„Schwurbelnde“ Intellektuelle?
In letzter Zeit breitete sich ein Wort von Twitter in die Feuilletons der großen Zeitungen aus: „Schwurbeln“. Der Schwurbel-Verdacht beendet jeden Diskurs und hat auch innerhalb der Philosophie eine Tradition.
Als Geschwurbel bezeichnet werden vor allem Äußerungen, die sich zum vorherrschenden Umgang mit der Pandemie und Ungeimpften kritisch verhalten. Als Schwurbler gelten unterschiedslos Verschwörungstheoretiker, Querdenker und oft auch diejenigen, die pauschale Verurteilungen von Ungeimpften problematisieren.
„Schwurbeln“ leitet sich vom mittelhochdeutschen „swerben“ (sich im Kreise drehen) ab und bedeutet dem Duden zufolge „Unsinn reden“. Bemerkenswert ist die plötzliche Häufung des Begriffs, weil sich damit eine Diskursstrategie durchsetzt, mittels der nicht gesagt wird: Was du behauptest, ist falsch (wie es etwa das Wort „Fake News“ tut). Auch nicht: „Was du sagst, verstehe ich leider nicht.“ Vielmehr ist gemeint: „Was du sagst, ist eigentlich sinnlos, du verschleierst das bloß durch intellektuelle und rhetorische Tricks.“ Während die ersten beiden Formen der Kritik einen Austausch von Argumenten zur Folge haben können („Du liegst falsch, weil …“, „Ich meine mit dem Gesagten, dass …“), ist mit dem Schwurbel-Vorwurf jede Diskussion abgebrochen.
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
„Schwurbelnde“ Intellektuelle?
In letzter Zeit breitete sich ein Wort von Twitter in die Feuilletons der großen Zeitungen aus: „Schwurbeln“. Der Schwurbel-Verdacht beendet jeden Diskurs und hat auch innerhalb der Philosophie eine Tradition.

Sondierung statt Polarisierung
Politische Debatten werden zunehmend von Selbstvergewisserungsgemeinschaften geprägt, die sich in Absolutheitsansprüchen verschanzen. Derlei kennt auch die christliche Tradition zur Genüge. Doch gerade deshalb lässt sich aus Letzterer womöglich lernen, dass Kritik nicht immer ein Angriff sein muss – und der andere womöglich auch recht haben könnte.

Triumph oder Erniedrigung?
In Paul Verhoevens atemberaubendem Film „Elle“ verläuft die Emanzipation eines Missbrauchsopfers anders als es die aktuelle Feuilleton-Debatte über das vermeintliche „Erlebnis“ Vergewaltigung vermuten lässt.

Erasmus – 35 Jahre humanistische Reise
Seit 35 Jahren verhilft das Förderprogramm jungen Erwachsenen zu mehr Mobilität innerhalb Europas und hält so eine kontinentalphilosophische Tradition am Leben, die schon Michel de Montaigne pflegte: Die Bildungsreise.

Am Abgrund der Moderne
Hannah Arendt hat nicht nur die totalitäre Herrschaft analysiert, sondern auch die Traditionsbrüche beschrieben, die diese ermöglichte. Traditionsbrüche, die auch in Arendts eigenem Leben und Arbeiten Spuren hinterließen – und sie sehr sensibel für jegliche Gefahren in Demokratien machten. Was können wir heute noch in der Auseinandersetzung mit Arendts Arbeiten lernen? Ein Interview mit der Gründerin des Hannah Arendt-Zentrums Antonia Grunenberg.

Ludger Schwarte: „Farbe ist immer anarchisch“
Lange Zeit wurde die Farbe in der Philosophiegeschichte ausgeklammert. Ein Unding, wie Ludger Schwarte in seinem neuen Buch Denken in Farbe erläutert. Schließlich eignen wir uns die Welt nicht nur durch Farben an, sondern sie besitzen auch ein subversives Potenzial.

Hegelwende zur Zeitenwende
Als 1989 die Berliner Mauer fiel, dachten nicht wenige, das Ende der Geschichte sei erreicht. Mit Hegel erklärten sie „den Kampf um Leben und Tod“ im liberalen Rechtsstaat für beendet. Auf dem Weg zur Welteinheit gebe es allenfalls soziale Kämpfe um Anerkennung. Heute jedoch kehren die Großmachtkonflikte zurück. Und mit ihnen der physische Ernst, von dem Hegel einst sprach.

Schluss machen geht nicht
Wahre Freundschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht beendet werden können und auch nicht von selbst enden. Entstehen können sie nur in Lebensphasen verletzlicher, radikaler Offenheit.
