John Lockes „Dieselbigkeit“
„Dieselbigkeit“ einer Person besteht so weit, wie ihr Bewusstsein sich erstreckt, behauptet der britische Philosoph John Locke. Was das denn bitte heißen soll? Wir helfen Ihnen in dieser Folge von Klassiker kurz erklärt weiter!
Das Zitat
„Da das Selbstbewusstsein das Denken immer begleitet und macht, dass Jeder das ist, was man ,Sein Selbst‘ nennt, und wodurch man sich von andern denkenden Dingen unterscheidet, so besteht die Dieselbigkeit der Person (…) nur hierin, und soweit dieses Selbstbewusstsein sich rückwärts auf vergangene Handlungen oder Gedanken ausdehnen kann, so weit reicht die Dieselbigkeit der Person; sie ist dieselbe jetzt, wie damals; dasselbe Selbst, welches jetzt sich dessen bewusst ist, hat die Handlung verrichtet.“
Versuch über den menschlichen Verstand (1689)
Die Relevanz
Woran macht man fest, dass man noch dieselbe Person wie gestern oder gar vor 20 Jahren ist? Die körperliche Erscheinung ändert sich schließlich über die Zeit hinweg ebenso wie der Charakter. Die Philosophen vor Locke wie etwa René Descartes knüpften die personale Identität an eine immaterielle Seelensubstanz. Locke gründet die personale Identität auf die Kontinuität der Erinnerung. Dieser Ansatz setzte sich in der Moderne durch und bestimmt bis heute die philosophische Debatte. Wie man personale Identität bestimmt, hat immense Konsequenzen für die Praxis – etwa für die Frage, wann wir für unsere Taten verantwortlich sind und ob eine „Übertragung“ unserer Identität durch Gehirntransplantationen oder digitale Bewusstseins-Uploads denkbar ist.
Die Erklärung
Was uns als Person bestimmt, so Locke, ist das Bewusstsein, das unser Denken und Handeln begleitet, und uns unsere Erlebnisse als je eigene wahrnehmen lässt. Und nur so weit, wie sich dieses Bewusstsein in die Vergangenheit erstreckt, überdauert auch unsere Identität: Wir sind insofern dieselben wie früher, als wir uns an frühere Erlebnisse erinnern können. Das bedeutet, dass unsere früheste Kindheit nicht zu unserer personalen Identität gehört. Und dass jemand, der schlafwandelnd oder alkoholisiert ein Verbrechen begeht und sich anschließend nicht daran erinnern kann, im Grunde nicht der „Täter“ ist und somit auch nicht für die Tat verantwortlich. Das Strafrecht steht hier jedoch vor dem Problem, dass von außen kein Einblick in das Bewusstsein einer Person möglich ist. •