Nie wieder „Nie wieder“ (Teil 1)
Seit Jahren wird das Holocaustgedenken auf breiter Front attackiert, die Spezifika der Judenvernichtung gehen zunehmend in einer verallgemeinerten Gewaltgeschichte verloren. Warum die Shoah nach wie vor ein präzedenzloses Menschheitsverbrechen ist, wieso diese Erkenntnis bei rechten und bei linken Akteuren oft Abwehrreaktionen hervorruft, und was die zentralen Motive des zeitgenössischen Geschichts-Revisionismus sind. Eine Analyse in zwei Teilen.
„Nie wieder“ soll zum einen die Maxime allen Handelns, den Fluchtpunkt von Denken und Erziehung bezeichnen – so forderte Adorno im Anschluss an Auschwitz. Zum anderen war der Ausdruck stets auch phrasenhaftes Schmuckwerk und häufig bloß terminologische Hülse der ostentativ „wiedergutgewordenen“ Deutschen. Das „Was“ des „Nie wieder“ blieb nicht selten unbestimmt; hatte irgendwas mit Autoritarismus zu tun. Natürlich fängt „Nie wieder“ nicht bei Birkenau an. Man will auch nie wieder rassistische Diskriminierung, Angriffskrieg oder Geheimpolizei – und doch hat Adornos Imperativ, demnach Denken und Handeln so gestaltet werden müssen, dass Auschwitz nicht noch einmal geschehe, neben allgemeineren Implikationen antifaschistischer Politologie auch eine spezifische Stoßrichtung inne: Nämlich nie wieder Vernichtungsantisemitismus, nie wieder hasserfüllte Massenpsychose, die „den Juden“ als Geißel der Völker missdeutet und eine Befreiung der Menschheit vom Bösen geistig und konkret an dessen Auslöschung koppelt.
Wer „Nie wieder“ sagt, bezieht sich irgendwie auf die Shoah – doch das Wissen um sie und die Erkenntnis derselben klafften und klaffen nicht selten auseinander. Wenn man weiß, dass „es“ war, und dass „es“ wieder geschehen kann, hat man noch nicht notwendig erkannt, was „es“ ist. Nicht moralisch, jedoch in analytischer Hinsicht, ist Antisemitismus weder mit Rassismus noch mit herkömmlichen Xenophobien identisch, auch wenn es hier und da Schnittmengen gibt. Die Shoah nun als Fazit des Antisemitismus hebt sich von anderen Genoziden ab, ist ein präzedenzloses Menschheitsverbrechen, was bedeutet, dass es einige Merkmale gibt (und daran anschließend einige Schlussfolgerungen), die sie von ihr ähnlichen Verbrechen unterscheidet – und nicht, dass sie jenseits der Geschichte geschah, oder dass es irgendeine Form von Hierarchie unter den Opfern diverser Kollektivmorde gebe.
In den Nachkriegsjahrzehnten kam diese Einsicht immer wieder auf und ging immer wieder unter, wurde stets aufs Neue aktiv untergraben und verankerte sich seit den 90er-Jahren dann in zahlreichen Bezirken des globalen Bewusstseins – was dialektischerweise dazu beitrug, die Erkenntnis der Shoah auch wieder stark zu hintertreiben, und überlieferte Ressentiments zu befeuern. Besagte Befassungs- und Erkenntniskonjunkturen beleuchtet unter anderem der Historiker und Politikwissenschaftler Jan Gerber in seinem neuen Buch Das Verschwinden des Holocaust. Zum Wandel der Erinnerungskultur, in dem die Rezeptionsgeschichte der Shoah und die historischen Bedingungen ihrer Erkenntnis luzide und gewissenhaft nachgezeichnet werden.
Seit mehreren Jahren und nun noch einmal verstärkt seit dem 7. Oktober 2023 droht jene durch Dekaden an intensiver Forschung und stichhaltiges Denken validierte Erkenntnis von der qualitativen Spezifik der Shoah wieder auf breiter Front verloren zu gehen – oder besser, sie wird revisionistisch untergraben. Urteilskraft und Differenzierungsvermögen scheinen heute vielfach im Verschwinden begriffen, im postmodernen Nebel droht die Judenvernichtung das ihr eigentümliche Gepräge zu verlieren, in einer Ära „allgemeiner Barbarei“ zu verschwinden, wie bereits Jean Améry konstatierte.
