops, Museen und Bahnhöfen dieser Welt sind sie für wenig Geld zu haben. Meist prangt ein Orts- oder Markenname darauf und macht den Reisenden schnell zum Untertanen von Venice, Vienna, Titleist oder Leberkas-Peppi. Bis Saâdane Afif kam und den Spieß gründlich umdrehte. Nix mehr Venice!

Der in Berlin lebende, mit dem Marcel-Duchamp-Preis ausgezeichnete Künstler schuf eine Basecap aus dunklem Cord mit orangen Schriftzug, die einfach nur „Tourist“ sagt. Huch, könnte man meinen, ist das nicht ein sehr schmutziges Wort? Damit soll man herumlaufen? Ja, unbedingt! Das Design hält durch seine alltagspraktische Anwendbarkeit eine wichtige Erfahrung bereit, die wahrscheinlich nur große Kunst noch bieten kann.

 

Diese Mütze ist französische Philosophie

 

Saâdane Afifs Schirmmütze geht auf seine Kollaboration mit dem Berliner Modelabel Starstyling zurück. Die Kollektion stammt bereits aus dem Jahr 2019 und nennt sich „Solid Figures“. Sie wird komplettiert durch einen „Tourist“-Hoodie und eine passende Bauchtasche. Die Basecap aber ist das centerpiece und kann bei Starstyling für 59 Euro im Online-Shop bestellt werden. Nur um das Haupt zu bedecken, ist dieser Preis vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, mögen manche mäkeln. Aber diese Kappe ist mehr als ein Sonnenschutz oder Perückenersatz. Sie ist – Achtung Spoiler – zeitgenössische französische Philosophie.

Auch ist sie womöglich die Krone unter den Künstler-Cappys, von denen es nicht unbedingt viele, aber doch einige Klassiker gibt. Die Künstlerin Monica Bonvicini beispielsweise schuf für ihre Ausstellung 2018 bei der Galerie König eine Edition von Basecaps in mehreren Farben, auf denen in dick gestickten Lettern das englische Wort „Guilt“ prangte. „Schuld“ also, ein in gegenwärtigen Diskursen um Geschlechtergerechtigkeit, Kolonialgeschichte oder Klimapolitik oft eingesetztes Wort, das triggern kann und als Vorwurf toxisch zurückgespielt wird. Schuld sind immer die Anderen, sogar die Opfer.

 

Der Weg zur einfachen Idee führt über Umwege

 

Wer Bonvicinis aufgeladene Kappe aufsetzt, dessen Kopf fühlt sich zehn Kilo schwerer an. Fast so massiv wie die goldenen, an die Kette gelegten Skulpturen, die die Künstlerin für ihre damalige Ausstellung schuf. So viel Druck auf dem Kopf. Saâdane Afif macht es anders. Seine Idee scheint leichtfüßiger daherzukommen, hatte aber auch eine kompliziertere Genese: Durch den französischen Schriftsteller Thomas Clerc kam er darauf, nachdem er einen Text zu Absurdität und Abstraktion bei ihm in Auftrag gegeben hatte. Dies zeigt einmal mehr, dass der Weg zum Einfachen oft über Umwege führt.

Wer dann aber mit der Selbstbezichtigung „Tourist“ durch Urlaube und Alltag stolpert, kann seltsame Momente erleben. Die Kappe irritiert viele, ob Kellner, Mitreisende im Zug, Kinder oder die Passkontrollettis am Airport. Viele schauen einen zweimal an. Irgendwas scheint anders zu sein.Es geht nur um die Verdrehung des Althergebrachten

Das Konzeptuelle der Kappe tritt dabei vollkommen in den Hintergrund, es geht bei diesem Kleidungsstück mal ausnahmsweise nicht um Coolness, nicht um Prestige. Es geht nur um die Verdrehung des Althergebrachten, um die Revolution der Gewohnheit, die unbemerkt bereits überall vollzogen ist. Die Kappe legt es offen, sie sagt: „Tourist“ ist unter euch, mit euch, für euch, aber eben nur „Tourist“, beschränkt haftbar, nicht verantwortlich und nicht zur Verantwortung zu ziehen, ohne eine ortsspezifische Identität.

Der Müll auf euren Straßen, die Unbezahlbarkeit eurer Städte, die elende Leere des Winters und die kaum auszuhaltende Überfüllung des Sommers – das ist „Tourist“. Zeigt mit dem Finger darauf, liebt es, hasst es, verbietet es, lockt es an. „Tourist“ ist flüchtig, allgegenwärtig, gerade erst angekommen und praktisch wieder auf dem Sprung zum nächsten Ort. Nicht nur Venedig oder Algarve, sondern immer und überall.

Vor 30 Jahren noch hatte die Kulturwissenschaft unter der großen Anstrengung der teilnehmenden Beobachtung eine Gesetzmäßigkeit des Reisens herausgearbeitet: Wo Touristen sind, da ist es schön. Die Erkenntnis mussten die Einheimischen erst einmal verinnerlichen. Dass es in ihren Arbeitervierteln, Hafenanlagen, auf ihren Friedhöfen und Parks plötzlich schön sein sollte. Nicht, weil die Ästhetik des Ortes es vorgab, sondern weil die schlichte und massenhafte Gegenwart von Reisenden es anzeigte.

 

Die einzige erträgliche Lebensform unserer Zeit

 

Nun aber gilt ein anderer Satz: Der „Tourist“ ist schön, weil seine Existenzform die einzige aushaltbare Lebensform unserer Zeit ist. Es ist nicht mehr der traumhafte, besondere Ort, der ist immer zerstör- und austauschbar. „Tourist“ bedeutet, durch Unzugehörigkeit und die unbedingte Hingabe, in der Fremde jeden Preis für Unterkunft und ein Mortadella-Mozzarella-Pistaziencreme-Brötchen zu bezahlen, zu einer Macht zu werden, die man am Heimatort nie sein kann.

