Die Sache mit dem Strohhalm
Das kleine Saugröhrchen gilt als infantil und ökologisch unverantwortlich. Doch ohne seinen Zauber können wir nicht leben. Es hält die Erinnerung an vergangene, unbeschwerte Tage wach. Eine Kolumne von Wolfram Eilenberger.
In Zeiten abnehmenden Lichts, wer wüsste es nicht aus eigener Erfahrung, bedarf die Seele besonderer Nahrung. Für den Autor dieser Zeilen besteht sein Wintermanna seit Jahr und Tag in einem fruchthaltigen Zuckergetränk, dessen Produktnamen die Hoffnung auf hellere Zeiten in gleicher Weise eingeschrieben ist wie die Gewissheit eines unvermeidlichen Untergangs. Die Rede ist, natürlich, von der Capri-Sonne, die seit frühen Kindheitstagen aluminiumhell in den Kioskregalen nördlicher Breiten funkelt. Auch wenn die Produktbezeichnung – o Zeiten, o Sitten! – längst zu Capri-Sun geändert wurde, schien es meiner novembertrüben Seele doch weiterhin so, als ob ich mit ihr Mutterlicht selbst zu mir nähme. Ein Wunder an letzter Geborgenheit, das von dem der Rückseite angeklebten Strohhalm untrennbar bleibt – samt rund markierter Einstichstelle auf der Frontseite des für mich magischen Produkts.
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