Was ist das Präzedenzlose dieses Verbrechens? Unter welchen Bedingungen wird es erkannt? Und warum bringt die Erkenntnis desselben bei vielen aversive Reaktionen hervor? Wer führt die Feder bei der Großoffensive gegen das Eingedenken der Shoah? Und schließlich, was sind die zentralen Motive des zeitgenössischen Revisionismus? Nicht zuletzt wird die wohlfeile Inflationierung, ja Resignifizierung der „Nie-wieder-Parole“ heute auch vielfach von denen betrieben, die raunend oder gar dezidiert wünschen, es möge doch endlich „wieder“ geschehen – auch wenn das Deckwort für den üblichen Vernichtungsadressaten in der Regel „Zionismus“ oder „Israel“ lautet.
Ein präzedenzloses Menschheitsverbrechen
Wer über Verbrechen an Massen reflektiert, die ferner von Massen begangen worden sind (wie sich Hannah Arendt einmal ausgedrückt hat), wird auf Ergebnisse und Durchführung achten, doch auch die Motive der Täter bedenken und letztlich das Geflecht aus Bedingungen erforschen, das die Motive virulent werden ließ. Grob gesprochen liegt die Präzedenzlosigkeit des landläufig als Holocaust bezeichneten Geschehens dabei nicht in der ungeheuren Masse der Toten und auch nicht im fabrikhaften Tötungsgeschehen, (zumal sich der Hauptakt der Judenvernichtung, so etwa in Sobibor, Belsec und Treblinka jenseits des „Industriellen“ vollzog und vielfach dem Muster der Handarbeit folgte, ganz zu schweigen vom „Holocaust by Bullets“).
Was Dan Diner „Zivilisationsbruch“ genannt hat, und Yehuda Bauer „Präzedenzlosigkeit“, muss richtig verstanden zuvörderst bedeuten, dass ein Mechanismus außer Kraft gesetzt wurde, der dem zivilisatorischen Projekt der Moderne bis dato als eherne Leitlinie diente – nämlich die instrumentelle Vernunft. Ihr gleichsam in doppelter Hinsicht ent-sprungen, geschah die Shoah auf dem Boden der Moderne, als falscher, wahnhafter Bewältigungsexzess einer keineswegs nur, aber sicherlich auch durch die kapitalistische Totalität bedingten sozialen und mentalen Krise; mit den Werkzeugen instrumenteller Vernunft – doch sprengte sie in ihrem Ausrottungswahn auch immer wieder klassische Nützlichkeitskalküle, jede utilitaristische Rationalität.
Der dialektische Kipppunkt der Judenvernichtung ist anders als etwa der des Kolonialismus eben nicht vornehmlich darin zu suchen, dass eine instrumentelle Vernunft ihrerseits „in Mythos zurückgeschlagen“ ist, dergestalt, dass ihre Beherrschungsmaxime zum leitenden Diktum des Okzidents wurde. Die Dialektik liegt vielmehr darin begründet, dass auf dem Boden der modernen Gesellschaft ein radikaler Antimodernismus gedieh, eine wahnhafte Verschwörungsideologie in Form des Erlösungsantisemitismus, der „den Juden“ zum transhistorischen Feind, zur Gegenrasse der Menschheit erklärte, zum Puppenspieler auf der hinteren Bühne, weil man die vordere schlicht nicht begriff, geschweige denn sie selbstbestimmt mitgestalten konnte. Dieses Trugbild band die Fortdauer der menschlichen Gattung an die Vernichtung des Judentums als solchem, und mithin sämtlicher Jüdinnen und Juden, derer die Nazis zwanghaft versuchten, auf dem Planeten habhaft zu werden. Und dies erwiesenermaßen auch dann, wenn es den eigenen Untergang bedingte. So grausam und exzessiv sich die kolonialen Genozide auch ausgenommen haben, standen sie, wie es Jan Gerber formuliert, noch in „einem Restzusammenhang mit dem Streben nach Macht, Einfluss, Absatzmärkten, Prestigezuwachs oder (…) Lustgewinn.“
Zwar war die Shoah auch ein riesiger Raub und ferner auch ein Tummelplatz sadistischer Affekte. Letztere aber wurden häufig gebremst, während Enteignung und Sklavenverwertung kaum die Kosten des Lageruniversums kompensierten. Die überwältigende Mehrheit der ermordeten Juden kam aus ärmlichen Verhältnissen und wurde eben nicht über den ausbeutenden Umweg knechtender Arbeit, sondern prompt bei der Ankunft in den Lagern vernichtet – oder auf irgendwelchen Äckern erschossen. Dabei war es für die Nazis zudem ungleich relevanter, jüdische Kleinkinder, Frauen und Greise noch von den entlegensten griechischen Inseln nach Osteuropa in die Gaskammern zu karren, als die Wehrmacht mit dem nötigen Nachschub zu versorgen; auch wurden kriegsrelevante Fabriken geschlossen, um die dort arbeitenden Juden zu vernichten. Wie Gerber und zahlreiche andere Forscher zeigen, hatte die Vernichtung der Jüdinnen und Juden gegenüber jedem militärischen Erfolg eine unhintergehbare Priorität.
