Der letzte sowjetische „Idealist"
Der sowjetische Philosoph Ewald Iljenkow war seiner Zeit voraus. Als Einzelkämpfer war er weder von der Partei noch von den im Westen bekannten liberalen Dissidenten anerkannt. Heute wird er als einer der interessantesten Philosophen der Sowjetzeit neu entdeckt.
Es ist Winter 1924, einer der kältesten im ganzen Jahrzehnt. Die Welt hat sich noch nicht von den katastrophalen Folgen des Ersten Weltkriegs erholt: überall sieht man die Spuren der Zerstörung, in manchen Regionen herrscht Hunger. In Europa steigt die Popularität der faschistischen Parteien: eine solche wird im kommenden April die Wahl in Italien gewinnen. In der Sowjetunion, die erst vor zwei Jahren gegründet wurde, stirbt der Anführer der Oktoberrevolution an einer tödlichen Verletzung: Wladimir Lenin. „Aus den Dingen schwindet die Wärme”, so fasste Walter Benjamin ein paar Jahre später die Stimmung dieser Zeit zusammen.
In dieser Atomsphäre, umgegeben einerseits von der Jahrhundertkälte des Faschismus und andererseits von dem Feuer der Revolution, wurde im Februar 1924 im russischen Teil der Sowjetunion Ewald Wassiljewitsch Iljenkow geboren, ein Philosoph, den man als „unzeitgemäß” beschreiben kann. Dreißig Jahre später wird er, geprägt von der apokalyptischen Atmosphäre seiner Zeit, in der kleinen Schrift Kosmologie des Geistes die Frage aufwerfen, was der Sinn des Lebens sei und welches Ziel die Vernunft in einem Universum habe, das, der damaligen Physik zufolge, eines Tages durch den sogenannten „kalten Tod“ (Big Freeze) enden wird.
Seine Antwort fällt so radikal aus, dass der slowenische Philosoph Slavoj Žižek sogar meinte, der dialektische Materialismus erreiche in den Werken Iljenkows einen „Wahnsinnspunkt”: Denn Iljenkow zufolge bestehe der Zweck des vernünftigen Lebens auf der Erde darin, das Universum so zu erwärmen, dass ein neuer Urknall hervorgerufen wird. Zwar würde die Menschheit dabei heroisch untergehen, doch aus diesem Opfer entstünden neue Universen, in denen das vernünftige Leben weiterwachsen werde. Allerdings, so Iljenkow, wäre die Erderwärmung nur unter einer Bedingung möglich: wenn die Menschheit sich für den Aufbau des Kommunismus zusammenschließt. Bis Iljenkow jedoch zu diesen Gedanken gelangt, sollten noch einige Jahre und Ereignisse vergehen…
Im Land des Diamat
Das Studium der Philosophie begann für Iljenkow unter schwierigen Umständen: 1941, als er das Abitur machte, griff Hitler die UdSSR an. Iljenkow musste, so wie die Universität, zunächst nach Aschchabad, der Hauptstadt Turkmenistans, und später in Sibirien vor dem Krieg fliehen. Doch sein Studium der Philosophie dauerte nicht lange: Schon 1942 wurde er gezwungen, an die Front zu gehen. Er kam bis nach Berlin, wo er den Tag der Befreiung vom Faschismus erlebte. In Berlin unternahm er eine Art Pilgerreise und besuchte das Grab jenes Philosophen, der sein ganzes Leben begleiten und prägen sollte: Hegel.
Doch Iljenkow blieb nicht lange in Deutschland. Nach seiner Rückkehr in die UdSSR promovierte er mit einer Dissertation über die materialistische Dialektik von Karl Marx – ein exemplarisches Thema für ein Land, in dem die Philosophie dem politischen Willen der kommunistischen Partei unterworfen ist.
Die offizielle Philosophie der kommunistischen Länder — der Dialektische Materialismus (kurz: Diamat) — unterscheidet sich deutlich von dem, was in der modernen Literatur als „westlicher Marxismus“ bezeichnet wird. Zwischen diesen beiden Strömungen des Marxismus bestanden drei wesentliche Unterschiede: Erstens sahen die Vertreter des westlichen Marxismus die Dialektik ausschließlich in der Geschichte, während die östlichen Philosophen sie auch in der Natur erkannten — was aus westlich-wissenschaftlicher Perspektive als eine Form des Obskurantismus erscheinen konnte. Zweitens — und das hängt eng mit dem ersten Punkt zusammen — rezipierte man im Osten intensiv die Werke von Engels, der im Westen als eine eher nebensächliche Figur in der Geschichte des Marxismus galt. Drittens bezogen sich die westlichen Marxisten stark auf die Psychoanalyse, die in der UdSSR als bürgerliche Denkweise abgelehnt wurde.