„Tourist“ kennt alle Sehenswürdigkeiten, kauft alle Spezialitäten, hört alle Lieder und zahlt jede City-Tax, aber „Tourist“ ist wie der Wind. Seine Flüchtigkeit wie auch sein ständiger Verweis auf diese ist seine Waffe.•

  • E-Mail
  • Facebook
  • Linkedin
  • Twitter
  • Whatsapp
Anzeige
Tag - Body

Weitere Artikel

Impulse
6 min

Schön schmutzig!

Donna Schons 10 März 2023

Models waten durch Schlamm, Künstlerinnen und Künstler schmieren mit Schleim und versinken im Staub: Dreck ist der Stoff unserer Zeit. Warum nur ist unsere Gegenwart so fasziniert von Zersetzung und Zerfall? Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Schön schmutzig!

Impulse
5 min

30 ist das neue 9?

Charlie Stein 14 Januar 2025

Kuscheldecken als emotionale Kokons, Nachtlichter für Erwachsene: Auf die Krisen der Gegenwart reagieren viele Millennials mit konsumgetriebener Selbstverkindlichung. Das ist gefährlich, weil wir gerade jetzt Verantwortung übernehmen müssen. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

30 ist das neue 9?

Essay
10 min

Sophia, gehen wir essen?

Elke Buhr 15 August 2024

Was ist Genuss? Wo beginnt Exzess? Und was hat Kunst mit Kannibalismus zu tun? Ein Abend im Drei-Sterne-Restaurant mit der Künstlerin Sophia Süßmilch. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Sophia, gehen wir essen?

Gespräch
7 min

Alevtina Kakhidze: „Wir reden über Philosophie, obwohl ich den Beschuss höre“

Philipp Hindahl 01 März 2022

Die Künstlerin Alevtina Kakhidze lebt und arbeitet unweit von Kyjiw. Im Interview spricht sie über die Rolle der Kunst im Krieg, was mit einem Land unter Beschuss mit den Moralvorstellungen der Menschen passiert, und wann sie sich erlauben kann, Pazifistin zu sein. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Alevtina Kakhidze: „Wir reden über Philosophie, obwohl ich den Beschuss höre“

Gespräch
7 min

Gregor Schneider: „Wir können viel von Sterbenden lernen“

Jörg Restorff 29 Oktober 2024

Für sein Projekt Ars Moriendi platziert der Künstler Gregor Schneider digitale Abbilder von Sterbenden im Münchner Stadtraum. Wir haben mit ihm über die Sichtbarkeit des Todes und Avatare als Grenzgänger zwischen den Welten gesprochen. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Gregor Schneider: „Wir können viel von Sterbenden lernen“

Gespräch
8 min

Ekaterina Degot: „Putins Regime hat sich durch Sport, Klassik und Museen legitimiert"

Elke Buhr 28 März 2022

Nach dem Krieg werden für Russland noch dunklere Zeiten des Terrors kommen, prophezeit Ekaterina Degot. Die in Moskau geborene Intendantin des Kunstfestivals Steirischer Herbst rät dem Westen, sich schon jetzt darauf vorzubereiten - auch im Bereich von Kunst und Kultur. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Ekaterina Degot: „Putins Regime hat sich durch Sport, Klassik und Museen legitimiert"

Gespräch
8 min

Michael Danner: „Alle Bilder haben ihre Berechtigung“

Saskia Trebing 20 April 2022

Michael Danner beschäftigt sich seit Jahren mit Flucht und Migration, jetzt fotografiert er die Folgen des Angriffs auf die Ukraine. Ein Gespräch über Bilder im Krieg und unterschiedliche Darstellungen von Geflüchteten. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Michael Danner: „Alle Bilder haben ihre Berechtigung“

Gespräch
8 min

Frank Steinhofer: „Unser Museum wächst bereits in vielen Köpfen“

Daniel Völzke 18 Oktober 2021

Im mexikanischen Regenwald entsteht ein spektakuläres Museum, berichten amerikanische Medien. Nur fallen sie damit auf eine Fiktion des deutschen Schriftstellers Frank Steinhofer herein, der diesen Bau in seinem Roman Das Terrain beschreibt. Wie es dazu kam, beschreibt er im Interview. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Frank Steinhofer: „Unser Museum wächst bereits in vielen Köpfen“

Anzeige
Tag - Body
Hier für unseren Newsletter anmelden!

In einer Woche kann eine ganze Menge passieren. Behalten Sie den Überblick und abonnieren Sie unseren Newsletter „Denkanstöße“. Dreimal in der Woche bekommen Sie die wichtigsten Impulse direkt in Ihre Inbox.


(Datenschutzhinweise)

Jetzt anmelden!
Anzeige
Tag - Body

Fils d'ariane

  1. Zur Startseite
  2. Artikel
  3. Das sehr schmutzige T-Wort
Philosophie Magazin Nr.Nr. 84 - September 2025
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Oktober/ November Nr. 84
Vorschau
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Rechtliches
  • Werbung
  • Datenschutzerklärung
  • Impressum
Soziale Netzwerke
  • Facebook
  • Instagram
  • Twitter
  • RSS
Philosophie Magazin
  • Über uns
  • Unsere App
  • PhiloMag+ Hilfe
  • Abonnieren

Mit unseren Denkanstößen philosophische Ideen regelmäßig in Ihrem Postfach

Jetzt anmelden!