Im kolonialen Kosmos kam die Ausbeutung zuerst, der massenhafte Mord folgte meistens immer dann, wenn sich die Rassifizierten der Enteignung widersetzten, die „Maschinerie“ einmal nicht funktionierte. Im Holocaust aber war das Mordwerk primär, alles andere war hier von minderer Bedeutung – Bereicherung, Lust, gar das eigene Überleben.
Antisemitismus und Rassismus
Dass die Shoah demnach motivational eine weitgehend andere Grundlage hat als sämtliche Massaker im kolonialen Kontext, hängt indes nicht zuletzt damit zusammen, dass die Hassformen Antisemitismus und Rassismus genealogisch und sozialpsychologisch differieren; dass sie mit dem christlichen Antijudaismus und den imperialistischen Manövern der Neuzeit durch verschiedene Entwicklungsgeschichten geprägt sind und divergierende Funktionen aufweisen, das heißt triebdynamisch andere Bedürfnisse erfüllen (was nicht heißt, dass sie normativ zu unterscheiden wären). So hat das religionsgeschichtliche Verhältnis vom Christentum zu seiner Mutterreligion dazu geführt, dass das antijüdische Ressentiment im Vergleich zum Rassismus eine komplexere Struktur aufweist. Antisemiten definieren ihre Hassobjekte als schwach und übermächtig zugleich: die Juden werden zwar als Schädlinge gedeutet, doch auch als heimliche Herrscher der Welt.
Wo die rassistische Projektion das „rassifizierte Subjekt“ als radikal minderwertig konzipiert, als „Arbeitstier“ und „geistlose Natur“ imaginiert, erscheint „der Jude“ als dämonischer Herrscher, als begründendes Prinzip der bedrohlichen Moderne, als das gleichsam konkretisierte Abstrakte der anonymen Herrschaft des Kapitalismus, als Zersetzer der vermeintlich natürlichen Ordnung, als Urgrund und Prinzip alles Bösen auf der Welt – und somit nicht zu akzeptierende Form der Existenz. Wo etwa schwarze Menschen im rassistischen Weltbild auf der Erde zumindest einen Platz haben dürfen, solange sie nicht wagen, diesen Platz zu verlassen, wo sie also ferner noch „benutzt“ werden dürfen, zielt Antisemitismus in letzter Konsequenz immer auf die endgültige Eliminierung eines als teuflisch vermeinten Prinzips (das in postnationalsozialistischen Zeiten meist in Gestalt des Staates Israel erscheint).
Der wahnhafte Erlösungsantisemitismus als Glutkern der Naziideologie zog so ein gigantisches Vernichtungsprogramm unvergleichlichen Ausmaßes nach sich, in dem noch der letzte jüdische Säugling vom Antlitz der Erde getilgt werden musste. Die völlige Auslöschung der Jüdinnen und Juden wurde dabei in der Forschung oft als Selbstzweck bezeichnet – im Gegensatz zu territorial-verdrängenden, ökonomistisch-ausbeuterischen und strafend-willensbrechenden Motiven, die den kolonialen Genoziden eigentümlich waren. Dabei trifft es die Bezeichnung „Selbstzweck“ nicht ganz, wie der Philosoph Ingo Elbe resümiert. In seinem wegweisenden Werk Antisemitismus und Postkoloniale Theorie macht Elbe deutlich, dass der eigentliche Zweck einer territorial entgrenzten Vernichtung in der kollektiv herbeihalluzinierten Befreiung der Menschheit vom sie vermeintlich geißelnden Übel bestand. Die irrationale, ja eschatologische Befreiungs- und Erlösungsideologie wurde mächtig als psychische Bearbeitungsform eines Ohnmacht generierenden gesellschaftlichen Rahmens. Die eigentlichen Quellen des gesellschaftlichen Unbehagens blieben, wie Elbe schreibt, unangetastet. Der völkische Antikapitalismus ließ das Kapitalverhältnis bestehen, und personifizierte die abstrakte Seite des Kapitalismus im „ewigen Juden“.
