Wieso Kluge mit seinem Kriegsbegriff Putin rechtfertigt
Alexander Kluge verharmlost Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, indem er den Krieg als unkontrollierbaren Dämon darstellt. Mit seinen unpassenden Vergleichen stimmt er ein in den Chor anderer „Westsplainer“, die letztlich der russischen Propaganda dienen, meint Yelizaveta Landenberger in ihrer Replik.
Selten lassen sich die Rollen von Aggressor und Opfer so klar zuordnen wie im aktuellen Krieg in Osteuropa. Seit nun schon über 1000 Tagen führt Russland einen unerbittlichen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland Ukraine, der viele Ukrainer ihre Existenz, ihre Gesundheit und ihr Leben gekostet hat. An einen Frieden denkt Wladimir Putin freilich nicht, solange er Chancen auf weitere militärische Erfolge und Durchsetzung seiner imperialen Großmachtphantasien sieht. Der russische Diktator begründet den Überfall auf das Nachbarland mit seinem grotesken Geschichtsbild, wonach die Ukraine Teil der russischen Welt sei und keine eigentliche Staatlichkeit besitze, mit Lügen von angeblich grassierendem „Nazismus“ des „Kiewer Regimes“ und anderen Märchen – etwa dem, dass doch gar nicht Russland, sondern die NATO die Aggression initiiert habe. Die russische Propaganda stellt die Realität auf den Kopf.
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Kommentare
„Doch es gibt im Krieg in der Ukraine einen Akteur, der ihn sofort beenden könnte, wenn er nur wollte: Putin.“ – Das halte ich für naiv. Insofern stehe ich eher Kluge nahe: Entfesselte Kriege entwickeln bisweilen eine Eigendynamik, die die Entfesselnden weit hinter sich lassen. Putin muss Erfolge vorweisen, allein der militärisch-industrielle Komplex erwartet das, sicherlich auch ein Teil der Bevölkerung.
Zweitens halte ich auch die klare Unterscheidung Aggressor-Opfer-Unterscheidung für zu simpel, obwohl Russland einmarschiert ist, während von der Ukraine keinerlei Provokation ausging. Der Krieg hat eine Vorgeschichte. In meinen Augen haben wir es mit einem klassischen geostrategischen Krieg zu tun – man muss sich nur mal die US-neokonversativen Schriften (stellvertretend sei Brzezinskis The Grand Chessboard genannt) – und somit einen Stellvertreterkrieg.
Aus geopolitischer Sicht erlaubt kein Land eine Einmischung in seiner Peripherie. Russlands zentraler eisfreier Hafen (Sewastpool) war gefährdet. Man stelle sich nur einmal die Reaktion der USA vor, wenn russische oder chinesische Politiker in lateinamerikanischen Wahlkämpfen Brötchen verteilen (wie McCain auf dem Kiewer Maidan).
Damit will ich gar nichts rechtfertigen und habe genug ukrainische Freunde, um das Leid, die Angst, die Verzweiflung zu kennen. Doch meine ich, dass man dem Krieg weder mit einem naiven „der Krieg ist ein Dämon“ noch mit dem simplen „Putin könnt alles beenden“ gerecht wird. In den Debatten fehlt mir die kühle, berechnende und damit menschenverachtende Perspektive der Geopolitiker. QuP