Hätte Gottlob Frege gegendert?
Die analytische Philosophie nimmt es mit der Sprache sehr genau. Täten wir also nicht gut daran, sie in der Debatte um inklusive Sprache zu befragen?
Als lebensfern, idealistisch, blutleer gilt die analytische Philosophie. Zu Unrecht – denn die Theorieschule blickt aus ihrer ganz eigenen Perspektive auf gesellschaftliche Debatten. Sie hat Argumente beizutragen, die Sie – versprochen – nicht schon etliche Male gehört haben. Etwa zur Frage, ob Gendern eine gute Idee ist. Doch bevor die analytische Philosophie zu Wort kommen darf, lohnt sich ein Blick auf ihre Grundannahmen.
Weltweit gibt es Tausende Sprachen. Sie werden von Linguisten in Sprachfamilien geordnet, nach Typen sortiert und verglichen. Dafür werden Lehrstühle ausgeschrieben, ganze Disziplinen wie die Sprachtypologie entstehen. Ginge es nach der analytischen Philosophie, wäre dieser ganze Aufwand gar nicht nötig. Sie kennt nur zwei Sprachtypen: formale Sprachen und natürliche Sprachen. Natürliche Sprachen sind solche, in denen wir miteinander kommunizieren und die sich historisch entwickelt haben. Koreanisch, Deutsch und Norwegisch, zum Beispiel. Formale Sprachen dagegen sind bewusst geschaffen und haben einen bestimmten Zweck, wie Programmiersprachen oder logische Sprachen.
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Gottlob Frege und die Sprache
Gottlob Frege, dessen Todestag sich am 28. Juli 2025 zum 100. Mal jährte, gilt als Wegbereiter der analytischen Philosophie: jener Strömung, die sich von metaphysischer Spekulation abwandte und nach einer präzisen, an die Mathematik erinnernden Sprache suchte. Was hat uns Frege über Funktionsweise und Fallstricke der Sprache zu sagen?

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Eine Sprache für alle
Ziel des Genderns ist, Sprache gerechter zu machen. Im Deutschen wird dieses Streben dabei oft mit der expliziten Sichtbarmachung aller Geschlechtsidentitäten in der Sprache gleichgesetzt. Das muss nicht so sein. Andere Sprachen zeigen, dass eine gerechte Sprache auch anders aussehen könnte.

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Es schien wie ein revolutionärer Börsen-Flashmob: Über soziale Medien hatten sich jüngst unzählige Kleinanleger organisiert, um Aktien des Computerspielhändlers GameStop zu kaufen, auch weil Hedgefonds auf deren Verfall gewettet hatten. Letztere verloren dadurch Milliarden Dollar. Der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl erklärt, warum daran nichts Subversives ist, was der Fall über den Finanzkapitalismus verrät und wieso die Fusion von Kapital- und Meinungsmärkten eine neue Machtform erzeugt.

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Gibt es einen guten Tod?
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Wie treffe ich eine gute Entscheidung?
Seit jeher haben Menschen Entscheidungsprobleme. Was sich bereits daran zeigt, dass eine der wichtigsten Institutionen der Antike eine Art göttliche Beratungsagentur darstellte. Sagenumwobene Orakel, deren meistfrequentierte Filiale sich in Delphi befand und dort mit dem Slogan „Erkenne dich selbst“ um weisungswillige Griechen warb, stillten nicht nur religiöse, sondern auch politische, militärische und lebenstherapeutische Informationsbedürfnisse. In wirtschaftlicher Hinsicht funktionierten Orakel gar wie moderne Consulting-Buden. Wer genug Drachmen hatte, konnte eine ausführliche Interpretation der Weissagungen durch die prophetische Priesterin Pythia erhalten, während weniger Begüterte lediglich Ja- oder Nein-Fragen stellen durften.
Der frühe Denker fängt den Wurm?
Die Philosophie beschäftigt sich wie kaum eine andere Disziplin immer auch mit ihrer eigenen Geschichte. Doch die sogenannte „analytische“ Philosophie will dies zugunsten eines fortschrittsorientierten Wissensverständnisses ändern – und offenbart so ihre eigene Beschränktheit.

Kommentare
Zitat: "Ich bin das geliebte Kind der Sprache." Dieser wunderbare Satz stammt von einem englischen Dichter dessen Namen ich leider vergessen habe. Geborgenheit, Schönheit und Bildhaftigkeit sind für mich im Sprachgebrauch essentiell.
Das Gendersternchen gehört für mich nicht zu einer akzeptablen Sprache. In den meisten Lebens- und Sprechsituationen ist es mir vollkommen egal, welche sexuelle Orientierung mein Gegenüber hat.
Auch alltäglicher Rassismus hat mehr mit Gedankenlosigkeit als mit Verwendung der richtigen Bezeichnung für Nicht-Autochtone zu tun. Ein schönes Beispiel ist folgendes: Wenn ein Mensch mit einem nicht ganz üblichen Nachnamen diesen gleich anfängt zu buchstabieren, weil das Gegenüber nicht bereit ist erst einmal genauer hinzuhören, sondern sich auch noch über den schwierigen Namen echauffiert, statt freundlich nachzufragen, dann ist das für mich alltäglich gelebter Rassismus.
Dass es neben Frauen und Männern auch noch Menschen gibt, die sich anders definieren ist z.B.beim Brötchenkauf beim Bäcker ziemlich nachrangig. Keine Frau bekommt für die gleiche Arbeit wegen des Genderns den gleichen Lohn wie ein Mann. Etc., etc....
Ich habe unter anderem Mathematik und analytische Philosophie studiert und weiß sehr wohl wie nützlich und wichtig formalisierte Sprachen sind. Der späte Wittgenstein hat sich in seinen "Philosophische(n) Untersuchungen" ganz entschieden mit seinen Ausführungen über Sprachspiele von der analytischen Sprachphilosophie abgewandt.
"Der Überhang maskuliner statt femininer Formen ist in der Grammatik verankert."
Laut Duden überwiegt der Anteil weiblicher Wörter den Teil der männlichen. Ausgleichende Gerechtigkeit?
Ist es gerecht, dass die männlichen Formen sowohl männlich als auch Mischformen sein können, während die weiblichen Formen stets eindeutig weiblich sind?
Ist es angemessen, dass männliche und weibliche Formen eine Flexion erhalten, "der ganze Rest" (queer, lesbisch, schwul, etc. pp.) unter einem Asterix subsumiert wird? Ist es nicht eine erneute Repräsentationslücke?
Ist es überhaupt sinnvoll, sprachlich alles repräsentieren zu wollen? Ist die Sprache nicht auch dadurch ein Hilfsmittel, dass es vereinfacht?
Anleihen und Anstöße darf man sich überall holen. Ich hoffe nur, dass die Diskussionen nicht ideologisch verhärten.
QuP