So folgte der mythische Irrationalismus, der „den Juden“ zum Lenker der Geldwirtschaft machte, sowie zu einem schädlichen Zersetzer aller Völker – dessen Auslöschung Endpunkt der Heilsgeschichte sei – einer Art Binnenrationalität. Dem kollektiven Wahn nämlich schien die Vernichtung das notwendige Mittel zum Zweck der Erlösung, und wurde dann auch zweckrational praktiziert.
Der Unterschied ist gleichsam einer ums Ganze: Während sich die irrationale Ideologie des Antisemitismus auf „instrumentell-vernünftige“ Mittel wie eine ausgeklügelte Bürokratie stützte, rekurrierte das „instrumentell-vernünftige“ Ausbeutungsprojekt des Kolonialismus in gleichsam umgekehrter Richtung auf die irrationale Ideologie des Rassismus. Zugespitzt formuliert: Wo der Rassismus das „Instrument“ der Ausbeutung war, war die Vernichtung das „Instrument“ des Antisemitismus. Wo der rassistische Imperialismus der Logik des Kapitalismus entsprach, gedieh das System des Nationalsozialismus zwar auf dem Boden desselben, doch wuchs aus dem es bedingenden Rahmen der liberalen Bürgergesellschaft heraus, hatte ein schlechterdings eigenes Gepräge.
Wer andere Verbrechen mit dem Holocaust gleichsetzt, subtrahiert den ideologischen Irrationalismus des Erlösungs- und Vernichtungsantisemitismus, verkennt die präzedenzlose Motivation und daraus abgeleitet eben auch die singuläre Praxis, welche die Shoah von anderen Genoziden trennt. Dieses Urteil folgt keiner Sakralisierung, hat nichts mit „Provinzialismus“ zu tun, wie uninformierte Kritikerinnen der Singularitätsthese immer wieder meinen, oder mit vernageltem Eurozentrismus – es gerinnt aus analytischer Differenzierung.
Erkenntniskonjunkturen
In den letzten 80 Jahren kam besagte Erkenntnis, oder wenigstens eine Art Ahnung davon, dass sich das an den Juden verübte Verbrechen, was Motive, Durchführung und Ausmaß betrifft, von bis dato bekannter Gewalt unterschied, immer wieder auf und ging wieder unter – und zwar sowohl im Gedächtnis ganzer Gesellschaften als auch bei einzelnen Intellektuellen. So zeichnet Gerber auch eindrücklich nach, dass etwa Hannah Arendt und ihr (Ex-)Mann Günther Anders einen mäandernden Denkweg beschritten: Die modernekritische Schablonisierung, die Auschwitz als Ausgeburt der westlichen Moderne oder im Bann einer Technikkritik (welche ausgerechnet vom Antisemiten und Arendt-Lehrer Heidegger angeleitet war) als Ausdruck von Seinsvergessenheit begriff, wurde durch die zeitweise glimmende Erkenntnis von der Präzedenzlosigkeit kontrastiert. Ohne, dass es Arendt oder Anders gelang, das Spezifische des antisemitischen Wahns auf den Begriff und die Shoah so ins Begreifen zu kriegen.
Selbst Adorno und Horkheimer hockten bis weit in die 40er-Jahre hinein im Dunst ihrer eigens formulierten Idee der modernetypisch instrumentellen Vernunft als handlungsleitendem Prinzip des NS – der dezidiert antisemitische Kern der nationalsozialistischen Weltsicht kam den beiden eher schlingernd zu Bewusstsein und wird noch stärker in der Minima Moralia als in der Dialektik der Aufklärung deutlich; zudem expliziter in privaten Dokumenten als in den eigentlichen Werken formuliert (auch bei Marcuse gibt es diese Differenz). So konterkarierte der Antisemitismus als spezifisches Movens der Judenvernichtung die klassischen Dogmen der Arbeiterbewegung vom kapitalistischen Kern des Faschismus, der sich viele linke Denker doch zugehörig fühlten.
Insgesamt indessen, so zeigt es Jan Gerber, ging die mit den Nürnberger Prozessen aufschimmernde Ahnung von der Eigentümlichkeit der Shoah mit Beginn des Kalten Krieges gleich wieder verloren. Und zwar nicht nur im Westen und im Osten von Deutschland, sondern auch im Westen und im Osten überhaupt. „Aktive“ und „passive“ Gründe der Verdrängung scheinen sich dabei ineinander zu verschlingen.