Die Beziehung zwischen diesen zwei Strömungen von Marxismus und Dialektik war nicht einfach. Exemplarisch dafür sind die Worte von Theodor W. Adorno, der in seinen Vorlesungen über Dialektik die sowjetische Philosophie als eine „Entartungserscheinung“ und als „Galimathias“ bezeichnen hat. Nun wusste er nichts von den Versuchen des jungen Iljenkow, die gesamte sowjetische Philosophie zu revolutionieren.
Dissident unter Dissidenten
Im Jahr 1954 veröffentlichte Iljenkow gemeinsam mit einem Freund verschiedene Thesen, deren Titel Stil und Sprache der Sowjetischen Philosophie sehr gut wiedergibt: Zur Frage der Wechselbeziehung zwischen Philosophie und Wissen über Natur und Gesellschaft im Laufe ihrer historischen Entwicklung. In diesem Text argumentieren die Autoren, dass die Unterscheidung zwischen dem „Diamat“ und dem sogenannten „Histomat“ — also dem historischen Materialismus, der die Dialektik nicht nur in der Natur, aber primär in der Geschichte sieht — falsch sei. Es gebe, so ihre Überzeugung, nur eine einzige materialistische Dialektik.
Heute klingt diese Aussage schlicht und harmlos. Doch zu Iljenkows Zeiten, so bemerkte einer seiner Biografen, „kam eine solche Position einem intellektuellen Selbstmord gleich“. Der Grund dafür lag darin, dass aus der Sicht des dogmatischen Diamat der historische Materialismus, der die Bedeutung und Wichtigkeit der Ideen — in der Sprache des Marxismus: des kulturellen Überbaus — für die Entwicklung der Geschichte betonte, als eine Form des Idealismus galt. Entscheidend war für den Diamat allein die ökonomische Basis.
Dementsprechend bezeichnete die wissenschaftliche Kommission der UdSSR Iljenkows Thesen als „ein Wiederaufleben des längst von der Partei zerschlagenen und verurteilten menschewistischen Idealismus“. Der damalige Dekan der philosophischen Fakultät erklärte, Iljenkows Ansichten „führten uns in die stickige Sphäre des Denkens“. Daraufhin wurde Iljenkow vom Lehrbetrieb an der wichtigsten Universität des Landes ausgeschlossen.
Zur selben Zeit, in der Geschichtsschreibung als „Tauwetterperiode“ bekannt, entstand in der UdSSR ein neues Phänomen: die Dissidentenbewegung. Diese Menschen waren mit der Unterdrückung der Freiheit nicht einverstanden und forderten Veränderungen. Wenn man heute an sowjetische Dissidenten denkt, fallen einem meist Namen wie Andrei Sacharow (Friedensnobelpreisträger), Alexander Solschenizyn (Literaturnobelpreisträger) oder Wladimir Bukowski ein. Sie alle vertraten liberale oder konservative Ansichten.
Iljenkow hingegen nahm gegenüber dieser Bewegung eine ambivalente Haltung ein. Einerseits teilte er viele ihrer Anliegen und idealistischen Motive, andererseits blieb er ein überzeugter Kommunist. Diese Position brachte ihn in eine schwierige Lage: Er war nicht dogmatisch genug, um von den Parteifunktionären anerkannt zu werden, und nicht „progressiv“ genug, um bei der liberalen Intelligenzija Akzeptanz zu finden — ein gutes Beispiel einer gelebten Dialektik.
Heute gibt es einen besonderen Begriff für Menschen dieser Art — für jene, die zwar gegen das System waren, jedoch aus einer tiefen Überzeugung an den kommunistischen Idealen festhielten. Der moderne russische Historiker Ilja Budraitskis bezeichnet solche Menschen in seinem einflussreichen Buch mit dem gleichnamigen Titel als „Dissidenten unter Dissidenten": Sie waren immer jenseits oder zwischen den Polen des politischen Spektrums und von keiner Seite wirklich anerkannt.
Vielleicht lässt sich das dialektische Leben Iljenkows, und mancher seiner Zeitgenossen, am treffendsten mit dem Titel eines der bekanntesten sowjetischen Filme beschreiben: Ein Fremder unter Seinesgleichen, ein Seinesgleichen unter Fremden (1974).
