Netzlese
Fünf philosophische Lesetipps für den Sonntag. Diesmal mit der Trägheit des Leibes, dem Rätsel vergessener Schlüssel, der Systemrelevanz der Kunst, einem Plädoyer für Corona-Bürgerräte sowie einer Geschichte des Wartesaals.
◉ In der Neuen Zürcher Zeitung fragt Philipp Tingler, ob die gesellschaftliche Gereiztheit, die sich momentan beobachten lässt, nicht auch und vor allem aus dem Widerspruch zwischen sozialer Beschleunigung und der naturgemäßen Trägheit unseres Leibes kommt – und plädiert dafür, die uns eingeschriebene Endlichkeit als Möglichkeit der Prioritätssetzung zu begreifen.
◉ Woher weiß unser Gehirn eigentlich, dass etwas fehlt, ein Objekt also nicht da ist, wo es sein sollte? Sei es der vergessene Schlüssel oder der erwartete Freund. Auf Zeit Online wirft Filipa Lessing einen Blick in philosophische und kognitionswissenschaftliche Forschung und stellt drei Antwortmöglichkeiten vor: den sinnlichen, metakognitiven und kognitiven Ansatz.
◉ Im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärt der Philosoph und ehemalige Kulturstaatsminister Julia Nida-Rümelin, warum er Kunst und Kultur für „systemrelevant“ hält und fordert dazu auf, diese im Zuge der Coronakrise „nicht vor die Hunde gehen zu lassen“.
◉ Im Tagesspiegel diagnostiziert die Philosophin Olivia Mitscherlich-Schönherr eine Spannung zwischen dem intensivmedizinischen und gesellschaftlich-pluralen Umgang mit der Pandemie. Um beide in Balance zu halten und en passant die repräsentative Demokratie durch partizipative Elemente zu erweitern, plädiert sie für Corona-Bürgerräte, deren Besetzung per Losverfahren bestimmt wird.
◉ Auf Deutschlanfunk Kultur widmet sich Ulrich Land in einem Feature der Geschichte des Wartesaals und zeichnet dabei nicht nur die großen Veränderungen des Eisenbahnverkehr nach, sondern illustriert in diesem Zusammenhang auch, wie sich unser Umgang mit und unser Verständnis von Zeit in den letzten Jahrzehnten verändert hat.