Zwar kommt freilich stante pede in den beiden deutschen Teilstaaten massive kollektive Schuldverdrängung auf. In der BRD versteckt man seine schuldhafte Verstrickung hinter Wirtschaftswunderzauber und gestärkten Gardinen, in der DDR erklärt man die Verbrechen der Nazis als durch den Klassenfeind verantwortete (und folgt so der klassischen Dimitroff-These, die den „deutschen Faschismus“ als entfesselten Typus des hergebrachten Kapitalismus verstand), die Mörder wohnten jenseits des Eisernen Vorhangs, man selbst sei schon immer sozialistisch gewesen. Doch nicht nur in den beiden Deutschlands und in Österreich ist man nun hemmungslos der Zukunft zugewandt und will von den Schrecknissen des Gestern nichts wissen. Der westliche sowie der östliche Block befinden sich ab Anfang der 50er-Jahre in einem radikal ambivalenten Bewusstsein zwischen universalistischem Fortschrittsoptimismus und einer nuklearen Nahtoderwartung. Die kollektive Wahrnehmung ist von dieser Spannung der Frühphase des Kalten Krieges völlig okkupiert; die Vernichtung der Juden ist in dieser Ära kaum ins allgemeine Bewusstsein gedrungen.
Das ändert sich kurz Anfang der 60er-Jahre, konkret mit den Frankfurter Auschwitzprozessen und dem Jerusalemer Eichmann-Prozess. Schnell aber kommt die Spezifik der Shoah im Diskurs über die Dekolonisierung abhanden, die sich in den 50ern und 60ern vollzieht und den Großteil der Wahrnehmungsressourcen okkupiert. Ab Anfang / Mitte der 70er-Jahre ist dann ein weltweiter Bewusstseinswandel zu verzeichnen. Bedingt durch die erste Ölpreiskrise, den Zusammenbruch des Handelssystems von „Bretton Woods“ und die mithin gewahrten „Grenzen des Wachstums“, geht der Fortschrittsoptimismus in West und Ost verloren, der Fordismus und der Sozialismus scheinen zu versagen, das universalistische Pathos verebbt, das Ende der großen Erzählungen hebt an. (Zugleich lebt man nicht mehr in ständiger Angst vor einer atomaren Kriegseskalation.)
Auch endet, wie Gerber eindrücklich darlegt, auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs das Zeitalter wegweisender Heldengeschichten. War das „Opfer“ bislang eine verachtete Figur, avanciert es nun fast zu einem Rollenmodell. Die Renaissance der Menschenrechte beginnt, zugleich fängt man an, sich stärker dem Leid partikularer Gruppen zu widmen, was bis dato nicht selten als Felonie am Ideal einer „einzigen Menschheit“ erschien.
Hatte man bisher, wenn überhaupt, an den Aufstand im Warschauer Ghetto erinnert, da er sich anders als die Vernichtung in klassische Erzählformen einpassen ließ, bedingt die Verabschiedung von „Zukunft“ und „Helden“ eine Wendung hin zu „Vergangenheit“ und „Opfern“. Der Holocaust wird nun prominent rezipiert. Zugleich beginnen diverse Nationen (und auch andere Polit-Kollektive) ihre Gründungsmythen stärker katastrophisch zu deuten. Der Holocaust gilt zwar oft als Chiffre für das Böse, wird aber meistens bloß dazu verwendet, das eigene Leid in seiner Sprache auszudrücken. Man rückt andere Verbrechen stets an ihn heran, wodurch man implizit seine Besonderheit bekennt, doch diese auch gleich wieder relativiert.
Die Aufmerksamkeit, die seit den 70er-Jahren (verstärkt auch durch die Fernsehserie „Holocaust“) und dann nochmals potenziert in den 90er-Jahren mit der Globalisierung des Gedenkens erstarkte, trug dialektischerweise dazu bei, die Erkenntnis der Shoah zu konterkarieren, und überlieferte Ressentiments zu befeuern. Und zwar deshalb, weil sich ein durch den Bedeutungsgewinn der Sozialfigur des Opfers vermittelter „Neid“ auf die präzedenzlose Judenvernichtung und die durch diese evozierte narzisstische Kränkung mancher selbsternannter Opferkonkurrenten, mit antijudaistischen Stereotypen vom jüdischen Exzeptionalismus verband. Der (mitunter implizite) Tenor der Kritik: Partikularistisch und „verstockt“ wie ehedem, stellen „die Juden“ nun erneut ihre Besonderheit aus, dabei haben „wir“ doch mindestens genauso gelitten. Man verargt ihnen, dass „sie vom absolut Bösen zum absolut Bösen gebrandmarkt“ worden sind, und, wie Adorno und Horkheimer meinten, „in der Tat (als) das auserwählte Volk“ herhalten mussten. Der Hass, den die Deutschen in Vernichtung überführten, richtet sich an eben dieser immer wieder auf. Zum Antisemitismus trotz der Vernichtung gesellt sich so ein Antisemitismus ihretwegen.