Die Dialektik des Idealen
Zu Beginn der 1960er Jahre verkündete Nikita Chruschtschow, der damalige Führer der UdSSR, den „vollständigen und endgültigen Sieg des Sozialismus“ im Land. Seinen Worten zufolge könne die sowjetische Gesellschaft nun mit dem „planmäßigen Übergang zum Kommunismus“ beginnen. Wenig später versprach die Parteiführung, dass der Kommunismus bis zum Jahr 1980 verwirklicht sein werde. Im offiziellen Text hieß es optimistisch: „Die heutige Generation sowjetischer Menschen wird im Kommunismus leben!“
Doch dieser Optimismus währte nicht lang. Nach der Entmachtung Chruschtschows im Jahr 1964, als Leonid Breschnew an die Macht kam, begann in der Sowjetunion eine Epoche, die später als „Ära der Stagnation“ (Period zastoya) bezeichnet wurde. Die Gesellschaft, die sich zuvor im Aufbruch befand, wurde „eingefroren“.
Die hegemoniale Philosophie jener Zeit entsprach vollständig dem Geist der Partei: mechanistisch, starr und seelenlos. Eine solche Philosophie nennt man heute „vulgären Materialismus“: obwohl diese Version des Materialismus, in der man alle Phänomene anhand der positiven Wissenschaften erklären will, seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt war, wurde sie besonders im 20. Jahrhundert mit der Entwicklung der Wissenschaften präsent.
Mit Verweis auf die neuen Ergebnisse der Natur- und Neurowissenschaften vertrat etwa der Philosoph David Dubrowski (geb. 1929) die Auffassung, dass alle menschlichen Leistungen — Literatur, Musik, Kunst — letztlich auf die Funktionsweise des Gehirns reduziert werden könnten. Diese Idee sollte die These stützen, dass auch der Kommunismus nach rein mechanischen Gesetzen aufgebaut werden könne.
Als Reaktion auf den Zeitgeist und die herrschende Philosophie verfasste Iljenkow in den 1970er Jahren einen kurzen Text: Die Dialektik des Ideellen, in dem er seine philosophische Position in konzentrierter Form darlegt: Das Ideelle — mathematische Zahlen, Sinn, Denken — erscheint zwar als etwas von der Materie Unabhängiges, bleibt jedoch stets in ihr begründet. Wie aber sind beide miteinander verbunden?
Die „Mainstream“-Materialisten behaupteten, alles gehe aus der Materie hervor und das Ideelle sei bloß eine Illusion. Iljenkow wies diese Position entschieden zurück: „Pseudomaterialisten schaden der Wissenschaft vom Menschen und vom ‚Ideellen‘ weitaus mehr als Platon und Hegel zusammen“, schrieb er provokativ — gegen den Strom seiner Zeit. Und weiter: „Letztere sind bei intelligenter Lektüre sogar von Nutzen, was dumme ‚Materialisten‘, d. h. philosophisch ungebildete Materialisten, die keine Schule der Dialektik durchlaufen haben, aber mit ihrem vermeintlichen Materialismus prahlen, keineswegs leisten können.“
Wie aber entsteht das Ideelle stattdessen? Iljenkow zufolge bildet es sich durch die kooperative Tätigkeit der Menschen oder durch die Arbeit. Es ist nicht — wie die Konstruktivisten behaupten — etwas bloß Ersonnenes, noch existiert es — wie Platon meinte — unabhängig von uns in einer transzendenten Sphäre. Das Ideelle entstehe vielmehr aus der gesellschaftlichen Praxis, aus der gemeinsamen Arbeit und dem Austausch zwischen Menschen.
Der letzte Sowjetische Idealist
Die Dialektik der Ideale war ein Versuch, den Parteiphilosophen zu erklären, dass Ideale kein notwendiges Resultat der bloßen physischen Realität darstellen. Gleichzeitig kämpfte Iljenkow damit gegen „liberale“ Philosophen, die behaupteten, das Ideal des Kommunismus sei lediglich eine Lüge — eine Erfindung der Kommunistischen Partei zur Verdummung der Bevölkerung. Wenn die Ideale jedoch aus der Praxis erwachsen, bedeutet das, dass wir die heutige Praxis im Sinne des kommunistischen Ideals, das seit Jahrhunderten existiert, verändern müssen, um dieses Ideal zu verwirklichen – genau darin besteht die Dialektik.
In den 1970er Jahren allerdings veränderte sich die Praxis grundlegend. Und zwar nicht so, wie es Iljenkow erwartet hat. Weltweit verabschiedete man sich von der Idee des Kommunismus: In den USA, in Großbritannien und in anderen westlichen Ländern setzten neoliberale Reformen ein, die die Macht des Marktes stärken sollten. 1978 ereignete sich die Revolution im Iran, die anstelle einer sozialistischen Arbeiterbewegung eine religiös-fundamentalistische Macht an die Spitze brachte. Im selben Jahr leitete Deng Xiaoping in China tiefgreifende Wirtschaftsreformen ein — mit ihnen endete de facto die kommunistische Epoche.
