Warum ist eine kritische Auseinandersetzung mit Hannah Arendt heute notwendig?
Hannah Arendt zählt zu den angesehensten Denkerinnen und wird von Liberalen und Linken gleichermaßen verehrt. Emmanuel Faye allerdings macht in ihrem Werk reaktionäre Züge aus und meint, dass ihr Denken zeitlebens von Heidegger geprägt blieb.
Hannah Arendt war eine energische und mutige Frau. Sie wurde von der Gestapo inhaftiert und erlebte die Internierungslager des Vichy-Regimes in Frankreich, bevor sie in die USA ins Exil fliehen musste. Berühmtheit erlangte sie mit ihren Schriften über den nationalsozialistischen und stalinistischen Totalitarismus und mit ihrer Reportage über den Eichmann-Prozess. Der deutsch-amerikanische Historiker Walter Laqueur sprach 1998 sogar von einem Arendt-Kult. In Deutschland hat Hannah Arendt in den letzten dreißig Jahren den Status einer offiziellen Denkerin erlangt, wovon eine Briefmarke mit ihrem Konterfei zeugt sowie der mit 10 000 Euro dotierte Preis für politisches Denken, der jedes Jahr in ihrem Namen verliehen wird. Ihre Schriften enthalten indes bemerkenswerte Widersprüche, die eine kritische Neulektüre ihres Werks rechtfertigen.
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