Irrungen und Wirrungen des Postkolonialismus
Die Shoah und die Erkenntnis ihrer Spezifik haben immer wieder Abwehrreaktionen evoziert. Wie Jan Gerber in Das Verschwinden des Holocaust treffend formuliert, gehen „von der Vernichtung der europäischen Juden so viele Kränkungen für den Verstand aus, dass er sich der Reflexion auf das Verbrechen nur allzu gern entzieht.“ Dabei spielten etwa im Rahmen des Ersten Historikerstreits Mitte / Ende der 80er-Jahre vor allem schuldrelativierende Motive eine Rolle. Rechtsnationalen Akteuren wie Ernst Nolte, der die Gaskammern explizit zur deutschen Reaktion auf die „asiatische Tat“ der Gulags verdrehte, ging es vornehmlich darum, jene Schuld abzutun, die ein ungebrochen nationales Pathos bedrohte. Die NS-Relativierung der Rechten von heute – von AfD bis Identitärer Bewegung – ist abgesehen von genuinem Antisemitismus ihrerseits vom starken Bedürfnis geprägt, sich einer ungetrübten Feier der Deutschheit zu widmen.
Dabei hat es im Rahmen der Erinnerungskonflikte schon früh auch eine andere Frontstellung gegeben. Stellten Linke im Kontext des Historikerstreits die Denker des Camps der Singularität, die von rechter Seite aufs Korn genommen wurde, sind es nicht erst seit dem „Zweiten Historikerstreit“ auch sich links verortende Akteure gewesen, die die Präzedenzlosigkeit der Shoah in ihrem Theorie-Aktivismus bestritten. 1978, das Jahr in dem zig Millionen Menschen die wegweisende Fernsehserie „Holocaust“ sehen, und in der Bundesrepublik sowie in anderen Ländern eine breite Rezeption der Verbrechen beginnt, ist auch das Jahr der Erstpublikation des Gründungsmanifests des Postkolonialismus, Edward Saids Text Orientalismus. Dem theoretischen Programm wird kurze Zeit später die Kampfschrift The Question of Palestine folgen. Die anhebende Sehnsucht nach einer Geschichte, in der man als das absolute Opfer erscheint (dessen Platz aufgrund der Spezifik der Shoah eben der beneidete Jude innehat), wird vor allem in der Denkschule des Postkolonialismus zu historiographischen Verzerrungen beitragen, da es hier mehr um ideologische Selbstvergewisserung und histo-politische Mythen geht (die freilich auch Wahrheitselemente enthalten) als um redliche Wissenschaftlichkeit (die ohnehin oft als Herrschaftstool des Westens geframed wird).
Die Obsession gegenüber dem Jüdischen Staat und die Relativierung jenes Verbrechens, das die Gründung dieses Staates unverhandelbar machte, (was hilfreich ist, um diesen Staat zu delegitimieren) begleiten diese Denkschule seit ihrer Entstehung.
Auch wenn die postkoloniale Theorie dabei geholfen hat, die kolonialen Gräueltaten westlicher Länder in deren Gesellschaften bewusster zu machen – was gedenkkulturell zunächst ein großer Verdienst ist – kam und kommt sie bei diesem Unterfangen leider nicht ohne Erinnerungsabwehr des eliminatorischen Antisemitismus, und dessen Konsequenz, des Holocaust, aus.
Dabei vollzieht sich die Holocaust-Relativierung nicht immer so obszön wie 1987, als der NS-Mörder und frühere Gestapo-Chef Lyons, Klaus Barbie, von Maitre Jacques Vergès verteidigt wurde. Der anti-imperialistische Anwalt nutzte den Prozess für eine Anklage des Westens, die mit Blick auf die französischen Massaker in Algerien und zahllose andere koloniale Verbrechen zwar grundsätzlich eine Berechtigung hatte, doch in einer aktiven links-rechten Querfront den Holocaust zur bloßen Bagatelle erklärte, dabei nicht zuletzt Israel dämonisierte und im Freispruch für den „Schlächter von Lyon“ gipfelte.