Der britische Kulturphilosoph Mark Fisher argumentiert, dass die neoliberalen Reformen der 1970er Jahre dazu führten, dass die Zukunft als politische Dimension abgeschafft wurde. Und mit dieser neoliberalen Abschaffung der Zukunft ging, so Fisher, die Verbreitung von Depressionen einher.
Das Leben Ewald Iljenkows kann als Beispiel für diese Theorie dienen. Sehend, wie die Welt ihre Ideale aufgab, wie das Feuer der Revolution, das einst in Ländern wie Russland und China entfacht worden war, langsam erlosch, nahm sich Iljenkow im Jahr 1979 das Leben. Hegel, einer von Iljenkows Lieblingsphilosophen, meinte einmal, dass die wahre Erkenntnis mit der Verzweiflung beginnt. Hier lag vielleicht die größte Diskrepanz zwischen dem Lehrer und seinem Schüler: Letzterer ist auf dem Weg der Verzweiflung gestorben.
Für Iljenkow bedeutete der Kommunismus nicht bloß eine politisch-ökonomische Ordnung, sondern eine „kosmologische Pflicht“ der Menschheit. Ohne den Kommunismus, dachte Iljenkow in seiner Jugend, wäre die Menschheit nicht imstande, das ungeheuerlichste aller Ereignisse zu verhindern: den Wärmetod des Universums.
Nur eine kommunistische Gesellschaft wäre fähig, sowohl die notwendige wissenschaftliche Entwicklung als auch die erforderliche Solidarität hervorzubringen, um einen neuen Urknall auszulösen – ein Ereignis, bei dem die Menschheit zwar im heroischen Opfer unterginge, doch neue Universen entstünden. Wie aber sollte das geschehen?
„Konkret kann man sich das so vorstellen“, schreibt Iljenkow: „An einem bestimmten Höhepunkt ihrer Entwicklung verursachen denkende Wesen, die ihre kosmologische Pflicht erfüllen und sich selbst opfern, eine bewusste kosmische Katastrophe — sie lösen einen Prozess aus, ein umgekehrtes ‚Wärme-Sterben‘ der kosmischen Materie, das heißt, sie initiieren einen Vorgang, der zur Wiedergeburt sterbender Welten durch eine kosmische Wolke aus glühendem Gas und Dämpfen führt.“
Iljenkow war sich dabei durchaus bewusst, dass dieses Ereignis von universeller Bedeutung nicht in absehbarer Zeit eintreten würde: „Millionen von Jahren werden vergehen, Tausende von Generationen werden geboren und begraben werden. Auf der Erde wird ein wahrhaft menschliches System gesellschaftlicher Beziehungen entstehen – eine klassenlose Gesellschaft.“ Nur in einer solchen Gesellschaft, so Iljenkow, kann sich die Vernunft entfalten und ihren Endzweck erfüllen. Mit einer kapitalistischen, individualistischen Gesellschaft hingegen – die, um Hannah Arendts thermodynamische Wendung zu benutzen, sozial atomisiert ist – wäre die Idee einer Opferpflicht der Menschheit, die Solidarität und Zusammenarbeit erfordert, völlig unvereinbar.
Iljenkows Thesen mögen verrückt und naiv-metaphysisch klingen — und das sind sie auch. In diesem Text setzt er voraus, dass die Vernunft das notwendige Ergebnis der Entwicklung der Materie ist: Das Denken sei für die Materie erforderlich, damit diese sich selbst erkennen, weiterentwickeln und schließlich wieder zum Leben bringen könne. Doch Iljenkow war sich der spekulativen Natur seiner Gedanken bewusst: Der Untertitel seines Textes lautet: Philosophisch-poetische Phantasmagorie — eine Sammlung von Träumen und Visionen.
Doch, auch wenn der Text eine reine Spekulation darstellt, durchzieht ihn eine große Hoffnung auf die Zukunft der Menschheit. „Für uns, die wir am Beginn der Blütezeit der Menschheit leben, bleibt der Kampf für diese Zukunft die einzig wirkliche Form, den höchsten Zielen des denkenden Geistes zu dienen“ — so endet Iljenkows die Schrift, die er im Alter von nur 27 Jahren verfasste.
Es ist genau diese radikale Hoffnung, die Iljenkow am Ende seines Lebens durch die geschichtlichen Wendungen genommen wurde: Mit dem Abschied vom Kommunismus, so schien es ihm, verabschiedete sich die Welt auch von den großen Ideen und immanenten Zielen des vernünftigen Lebens.
Für die heutigen Philosophen funktioniert die radikale Hoffnung des jungen Iljenkow als ein Beispiel — und sein tragischer Tod als Aufgabe, die Welt zu verändern. Denn, wie man es von ihm lernt, Ideale existieren nicht unabhängig von uns. Wir selbst sind es, die sie schaffen.•
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