Die Frage, die sich seither immer wieder stellt, etwa im Rahmen der sogenannten Mbembe-Debatte, im Kontext des „Zweiten Historikerstreits“, in der Diskussion um den Judenhass auf der Documenta oder in jener zu Israels Feldzug in Gaza, ist die, warum die Thematisierung von Leid nicht ohne Vergleiche zum Holocaust auskommt. Nun gut, die Shoah ist die Chiffre des Grauens, die Holocaustisierung maximiert den Opferstatus, warum auf diesen keine grellen Scheinwerfer lenken? Doch geht es hier um mehr als überzogene PR.
Denn die schlichtweg faktisch falsche Behauptung, die die postkolonialen Ideologen ins Feld führen, besagt, dass das ständige Gedenken an die Juden alle weiteren Formen des Gedenkens blockiert. Koloniale Genozide würden im Westen, insbesondere aber in Deutschland (so meinen etwa Dirk Moses, Michael Rothberg und Jürgen Zimmerer) durch eine Fixierung auf den Holocaust verdrängt. Das Vorurteil vom jüdischen Partikularismus scheint in den Debatten dabei immer wieder auf, (so etwa beim Kameruner Denker Achille Mbembe, dessen Werk vom unübersehbaren Signum des christlichen Antijudaismus geprägt ist) und wird mit Blick auf Deutschland und die Holocaustforschung durch den Vorwurf des „Provinzialismus“ ergänzt, also der vermeintlich perspektivischen Verengung.
Nun ist der erste Vorwurf des Partikularismus aus einer Reihe von Gründen unlauter. Wie Michael Rothberg immer wieder selbst bekennt, hat die Globalisierung des Holocaustgedenkens erst den Boden für weiteres Gedenken bereitet. Dass andere Verfolgte des Nazi-Regimes, wie Sinti und Roma oder Homosexuelle sowie die Nachfahren von Geschädigten des Kolonialismus, heute hörbar ihre Stimme erheben, fußt nicht zuletzt auf den hart erkämpften Errungenschaften des Holocaustgedenkens, zumal sich insbesondere Jüdinnen und Juden auch für andere Gedenkformen stark gemacht haben. Der klassisch antijudaistische Vorwurf jüdischer Besonderung geht in die Irre. Zwar gab und gibt es – wie im Falle der Shoah – renitente Blockaden gegen ein Gedenken sowie Reparationen an Herero und Nama. Auch kommt es hier mitunter zu instrumentellen Verweisen auf die Singularität der Shoah – etwa als der Sonderbeauftragte für die Verhandlungen in Namibia, Ruprecht Polenz, eine vergleichbare Verantwortung für den deutschen Genozid an den beiden afrikanischen Volksgruppen vor einigen Jahren mit Verweis auf den Judenmord relativierte. Per se ist der Holocaust politisierbar. Wenn Deutschland sein koloniales Erbe nicht bekennt, ist das in jedem Fall hart zu verurteilen. Allerdings liegt es wohl eher am Rassismus, oder auch bloß an allgemeiner Ignoranz, als daran, wie Moses in verschwörungsideologisch-antisemitischer Manier insinuiert, dass irgendwelche ominösen jüdischen Eliten eifersüchtig das Gedenken überwachten.
Dass der Holocaust in der offiziellen deutschen Erinnerungskultur (die vielfach zu einem routinierten Erinnerungstheater erstarrt ist, auf dem die wiedergutgewordenen Deutschen ihre kollektive Läuterung inszenieren) tatsächlich eine privilegierte Stellung einnimmt, die über viele Jahre gegen zahllose Widerstände in Politik und Gesellschaft erstritten worden ist, nimmt anderen Gedenken grundsätzlich nichts weg. Auch ist diese Stellung insofern legitim, als der Antisemitismus als Kern des NS ein geplantes Menschenvernichtungsprogramm unvergleichlichen Ausmaßes bedingte, in das weiteste Teile der deutschen Bevölkerung als Mörder, Helfershelfer und Gaffer, sowie als Profiteure integriert gewesen sind. Es gibt wohl kaum eine Familie in Deutschland ohne antisemitische Tätervergangenheit.
Wie unter anderem die Arbeiten des Berliner Antisemitismusforschers Samuel Salzborn gezeigt haben, bescheinigt sich ein Großteil der Deutschen mit Blick auf die eigene Verwandtschaft nach wie vor „kollektive Unschuld“. Der Fauxpas von Akteuren wie Moses und Rothberg, die monieren, „die Deutschen“ seien einem sakralisierten Holocaustfetisch und einer blinden Israelsolidarität erlegen, besteht darin, die Befunde der sozialwissenschaftlichen Antisemitismusforschung nicht zur Kenntnis zu nehmen – ihr Verdikt über „die Deutschen“ ist ein induktiver Fehlschluss. So offenbart die Umfrageforschung eine im Gegensatz zur inszenierten Wiedergutwerdung mindestens ebenso häufig vorkommende Psychostrategie: Schuldprojektion, Shoah-Relativierung, Schlussstrichmentalität und delegitimierende „Israelkritik“ sind in Deutschland eine ubiquitäre Praxis. Das ist vor dem jüngsten Krieg in Gaza so gewesen und hat sich inzwischen noch einmal verschärft. Eher als zur blinden Solidarität – das zeigen alle relevanten soziologischen Studien – neigen viele Deutsche dazu, den Nachfahren der Shoah-Überlebenden moralische Vorhaltungen zu machen – als hätten die Juden doch ob ihrer Verfolgung gefälligst immer schön anständig zu sein. Gerade für die Nachfahren der Täternation ist es psychologisch schließlich hochattraktiv, dass die Shoah als ein Verbrechen unter vielen erscheint, und sie auch nicht mehr zu verantworten haben, als Franzosen, Engländer, Spanier und Belgier, als der allgemein imperialistische Westen. In vielerlei Hinsicht wird das „Erinnern als höchste Form des Vergessens“ missbraucht, wie der Titel eines instruktiven Sammelbands lautet, der hier ein Bonmot von Eike Geisel zitiert.
Auch der zweite Vorwurf – des Provinzialismus – der „den Deutschen“ und der Holocaustforschung gemacht wird, geht somit im Kern an der Sache vorbei. Dass große Teile letzterer nach wie vor auf der Präzedenzlosigkeit der Shoah bestehen, hat nichts mit borniertem Provinzialismus zu tun, sondern mit einer seriösen Interpretation einer in dieser Hinsicht schlagenden Faktenlage.
So war die Shoah eben weder ein kolonialer Genozid (auch wenn dem Vernichtungskrieg im Osten durchaus koloniale Züge eigneten), noch ein „kompensatorisches Unternehmen“, mit dem sich die ihrerseits kolonisiert fühlenden Deutschen gegen die Imago jüdischer Kolonisatoren erwehrten (wie etwa Dirk Moses erkannt zu haben glaubt). Sie ist auch nicht, wie etwa Steffen Klävers gezeigt hat, als Bumerang, als sogenannter „Choc en Retour“, aus dem Trikont zurück nach Europa geflogen, wie zahllose postkoloniale Akteure im Anschluss an ihre bloß selektiv gelesenen Vordenkerinnen und Vordenker meinen. Die bei antikolonialen Denkern wie Hannah Arendt, W.E.B. Du Bois und Aimé Césaire keineswegs apodiktisch formulierten Thesen einer kolonial erprobten Gewalt, die dann nach Europa zurückgeschlagen sei, werden von postkolonialen Aktivisten oft als eherne Dogmen behandelt.
Doch die geschichtswissenschaftlichen Fakten sprechen nun einmal eine andere Sprache: Wie Ingo Elbe jüngst noch einmal treffend dargelegt hat, ist die Shoah eben kein Element eines „biopolitischen Kontinuums“ gewesen, oder gar eine Art „Nomos der Moderne“; kein Laboratorium der Menschenkontrolle und totalitären Modellierungsversuche; kein Konzentrationslager en miniature im großen KZ der durchherrschten Gesellschaft; kein bloßes Eingeschlossensein der Ausgeschlossenen; und sicher kein auf „Macht“ reduziertes Unterfangen, wie Rothberg und Co. im Anschluss an Arendt, Foucault und Agamben zu wissen vermeinen.
Das NS-System zielte nicht auf völlige Beherrschung, sondern auf völlige Vernichtung der Juden. Sein ideologisches Herzstück war der Antisemitismus, der den Juden zum gefährlichen Zersetzer der Völker, zur ewigen Gegenrasse halluzinierte, die vom Antlitz der Erde getilgt werden musste.
Weil sie sich weigern, den Antisemitismus zu begreifen, als unikale Weise des Denkens und Fühlens, die keine bloße Subform des Rassismus bezeichnet, weil sie das Spezielle jener Ideologie zugunsten einer „machtkritisch“ schablonisierten Kritik an der westlichen Moderne ignorieren, sind postkoloniale Denker meist nicht in der Lage, die Spezifik der Shoah adäquat zu verstehen.•
Lesen Sie hier den zweiten Teil des Textes.
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